Wie L'Oréal mit E-Shops Kunden besser kennenlernen will

"Unser Verhältnis zu Amazon ist gut"

Gibt es denn mit Rossman oder dm in deren Shops schon Kooperationen?
Schmidhuber:
Im Prinzip ist alles, was Sie dort sehen, Kooperation. Wir arbeiten zusammen, um den richtigen Content bereitzustellen oder den Content zu optimieren. Auch die Challenge von Produktbewertungen lässt sich nur gemeinsam knacken. Um heute Produkte online verkaufen zu können, brauchen Sie eine relevante Anzahl authentischer Bewertungen. Als L’Oréal unterstützen wir unsere Partner, indem wir beispielsweise vor den Produkt-Launches genügend Samplings bereitstellen oder diese unseren loyalsten Konsumenten schicken.
Lassen Sie uns nochmal auf das unterschiedliche Einkaufsverhalten zurückkommen. Was sind Ihre Learnings?
Schmidhuber:
Make-up ist sehr, sehr inspirativ. Hier brauchen Sie Beauty-Tutorials und Schminkanleitungen. Bei Skincare müssen Sie fast schon hautärztliche Beratung anbieten. Eine Kundin mit Neurodermitis benötigt ein anderes Make-up als eine mit öliger Haut. Hier funktionieren insbesondere Produktbewertungen von anderen Nutzern mit ähnlichen Haut-Challenges. Das Ganze ist viel komplexer als Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50 zu verkaufen, wo die Kunden nur wissen wollen, ob das Produkt gut riecht, wirklich gegen Sonne schützt und hautverträglich ist. Von unserer Make-up-Marke NYX Professional Make-up beispielsweise gibt es von einer Foundation 30 unterschiedliche Shades. Die müssen sie auf dem Monitor erstmal entsprechend darstellen. Und nicht nur das: Wir müssen die Shades auch für verschiedene Hautfarben darstellen - von hell bis dunkel. Diesen Content für unterschiedliche Kauf- und Entscheidungsprozesse stellen wir bereit - vorausgesetzt, die Shop-Technologie kann überhaupt so viele Bilder anzeigen oder erlaubt die Einbindung von Videos  mit akzeptablen Ladezeiten der Website. Wir gehen da wirklich sehr ins Detail. Und das ist anspruchsvoller als ein Buch zu verkaufen.
30 unterschiedliche Make-up-Töne muss man online darstellen können.
Quelle: Screenshot NYX
Wie ist Ihr Verhältnis zu Amazon?
Schmidhuber:
Gut. Es wäre nicht clever, dort gar nicht stattzufinden. Denn viele Shopping-Touren - egal wo letzten Endes gekauft wird - starten auf Amazon. Auch wenn Konsumenten sich erst einmal nur informieren, müssen wir es schaffen, dass sie unsere Produkte dort zur Kenntnis nehmen. Unser grösster Geschäftsbereich bei L’Oréal Deutschland, die sogenannten Consumer Products, mit Marken wie Maybelline, L’Oréal Paris oder Garnier, ist sehr aktiv und partnerschaftlich mit Amazon unterwegs. Aber auch hier müssen wir erstmal erproben, welche konkreten Kundenwünsche und Kaufabsichten wir vorfinden, um sie dann konkret bedienen zu können. Um mal zwei Pole zu nennen: Ist es eher Bevorratung, weil One-Click-Buy meiner Pflege-Routine so schön einfach ist und man sich das Men Expert Rasurgel auf Abo legen kann. Oder ist es Inspiration? Dann wäre es für uns besonders vor grossen Produktlaunches einer Marke spannend, für die man die enorme Reichweite der Amazon-Plattform nutzt. All das müssen wir wieder pro Marke und pro Kategorie analysieren. Das macht es spannend und komplex zugleich.
Welche Erkenntnisse können Sie denn schon ziehen?
Schmidhuber:
Wir haben schnell gemerkt, dass es Produktkategorien gibt, die extrem bevorratungsintensiv sind. Wer aber ein Produkt noch nicht kennt, beispielsweise die ganz neue Sensation der Augenpflege, kommt originär eher nicht auf die Idee, danach auf Amazon zu suchen. Für uns macht es daher zumindest in einzelnen Segmenten wenig Sinn, Amazon als grosse Launch-Plattform zu nutzen. Es geht eher darum, bei erfolgreichen Produkten auch auf Amazon verfügbar zu sein - und das mit dem richtigen Content. Das muss man als Hersteller erstmal in all seinen Facetten beherrschen. Die Prozesse, die dahinter liegen, sind völlig andere als im klassischen Geschäft.
Wieviele Leute arbeiten bei Ihnen nur für Amazon? Und nutzen Sie auch Amazons Angebot, deren interne Mitarbeiter gegen ein monatliches Entgelt zu beschäftigen?
Schmidhuber:
Wir machen extrem viel Inhouse. Denn wir sind nicht sehr erpicht darauf, die wichtigsten Insights und Erkenntnisse aus einem sich im Aufbau befindenden Geschäft aus der Hand zu geben. Ausserdem denken wir nicht in Plattformen, sondern in Nutzergruppen, in Kategorien, in Tribes. Wir haben kein 12-Mann-Team, das den ganzen Tag nur für Amazon arbeitet. Stattdessen ist es uns sehr wichtig, Erkenntnisse aus der Kooperation mit Partnern zusammenzuführen. Was bei dem einen gut funktioniert, kann beim nächsten nur schlecht funktionieren. Wir haben beispielsweise ein zentrales Team, das alles über Content weiss:  Welcher Content funktioniert auf welcher Plattform, was sind die technischen Rahmenbedingungen, welche Bestandteile vergangener Kampagnen haben die Conversion getrieben - all diese Insights geben wir dann an die Marketing-Teams und an die Brands weiter - und das plattform- und partnerunabhängig. Für Insights ist es wichtig, E-Commerce als Ganzes zu sehen.
Für welche Marken betreiben Sie eigene Shops?
Schmidhuber:
Das sind schon eine ganze Menge. Gerade im gehobenen und im Luxussegment sind wir da ganz erfolgreich mit Kiehl’s, Urban Decay, Biotherm oder Lancôme. Im vergangenen Jahr sind wir auch im Massenmarkt gestartet, mit unserer absoluten Love Brand: NYX Professional Make-up.
Warum sollten Kunden in Mono-Brand-Shops kaufen, wenn es Douglas und dm gibt?
Schmidhuber:
Zum Beispiel weil es dort eine grosse Produktbreite und jeden noch so abgefahrenen Shade gibt. Gerade für eine Love Brand wie NYX Professional Make-up  gilt das. Unsere Kundinnen gehen ohnehin regelmässig auf die Seite, um sich inspirieren zu lassen. Da ist es schlichtweg schlau, auch eine Shopping-Funktion zu implementieren - auch im Sinne unserer Omnichannel-Strategie. Sie finden NYX Professional Makeup  nicht nur bei dm, sondern auch in eigenen Flagship-Stores und eben auch im E-Shop. Wir decken die gesamte Customer Journey ab - und generieren über diese Punkte natürlich auch Daten. Und was gibt es Besseres, als eine Kundin, die physisch im Flagship-Store war, online wiederzuerkennen und ihr passende Produkte zu empfehlen?




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