"Sinnlose Zettelwirtschaft" 08.01.2020, 06:22 Uhr

Wie die Bonpflicht bei Händlern ankommt

Seit dem 1. Januar müssen Händler ihren Kunden einen Bon aushändigen - eine Massnahme gegen den seit Jahren grassierenden Steuerbetrug am Ladentisch. Einige wenige haben Verständnis, doch der Frust überwiegt.
(Quelle: shutterstock.com/Andrey Popov)
In einer langen Papierschlange ringeln sich die Bons an der Kasse in einer Dresdner Filiale der Bäckerei Möbius. Kaum ein Kunde möchte den Zahlungsbeleg für Brötchen, Kuchen oder Gebäck mitnehmen. Verkäufer Klaus Barche sammelt die Bons in einer durchsichtigen Box und ärgert sich über die "sinnlose Zettelwirtschaft". Wo früher eine Papierrolle in der Kasse drei bis fünf Tage reichte, wird jetzt mindestens eine pro Tag bedruckt. "Es nervt uns, es nervt die Kunden", so Barche. Seit dem 1. Januar müssen Händler ihren Kunden einen Bon aushändigen - eine Massnahme gegen den seit Jahren grassierenden Steuerbetrug am Ladentisch. Einige wenige haben Verständnis, doch der Frust überwiegt.

"Ich halte das für Quatsch", sagt eine junge Dresdnerin in der Warteschlange der Bäckerei. "Ich werde doch mein Brötchen ohnehin nicht reklamieren." Zudem falle vermeidbarer Müll an. An der Kasse ist die Belegpflicht immer wieder Thema, wenn Barche seine Kunden fragt, ob sie ihren Bon mitnehmen möchten. Zwei Bauarbeiter, die sich Suppe zum Mittagessen holen, schütteln die Köpfe. "Typisch Deutschland", lautet ihr Kommentar.

Dem kann auch der Inhaber von "Schawarma City", einem Döner-Imbiss in der Düsseldorfer Innenstadt, beipflichten. "Wenn, dann sind es die deutschen Kunden, die Bons wollen", sagt er. "Die arabischen nie." Wegen des neuen Gesetzes musste sich der Imbiss-Besitzer extra eine neue, elektronische Kasse kaufen. Bei den benachbarten Kiosks sind auch keine guten Worte über die Bonpflicht zu hören: "Schwachsinn" und "Papierverschwendung" - da ist man sich einig.

Steuerbetrug einen Riegel vorschieben

Dabei sollte die Regelung den Steuerzahler eigentlich freuen: Die sogenannte Belegausgabepflicht ist eine von mehreren 2016 beschlossenen Massnahmen, mit denen der Gesetzgeber Steuerbetrug einen Riegel vorschieben will. Die Belegpflicht für alle Händler mit elektronischen Kassensystemen soll gegen Steuerbetrug helfen, etwa weil das Kassensystem und die Bons miteinander abgeglichen werden könnten. Betrug mit manipulierten Kassen führe jedes Jahr zu Steuerausfällen in zweistelliger Milliardenhöhe, betont der SPD-Finanzpolitiker Lothar Binding. Für Händler, die noch keine passende Kasse besitzen, gilt eine Übergangsphase bis September.

Claudia Reichenbächer aus der gleichnamigen Dresdner Fleischerei kann die Aufregung nicht verstehen. "Wir haben eine elektronische Kasse und drucken den Bon ohnehin immer aus", sagt Reichenbächer. Allerdings nimmt kaum ein Kunde für seine Würstchen oder das Schnitzel den Beleg mit. "Die schmeissen wir alle weg."
Auch in einer Düsseldorfer Apotheke sind die Mülleimer voller weisser Zettel, genau wie an wohl etlichen anderen Orten der Republik, wie unter anderem Fotos zeigen, die zuhauf in sozialen Netzwerken geteilt werden.



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