Die grosse Video-Verwirrung

Ansätze zur Lösung der existierenden Probleme

Neben falschen Einsparungen bei den ­monetären Investitionen gibt es für Felix Badura noch drei weitere Punkte, die zur schwierigen Situation im nationalen und internationalen Videowerbemarkt beitragen: "Auslieferung an nicht menschliche User, Auslieferung in nicht vereinbarten Player-Grössen - zum Beispiel im Content Ad Slot - und Auslieferung in Umfeldern mit schlechter Sichtbarkeit aufgrund der Nutzungssituation."
Der erste Punkt bezieht sich auf die steigenden Prozentzahlen von Robot Traffic und Ad Fraud, also Seitenaufrufe und Werbeauslieferungen, die von Maschinen und nicht von Menschen hervorgerufen wurden. Laut dem "Media Quality Report" des Vermarkters Integral Ad Science lag der Ad-Fraud-Wert in Deutschland im vierten Quartal 2015 bei „nicht unerheb­lichen“ 7,9 Prozent. In den Vereinigten Staaten ist der Anteil von betrügerischen Werbeanzeigen laut unterschiedlichen Quellen sogar drei- bis viermal so hoch wie in der Bundesrepublik.
Damit dieser Wert nicht weiter steigt, fordert Thomas Port wieder mehr menschliche Kontrolle im digitalen Werbegeschäft. "Wenn die Maschinen damit beginnen, Menschen zu kontrollieren, haben wir einen Denkfehler gemacht", lautet der Einwurf des Sevenone-Managers.
Interessant ist in diesem Zusammenhang ein zweiter Wert aus dem Report von Integral Ad ­Science. Danach liegt die Viewa­bility, also die Sichtbarkeit von Werbe­anzeigen, in Deutschland derzeit bei 53,4 Prozent. Im Vergleich zur vorherigen ­Erhebung ist der Wert um immerhin 2,3 Prozent gestiegen - eine durchaus positive Entwicklung.

Advertiser sollten Kennzahlen analysieren

Wer als Werbungtreibender vermeiden möchte, dass seine Videos den Nutzer nicht erreichen, sollte in einem ersten Schritt die vorhandenen Kennzahlen analysieren. Die Viewability-Rate lässt zum Beispiel Rückschlüsse auf die Grösse und die Positionierung eines Video-Players ­sowie auf das Nutzerverhalten zu. Ist die Sichtbarkeit niedrig, so war der Player vielleicht nur kurz zu sehen. Möglich ­wäre auch, dass der User das Tab gewechselt oder vielleicht sogar den Computer verlassen hat.
Die Plattform YouTube wird beispielsweise häufig so genutzt: Der User nutzt die Playlist-Funktion, startet die Wiedergabe von mehreren Musiktiteln und wechselt in ­einen Modus, der dem Radiohören ähnelt. "Hierbei laufen viele Spots hintereinander technisch vollständig ab, ohne ein Nutzungsinteresse des Users", erklärt Meetrics-Manager Badura. Weil die Spots technisch komplett ausgeliefert wurden, muss der Advertiser zahlen, obwohl kein Nutzer die Werbung gesehen hat.

Jedes System hat seinen eigenen Stellenwert

Eine niedrige Sichtbarkeitsrate kann indes auch ein Indiz für die Verwendung eines Content Ad Slot (300 mal 250 Pixel) sein. Dieser ist deutlich kleiner als ein Standard-Videoplayer (640 mal 480 Pixel) und ist häufig weniger prominent auf der Seite eingebunden (zum Beispiel in der Randspalte). Und wenn der Adblocker aktiviert ist, war der "Ad Slot", also der Werbeplatz, überhaupt nicht sichtbar.
Um den in der Branche unbeliebten Werbeausblendern ein Schnippchen zu schlagen, können Publisher und Werbungtreibende einen technischen Ansatz verwenden. Statt die Mp4-Dateien des Werbespots und des redaktionellen Contents einfach hintereinander abzuspielen und damit dem Adblocker die Möglichkeit zu geben, das Video Ad auszublenden, können Werbe- und Content-mp4 zu ­einer Datei zusammengeführt werden. Damit wird der Adblocker vor die Wahl gestellt: Entweder er zeigt auch die Werbung an oder aber der redaktionelle Content, für den sich die Nutzer interessieren, bleibt verborgen.
Dennoch wird es auch künftig viele ­Fälle geben, in denen Werbungtreibende für Videowerbung zahlen, die aus mannigfaltigen Gründen nicht die ­gewünschte Wirkung entfalten konnte. Wer bei Videowerbung keine unangenehmen Überraschungen erleben möchte, sollte sich also Zeit nehmen, Partner analysieren und sich vor allem bewusst machen, dass 1.000 Views auf Facebook nicht 1.000 Views auf YouTube entsprechen - beide Systeme aber ihre eigenen Stellenwert haben.




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