Privatsphäre 16.11.2020, 13:12 Uhr

Digitalisierung und Datenschutz: 10 Jahre Google Street View

Vor zehn Jahren diskutierte ganz Deutschland hitzig darüber, wie man die Privatsphäre in der digitalen Welt retten kann. Der Streit entzündete sich an den Kamera-Autos, die für Google Häuserfassaden fotografierten. Kritiker von damals sehen inzwischen andere Risiken.
(Quelle: Tobias Kleinschmidt/dpa)
Die bunten Google-Autos mit den auffälligen Kamera-Aufbauten fahren inzwischen in rund 90 Ländern der Erde herum. Millionen von Panoramaaufnahmen ermöglichen es Google, in seinen Karten eine virtuelle Umgebung anzubieten. Fast 20 Millionen Kilometer haben die Wagen abgefahren. Google Street View umfasst aber auch Ansichten der Unterwasserkorallen von West Nusa Tenggara in Indonesien oder im amerikanischen Naturwunder Grand Canyon.
Auf den Strassen hierzulande wurden die Kamera-Wagen allerdings schon lange nicht mehr gesehen. Im Panoramadienst von Google besteht Deutschland vor allem aus weissen Flecken. Und dort, wo etwas zu sehen ist, wurden die Bilder seit 2011 nicht mehr aktualisiert.
Google Street View ging in Deutschland vor zehn Jahren an den Start. 20 grosse Städte sollten am 18. November 2010 den Anfang machen, kleinere schnell folgen. Doch der Ausbau kam bald ins Stocken, weil sich an dem Dienst die schärfste Datenschutz-Debatte seit dem Streit um die Volkszählung Anfang der achtziger Jahre entsponnen hatte.

"Aufregung und auch Hysterie"

Die damalige Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) malte mögliche Konsequenzen in düsteren Farben an die Wand: "Ich kann mir anhand von solchen Diensten anschauen, wo und wie jemand lebt, welche privaten Vorlieben er oder sie hat, wie seine Haustür gesichert ist oder welche Vorhänge an den Fenstern sind - und das ist noch das Wenigste." Damit werde das Private ohne Schutzmöglichkeiten in die globale Öffentlichkeit gezerrt.
Der Digitalverband Bitkom spricht rückblickend von "Aufregung und auch Hysterie", die damals geherrscht habe. Jahrzehntelang sei die Veröffentlichung von Bildern des öffentlichen Raums erlaubt und üblich gewesen. "Jetzt sollte dies speziell mit Blick auf Kartendienste verboten werden, ein eigenes Gesetz wurde angekündigt", erinnert sich Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder.
Der Bitkom kritisiert noch heute, der Druck von Datenschützern habe dafür gesorgt, dass bei Verpixelungen alle Bilder des entsprechenden Gebäudes oder Gebäudeteils von den Diensteanbietern dauerhaft und endgültig gelöscht werden mussten. "Das hat unter anderem zur Folge, dass die Aufnahmen zum Beispiel nach Mieter- oder Eigentümerwechseln nicht wiederhergestellt werden können."
Der damalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sieht heute den Start von Google Street View als einen Punkt, an dem sehr viele Menschen zum ersten Mal gemerkt hätten, dass sie sich nicht einfach vom Internet abkoppeln könnten. "Sie mussten erkennen, dass die Digitalisierung sie erfasst, völlig unabhängig davon, ob sie nun selbst einen Computer haben oder nicht, ob sie digital affin sind oder ob sie voll noch im analogen Zeitalter stehen."



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