Digitalisierung und Datenschutz: 10 Jahre Google Street View

Gravierender Fehler

Schaar erinnert daran, dass Google sich damals einen gravierenden Fehltritt leistete: Die Kamerawagen griffen damals auch Daten aus ungeschützten WLAN-Netzen auf. Google sprach von einem Fehler eines Entwicklers. Schaar hält das für eine Schutzbehauptung. Dass Google sich für die WLAN-Erfassung entschuldigt habe, erinnere an das Verhalten beim Dieselskandal. "Die illegalen Abschalt-Einrichtungen hat man auch auf ein Fehlverhalten einzelner Ingenieure zurückgeführt."
Trotz der scharfen Kritik an dem Google-Dienst glaubt selbst Datenschützer Schaar, dass es viel gravierendere Eingriffe in die Privatsphäre gibt als Street View. "Ich meine damit das Datensammeln, das sozusagen unbemerkt hinter dem Bildschirm geschieht. Wenn ich surfe, wenn ich mich digitaler Dienste oder Apps bediene, ist meine Privatsphäre im Zweifel stärker bedroht, als wenn Häuserfassaden abfotografiert und diese Aufnahmen im Internet verbreitet werden."

2007 in den USA gestartet

Gestartet war Street View im Mai 2007 zunächst in den USA. Google erkannte schnell, dass menschliche Gesichter und Auto-Kennzeichen automatisch unkenntlich gemacht werden sollten. Lange kontrovers diskutiert wurde, ab auch Häuserfassaden mit einem virtuellen Schleier überzogen werden sollten - und wer darüber zu entscheiden hat: Eigentümer oder aktuelle Bewohner. Am Ende einer quälend langen Debatte um eine "Pixel-Burka" durften das beide Gruppen.
In Deutschland beantragten damals 244.000 Haushalte, ihre Wohnhäuser unkenntlich zu machen. Google betonte damals, knapp drei Prozent der Haushalte hätten eine Verpixelung beantragt. Der Aufwand dafür war aber offenbar so gross, dass Google auf weitere Kamerafahrten verzichtete. Nur zu kleineren Prestige-Projekten wie der Erkundung der Münchner Allianz-Arena oder der Elbphilharmonie in Hamburg wurden die Street-View-Kameras noch einmal aus dem Schrank geholt.
Dennoch fahren noch ständig Autos auf deutschen Strassen, die ihre Umgebung erfassen. Sie stammen von Karten-Spezialisten wie TomTom oder Here sowie Tech-Konzernen wie Apple und auch Google. "Zweck ist nun nicht mehr, eine Karte zu zeichnen oder eine virtuelle Welt zu generieren, die sich der Mensch anschauen kann", erläutert der Unternehmensberater Kersten Heineke, der als Partner bei McKinsey das Center for Future Mobility in Europa leitet. Es gehe vielmehr darum, Hochpräzisionskarten zu generieren, die von Maschinen gelesen werden können und das autonome Fahren möglich machen.

Neue digitale Mobilitätswelt

Datenschützer Schaar plädiert nun dafür, auch für die neue digitale Mobilitätswelt ein Regelwerk zu definieren, bei dem die Privatsphäre gewahrt bleibt. "Digitalisierung kann nur dann letztlich erfolgreich und nachhaltig sein, wenn dort Akzeptanz und Vertrauen vorhanden sind. Das war vor zehn Jahren bei Google Street View nicht der Fall."
Digitalisierung und Datenschutz gehörten zusammen und sollten eigentlich keine Gegner sein, meint er. Google Street View sei aber auch ein Beispiel dafür, dass man Lösungen finden könne, Digitalisierung und Datenschutz miteinander zu verbinden. "Ob die gefundene Lösung, bestimmte Aufnahmen zu verpixeln, wirklich so weise war, darüber kann man natürlich nach wie vor streiten."
Bitkom-Hauptgeschäftsführer Rohleder bedauert bis heute, das online aktuelles Bildmaterial fehle, etwa für Notfalleinsätze der Feuerwehr. "Wir hoffen, dass Deutschland Schritt für Schritt zu einem neuen Umgang mit Kartendiensten findet und auch im Internet öffentlich gezeigt werden kann, was ohnehin öffentlich ist: der öffentliche und für alle zugängliche öffentliche Raum."



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