"Das Konsumverhalten der chinesischen Kunden ist ein anderes"

New Retail: Verbindung von Online und Offline

Welche Marketing-Massnahmen muss ein deutscher Händler ergreifen, um seine Produkte gezielt potenziellen Kunden in China anbieten zu können?
Wehner:
Die Crossborder-Plattform Tmall Global zum Beispiel bietet eine umfassende Palette von Dienstleistungen an, die helfen, die Markenbekanntheit in China zu steigern. Eines der Marketing-Instrumente ist zum Beispiel "Taobao Livestream", um Inhalte zu erstellen, die chinesische Verbraucher der sogenannten "Generation Z" ansprechen, der am schnellsten wachsenden Kundenbasis von Tmall Global.
Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Wehner:
Nehmen wir eine Hautpflegemarke. Wenn die Marke beispielsweise ­ihren eigenen Flagship Store auf Tmall ­eröffnet, könnte sie gezielt Nutzer aktivieren, die zuvor die Produkte des Unternehmens auf den anderen E-Commerce-Plattformen von Alibaba gekauft haben. Inaktive Nutzer könnte die Marke mit spezifischen Angeboten ansprechen. Per Live-Stream aus einem Lavendelfeld könnte man zeigen, wie ätherisches Lavendelöl hergestellt wird, oder Werbung auf Youku schalten, die diejenigen Zuschauer ­anspricht, die bereits mit relevanten Werbeaktionen auf der Streaming-Site in Kontakt waren. Die Marke könnte auch ihre Treueclub-Informationen mit Tmall synchronisieren, um ein und dasselbe Programm sowohl online als auch in ihren stationären Geschäften anzubieten.
Dieser "New Retail", die nahtlose Verbindung von Online- und Offline-Handel, erreicht jedes Jahr mit dem "Global Shopping Festival" am 11.11. seinen Höhepunkt - 2018 wurden binnen 24 Stunden rund 27 Milliarden Euro an Bruttowarenwert über unsere Plattformen umgesetzt. 
Welche Rolle spielen dabei SEO und SEA?
Wehner
: Die Alibaba-Shopping-Plattformen Tmall beziehungsweise Tmall Global und Taobao stellen für sich eine Produktsuchmaschine dar, da die bei uns angebotenen Produkte nicht in den herkömmlichen Suchmaschinen zu finden sind. Deshalb sind chinesische Konsumenten längst gewohnt, Produkte nicht mehr auf Suchmaschinen zu suchen, sondern direkt bei Alibaba. Optimiert wird also nicht die Suchmaschinenpräsenz, sondern die bei Alibaba.
Kann der Konsument diese Massnahmen selbst steuern oder benötigt er dazu einen Partner in ­China? Wie kann er den geeigneten lokalen Partner finden?
Wehner
: Wir empfehlen jeder Marke eine lokale Umsetzungsagentur, einen sogenannten Tmall-Partner, kurz TP, der dabei unterstützt. Es gibt mehrere Tausend ­davon - wir helfen unseren Partnern, den geeigneten zu finden. 
Wie wird sich das Online-Shopping in ­China weiterentwickeln?
Wehner:
Die Mittelschicht in China wächst rasant und möchte ihre Lebensqualität verbessern, was häufig durch den Kauf von importierten Qualitätsprodukten geschieht. Zudem sind erst rund 20 Prozent des Handels in China "online". Darüber hinaus ist "Made in Germany" ein höchst beliebtes Qualitätssiegel: Unter den Ländern, die am Global Shopping Festival am 11.11.2018 nach China verkauft haben, war Deutschland in den Top 5. Die guten Perspektiven für deutsche Marken in China liegen also auf der Hand.
Könnte man also sagen: China beflügelt den deutschen Online-Handel?
Wehner:
Wenn wir von "Handel" sprechen, verstehen wir darunter das, was wir bei Alibaba "New Retail" nennen. Hierbei geht es darum, die Offline- und die ­Online-Welt sinnvoll zu verknüpfen und das Einkaufserlebnis für die Konsumenten zu verbessern, indem wir die Grenzen zwischen stationärem und digitalem Handel aufheben. Wir unterscheiden daher auch nur noch zwischen digitalisiertem und nicht digitalisiertem Handel. 
Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Wehner:
Ein Beispiel sind die Alibaba-­Lebensmittelmärkte "Freshippo", früher "Hema". Sie bieten einen durchgehend "Smartphone-basierten" Einkauf an - und zwar unabhängig davon, ob sich der Kunde im Geschäft oder auf seinem Sofa ­befindet. Kunden nutzen im Geschäft eine mobile App, um Artikel zu scannen, Produktinformationen zu erhalten und fundierte Kaufentscheidungen zu treffen. Oder sie bestellen ihre Lebensmittel einfach über die App nach Hause. Jeder Markt dient als eigenes Fulfillment-Center, sodass Freshippo in nur 30 Minuten an Kunden liefern kann, die im Umkreis von drei Kilometern leben. Informationen über frühere Einkäufe helfen, personalisierte Empfehlungen zu generieren, die das Einkaufserlebnis für die Kunden verbessern. Darüber hinaus haben Kunden über die Freshippo-App Zugang zu Beständen, die möglicherweise gerade nicht auf Lager sind. Zum Bezahlen wird Alipay verwendet. Sie sehen - China ist auf dieser Reise schon sehr viel weiter.




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