Multichannel und Stationär 27.12.2019, 10:11 Uhr

Geplante Bonpflicht: Der Handel läuft Sturm

Unabhängig davon wie viele Vertriebskanäle ein Unternehmen hat, müssen Händler im Stationären künftig immer einen Kassenzettel ausgeben. Die Regelung stösst auf heftige Kritik. Für die Betriebe ist die Bonpflicht dabei oft das kleinere Übel.
(Quelle: shutterstock.com/Andrey Burstein)
Hohe Kosten, unnötiger bürokratischer Aufwand, Belastung für Umwelt und Gesundheit - die Kritikpunkte am sogenannten Kassengesetz und der damit einhergehenden Bonpflicht sind zahlreich. Denn im Kampf gegen den seit Jahren grassierenden Steuerbetrug am Ladentisch sollen mit dem Jahreswechsel Kassen technisch aufgerüstet werden. Bei jeder Transaktion sollen Händler dann auch einen Beleg ausgeben - ob beim Bäcker oder am Tresen im Club. Nur: Die Kassentechnik ist noch nicht einmal verfügbar.
Der Staat verliert alljährlich hohe Summen, weil Unternehmen ihre Umsätze mit manipulierten Kassen, Schummelsoftware oder fingierten Rechnungen nicht oder falsch erfassen - vor allem in der Gastronomie und in anderen Branchen mit hohem Bargeldanteil. Den von der Steuergewerkschaft und einigen Ländern bezifferten Schaden von jährlich zehn Milliarden Euro hielt das Bundesfinanzministerium bisher aber für zu hoch. Nach einer passenden Lösung des Problems suchten Bund und Länder viele Jahre, auch der Bundesrechnungshof mahnte immer wieder Massnahmen gegen Mogelkassen an.

Das Kassengesetz

Jetzt soll es die Kassensicherungsverordnung richten - oder kurz: das Kassengesetz. Demnach sollen Kassen durch eine technische Sicherheitseinrichtung (TSE) fälschungssicher werden. Ursprünglich sollten Kassen bis zum Jahresbeginn 2020 die neuen Vorschriften erfüllen, das Finanzministerium räumte nun Zeit bis Ende September ein. Die Bonpflicht gilt trotzdem schon von Januar an.
Cetin Acar vom Handelsforschungsinstitut EHI schätzt, dass die neue Regelung "unverhältnismässige Kosten» verursachen wird. Auch der Handelsverband Deutschland (HDE) geht von erheblichen Summen für Betriebe aus. "Erste grobe Kostenschätzungen liegen einschliesslich Installation zwischen 300 und 500 Euro pro Kasse", sagt HDE-Steuerexperte Ralph Brügelmann.
In einzelnen Branchen können die Kosten aber noch weiter in die Höhe schiessen - etwa bei Metzgereien. Denn dort sind Kassen und Waagen verbunden, wie Gero Jentzsch vom Deutschen Fleischer-Verband sagt. Der Umbau sei deshalb komplizierter. Pro Laden geht er von Kosten um 4.000 Euro aus. 
Schlimmer noch: Nur etwa die Hälfte aller Systeme in Metzgereien könne überhaupt technisch nachgebessert werden. In den anderen Geschäften müssten neue Kassen-Waagen-Verbunde angeschafft werden, sagt Jentzsch. Kostenpunkt: 30.000 Euro. "Gerade für einen kleinen Handwerksbetrieb ist das eine Investition, die in die Existenzbedrohung gehen kann."

Ein "riesen Arbeitsaufwand"

Doch obwohl die Verordnung von Januar an in Kraft tritt, können Unternehmer sich noch nicht mit neuen oder umgebauten Kassen ausrüsten. Jürgen Benad, Experte für Kassensysteme beim Hotel- und Gaststättenverband Dehoga, spricht deshalb von einer "grossen Misere" für die Branche. Der Ball liege bei den Kassenherstellern. Diese spielen ihn aber zurück zum Finanzministerium. Lange sei es schwierig gewesen, gemeinsam eine Technik für die Kassen zu entwerfen, sagt Roland Ketel, Vorstand des Deutschen Fachverbands für Kassen- und Abrechnungssystemtechnik. Eine Kasse sei eben kein Computer, nur sei es schwierig gewesen, dies dem Finanzministerium zu verdeutlichen. Erst im zweiten Halbjahr sei man praktische Schritte gegangen.
Die Herstellung der neuen Kassen ist Ketel zufolge ein "riesen Arbeitsaufwand". Immerhin könnten von den etwa 1,85 Millionen Kassen, die in Deutschland im Einsatz sind, nur zwischen 400.000 und 500.000 umgerüstet werden. Die anderen müssten komplett neu produziert und ersetzt werden. Ein finanzieller Schub für die Kassenhersteller sei zwar erwartbar, aber soweit sei man noch nicht.
!Es gibt noch keine Kasse, wir haben lediglich Feldtests gemacht", sagt Ketel. Die Produktion der TSE solle bald ins Laufen kommen. Es gebe allerdings nur zwei Hersteller, die diese derzeit für die normale Kasse anfertigten. "Wir müssen natürlich auch sehen, ob die beiden Hersteller in der Lage sind, das in ausreichender Zahl zu produzieren."



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