Der Fall Birkenstock: Gefangen auf Amazon?

Vendor und Seller - eine heikle Kombination 

Zudem scheint der Wechsel auch innerhalb von Amazon nicht immer gern gesehen zu sein. Denn noch sind Vendor- und Seller-Programme innerhalb von Amazon zwei getrennte Geschäftsbereiche, die miteinander konkurrieren. Verschiedene Marken wollen sogar die Erfahrung gemacht haben, dass sie mit ihren Produkten im Seller-Programm in der Sichtbarkeit beschnitten wurden. "Ich bin mir ganz ­sicher, dass da ein Marktmissbrauch stattfindet", betont Ecom-Partner Hübner. "Amazon kann nicht sagen, auf meiner Plattform verkaufst du an mich, aber nicht selbst. Und wenn, dann sorge ich dafür, dass du nicht erfolgreich bist." Auch Rechtsanwalt Schäfer betont: "Ich rechne mittelfristig damit, dass da auf europäischer und nationaler Ebene eingegriffen wird und die Plattformen in gewissen ­Bereichen beschnitten werden. Dass EU-Kommissarin Vestager hier hart anpackt, hat ja gerade der Fall Google gezeigt."
Doch auch Amazon selbst hat offenbar bereits erkannt, dass das Konzept der konkurrierenden Geschäftsmodelle unglücklich ist - und macht sich für eine Kehrtwende bereit. "Unserer Meinung nach werden die beiden Systeme über mehrere Schritte zusammengeführt werden", sagt Forsthofer, der erst jüngst bei Amazon in Seattle vor Ort war. "Man kann dann ­unter Umständen mit einem Klick entscheiden, ob man das Produkt als Marktplatzhändler oder als Vendor anbieten möchte. Der Trend geht klar zum Marktplatz. Doch diese Prozesse können viele grosse Marken gar nicht abbilden."
Bis es so weit ist, können Marken, die im Clinch mit Amazon liegen, aber auch versuchen, mit ihren Handelspartnern enger ­zusammenzuarbeiten. "Hersteller besinnen sich dann auf ihre Rolle als Markeninhaber und kümmern sich um Produktdarstellung, Markenpräsenz und Werbung, überlassen das Verkaufen aber ihren existierenden Händlern", erklärt Forsthofer. Das sei ein immer beliebteres Modell, das die beteiligten Händler sehr schätzen würden. Auch Hübner befürwortet die Idee, dass Marken ihre Händler im Rahmen von Online-Händlerprogrammen fordern und fördern, sieht in der täglichen Praxis aber, dass Marken "irgendwelche Standardprogramme in ihre AGB packen".
Wer Amazon also stets nur als den ­bösen Gegner darstellt, springt zu kurz. Vielfach verspielen Marken ihre Kanalhoheit selbst - durch Unwissen und Verweigerungstaktik in Sachen Digitalisierung.




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