EU bläst zur digitalen Aufholjagd auf USA und China

Empfindliche Auflagen

Wie gross der Aufholbedarf auf andere Teile der Welt ist, zeigen Daten der Unternehmensberatung McKinsey. Unter den 250 global führenden Tech-Unternehmen entfielen auf europäische Firmen nur acht Prozent der Forschungs- und Entwicklungsausgaben. China liege bei elf Prozent, die USA bei 77.
Bei der Aufholjagd soll der EU-Kommission zufolge genau darauf geachtet werden, dass die genutzten Daten nicht zu tendenziösen Ergebnissen führen. "Wir möchten, dass die Bürger den neuen Technologien vertrauen", sagte von der Leyen. Datensets in sensiblen Bereichen wie dem Gesundheitssektor sollen von Behörden geprüft und zertifiziert werden. Das soll ausschliessen, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen durch die Ergebnisse diskriminiert werden. Für risikoarme Anwendungen soll ein Label freiwillig sein.
Dabei drohen US-Firmen wie Facebook und Google empfindliche Auflagen. Sie könnten etwa zum Teilen ihrer Daten gezwungen werden. Für dominante Marktteilnehmer gebe es besondere Erwägungen, sagte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Zunächst einmal solle jedoch sichergestellt werden, dass die Menschen, die ihre Daten zur Verfügung stellten, Zugang dazu bekämen.
Bei der Gesichtserkennung will die Kommission eine Debatte darüber anstossen, unter welchen Umständen es Ausnahmen für das grundsätzliche Verbot geben könnte, sie im öffentlichen Raum einzusetzen.

Reaktionen auf das Vorhaben

Reaktionen auf die Vorhaben fielen überwiegend positiv aus. Der europäische Verbraucherverband Beuc betonte, Daten grosser Unternehmen müssten Anderen zugänglich sein. "Zu viele Daten sind derzeit in der Hand weniger Industrie-Teilnehmer, die sie exklusiv zu ihrem Vorteil nutzen", sagte Generaldirektorin Monique Goyens. Der Digitalverband Bitkom befand, die Vorschläge formulierten die richtigen Ziele. "Es fehlen aber die notwendigen Massnahmen", sagte Präsident Achim Berg.
Der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken befand: "Die Kommission hat sich viel vorgenommen." Er bedauerte jedoch, dass bei der Künstlichen Intelligenz nun doch kein Gesetzesvorschlag kam - anders als von der Leyen vor ihrem Amtsantritt angekündigt hatte. Und Alexandra Geese von den Grünen im Europaparlament sagte: "Die Digitalstrategie setzt richtige Impulse." Durch Vorabprüfung von Anwendungen mit hohem Risiko setze die EU neue Standards beim Diskriminierungsschutz.
eco Vorstandsvorsitzender Oliver J. Süme äusserte sich ebenfalls: "Eine zukunftsfähige Vision für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz ist das, was Europa bislang gefehlt hat. Der von der EU-Kommission angestrebte Ansatz für einen europäischen Raum für Daten ist eine wichtige Grundlage dafür, dass Europa im internationalen Wettbewerb nicht nur aufholen, sondern vor allem im Bereich KI auch eine zentrale Rolle einnehmen kann. Eine zukunftsorientierte Datenstrategie, die neben den EU-weiten Standards zu Datenschutz auch konkrete Nutzungsszenarien berücksichtigt und Interoperabilität auf anschlussfähigen offenen Standards fördert, wäre definitiv ein Gewinn für das digitale Europa."
BVDW-Vizepräsident Thomas Duhr von IP Deutschland: "Die Ziele der neuen EU-Kommission sind richtig und ambitioniert, leider stehen diesen aber zahlreiche der regulatorischen Entwicklungen der letzten Jahre diametral entgegen und haben bisher eher gegenteilig gewirkt als genützt." Die Analyse der EU betrachtet der BVDW zwar als richtig, doch vieles ist noch zu unkonkret. Der Digitalverband begrüsst die Weitsicht, die in der Strategie grundsätzlich zum Vorschein kommt. Europa habe laut Bericht die Chance, eine Führungsrolle einzunehmen auf dem Weg zu einer durch Daten angetriebenen Gesellschaft. Doch leider, so der Verband, steht sich die EU dabei gern selbst im Weg.



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