Dr. Oetker übernimmt Flaschenpost.de

Hersteller werden in den kommenden Monaten massiver in D2C-Ansätze investieren

Ralph Hübner, D2C-Experte bei der Digitalberatung ecom consulting, freut sich über den Deal, der aus seiner Sicht die Funktionsfähigkeit des deutschen Start-up- und M&A-Marktes unterstreicht. "Im deutschsprachigen Raum haben wir Transaktionen in dieser Grössenordnung und auch mit diesen Multiples bislang kaum gesehen, auch wenn mit Beiersdorf und Henkel just dieses Jahr erste ähnliche Direct-to-Consumer-Manöver zu beobachten waren", sagt er. Der Berater ist davon überzeugt, dass sich dieser Trend in den kommenden Monaten noch deutlich verfestigen und Hersteller noch massiver in ihre D2C-Ansätze investieren werden - und dies immer öfter mittels M&A.
"Die augenscheinlich hohe Bewertung relativiert sich, wenn man sieht in welchem Umfeld der Deal erfolgte", erklärt Hübner. "Da ist die Corona-Unterstützung für E-Commerce generell und da sind die Bewertungen, die andere Food-Companies mit ihren Deals zuletzt erreicht haben wie beispielsweise Just Eat & Grubhub oder Delivery Hero und Woowa. Diesen hohen Multiples im internationalen Markt kann sich auch ein Dr. Oetker nicht entziehen." Mit dem Milliardeninvestment kaufe sich Dr. Oetker Endkundennähe, D2C-Kompetenz und ein hochmotiviertes Team. "Aber vor allem kaufen sie sich wertvolle Zeit, denn der Markt in diesem Segment wird jetzt gemacht und nicht in drei oder vier Jahren", ist der D2C-Experte überzeugt.

Eine Milliarde Euro für den direkten Kundenkontakt statt 50 Millionen Euro für einen TV-Flight

Das Investment von einer Milliarde Euro relativiert sich allerdings auch, wenn man sieht, welche Budgets die Dr. Oetker Gruppe bislang in TV-Werbung für ihre Biermarken investierte. Das Beispiel Flaschenpost lehrte sie, dass es auch ohne jedes Marketing möglich ist, etablierten Playern Marktanteile abzunehmen. Denn wie Sven Schmidt im OMR-Podcast erklärt, sei es Flaschenpost entgegen den Erwartungen des Marktes gelungen, im Bereich Bier und Wasser Eigenmarken zu etablieren und mit den eigenen Biermarken einen Umsatzanteil von 15 Prozent am gesamten Umsatz mit Bier zu erwirtschaften. "Der Glaube früher war immer, man muss für 50 Millionen Euro Fernsehwerbung machen und dann kauft der Kunde nur das Bier dieser Marke. Jetzt ist der Beweis angetreten, dass Unternehmen, die Top of Funnel sind und Berührungspunkte zum Kunden haben, Kunden leiten können."
Darüber hinaus, so fügt Alexander Hüsing von Deutsche-Startups.de hinzu, führe die Konsoldierung im Lebensmitteleinzelhandel und das Entstehen neuer Player dazu, dass sich die Verhandlungsmacht weg von den Konsumgüterherstellern hin zu den Retailern verschiebt. Deswegen sei es unheimlich wichtig, selbst Berührungspunkte zu den Kunden aufzubauen. 
Das ist Dr. Oetker mit dem Deal gelungen - nicht nur für die Biermarken, sondern auch für die Lebensmittel-Brands. Schliesslich kündigte Flaschenpost erst Ende August an, das Angebot in Münster um Obst und Gemüse, Frischwaren und Tiefkühlprodukte erweitern und den gesamten Wocheneinkauf abdecken zu wollen. Könnte also gut sein, dass Nestlés Dr. Wagner-Pizza dann gegenüber Dr. Oetkers Ristorante-Angebot das Nachsehen hat.



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