Das weibliche Geschlecht und die Digital-Branche

Frauen notwendig in der Branche

Angesichts des Fachkräftemangels ist es keine Nettigkeit, sondern eine Notwendigkeit für die Branche, mehr Frauen als Professionals zu gewinnen. Verspielt ­gestylte Lounges und Events, bei denen Nagellack verteilt wird und der thematische Schwerpunkt regelmässig zwischen "Fashion" und "Working Mum" liegt, sind allerdings kaum dazu angetan, Frauen zu zeigen, dass ihre Berufserfahrung und ­ihre langjährige Ausbildung respektiert werden.
Man stelle sich nur einmal die umgekehrte Situation vor: Männliche Fach- und Führungskräfte besuchen einen in ­aller Regel nicht billigen Kongress zu digitalen Strategien und Entwicklungen und werden in einer separaten Boys’ Lounge mit Rasiertipps bespasst, bevor ihnen vom Sponsor ein Nasenhaarschneider als Goodie überreicht wird.
Die manchmal unbeholfenen Versuche, Angebote auf die Bedürfnisse von Frauen zuzuschneiden, zeigen vor allem eines: wie wenig selbstverständlich, routiniert und gleichberechtigt der Blick auf die Kolleginnen auch in der vermeintlich modernen Internet-Wirtschaft ist. Sie belegen also paradoxerweise, dass ein Bedarf an gezielter Förderung von Frauen besteht.

"Girls Lounge" auf der dmexco

Die Girls' Lounge während der Dmexco 2015 hat zwiespältige Reaktionen unter den Messebesucherinnen hervorgerufen
Quelle: dmexco
Die dmexco - mit in diesem Jahr gut 43.000 Besuchern eines der weltweit wichtigsten Branchenevents - hat es im September mit der erwähnten Girls’ Lounge versucht. "Die Girls’ Lounge ist ein vor ­allem in den USA fest etabliertes Projekt, das sich bei globalen Events wie in Cannes, in Austin oder auf der Consumer Elec­tronics Show sehr grosser Beliebtheit ­erfreut - selbstverständlich nicht nur in der Digital-Wirtschaft", erklärt dmexco-Programmmacher Christian Muche. Konzept, Style und Programm-gestaltung der Damenecke haben die dmexco-Veranstalter dem Team von The-Girls’-Lounge-Gründerin Shelley Zalis überlassen.
"Allerdings wissen wir, dass neben den dauerhaften Angeboten aus dem Beauty- und Fashion-Bereich gerade inhaltlich höchst interessante Vorträge, Diskussionen und gedanklicher Austausch aus dem digitalen, gesellschaftlichen und politischen Bereich organisiert werden", erklärt Muche und fährt fort: "Dies war ein weiterer Grund für uns, dieses Projekt auf der Dmexco zu fördern und hatte nicht die Absicht, populistisch die Frauenwelt anzusprechen." Die Ansprache der Frauen in der Zielgruppe gelinge der dmexco auch ohne die Girls’ Lounge, so Muche: "Das zeigt sich insbesondere durch die deutlich gestiegene Anzahl der weiblichen Speaker in unserer Konferenz."

Keine Boys’ Lounge geplant

Für die Akzeptanz spreche, dass die Girls’ Lounge sehr gut besucht gewesen sei. Auch wenn das etwas rechtfertigend klingt, steht man in Köln hinter dem Konzept und ist "durchaus offen für eine Fortsetzung dieser Kooperation". Eine spezielle Boys’ Lounge sei hingegen auch in Zukunft "nicht geplant".
Manch gestandene Digital-Frau hat das Konzept weniger überzeugt.
Sanja Stankovic, Mitbegründerin des Frauennetzwerks Digital Media Women, äussert sich kritisch: "Die Girls’ Lounge auf der dmexco hat bereits vorab in der kommunikativen Darstellung wenig vielversprechend gewirkt. Die Konnotation von ,Girl‘ ist im beruflichen Kontext sowieso unpassend. Vor Ort gab es dann ja tatsächlich Schminktipps, Haarstyling, Porträtfotografie und Cocktails. Das ist nicht nur nicht sinnvoll, sondern total indiskutabel und kontraproduktiv. Ich weiss bei so was immer nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Damit hat die dmexco sich keinen Gefallen getan und ich hoffe, dass man daraus gelernt hat."



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