Das weibliche Geschlecht und die Digital-Branche

Geschlossene Gesellschaft auf Veranstaltungsbühnen

Generell sieht Stankovic die Bemühungen um gesonderte Frauenangebote differenziert: "Man muss sich jeden Fall speziell anschauen. Grundsätzlich kann man ­sagen, dass Frauen keine Randgruppe darstellen - auch wenn so manche Referentenübersicht auf Fachkonferenzen diesen Eindruck gerne erweckt. Und grundsätzlich finde ich es schwierig, wenn auf einer Fachveranstaltung Frauen nur zu ,Frauen­themen‘ auf der Bühne stehen."
Dass sie überhaupt auf der Bühne stehen, hat schon Seltenheitswert. So fand unter dem vielversprechenden Namen "Aufbruch Hamburg Digitale Chancen verstehen und nutzen!" am 10. Oktober 2015 in der Hansestadt ein "generationenübergreifender, interdisziplinärer Austausch zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik" statt. Auf dem Podium: zwölf Männer, eine Frau.
Argumentiert wird in solchen Fällen gerne mit der geringen Zahl geeigneter Expertinnen. "Dabei sind Frauen aus der digitalen Branche selbstverständlich überall präsent. Darüber sollte sich jeder Veranstalter klar sein." Stankovic ist überzeugt, dass Veranstalter, die ihren Job ordentlich machen, zwangsläufig auf Frauen als Referentinnen stossen. "Suche ich zu bestimmten Themen Experten, stehen auf der Agenda automatisch Frauen, ansonsten habe ich nicht richtig recherchiert", so Stankovic.
"Wie viele Frauen man findet, hängt natürlich vom Thema ab und kann variieren." Gerade im Kommunikations- und Medienbereich gebe es viele Expertinnen. Die Floskel "Es gibt ja keine Frauen" könne sie nicht mehr hören, betont denn auch Stankovic. "Das ist schlichtweg nicht korrekt. Veranstalter, die es sich einfach machen und nur aus ihrem Netzwerk ­besetzen, sollten ihre Netzwerke erweitern oder sich an entsprechende Netz­werke wenden und sich dort Tipps holen und uns Feigenblätter ersparen." Denn das seien häufig Formate, die sich vermeintlich mit Frauenförderung auseinandersetzen, und so für sich rechtfertigen, dass Männer auf den grossen Bühnen unten sich bleiben dürfen.

Integrationsprogramm für Männer gefragt

Eine Veranstaltung, die sich seit Jahren mit der Suche nach weiblichen Referenten schwertut, sind die Medientage München. Auch in diesem Jahr lag der Frauenanteil bei den Panels lediglich bei 22 Prozent. Ganz anders beim Thementag "Women Media Connect", mit dem der Veranstalter auf das Problem zu reagieren versucht. Dort präsentierten acht Frauennetzwerke Vorträge, Interviews, Talkrunden, Coaching, Filme und Kabarett.
"Wir hatten einzelne Panels mit ähnlicher Thematik bereits in vergangenen Jahren im Programm. Diese waren relativ gut besucht, wobei der Anteil männlicher Zuhörer eher gering blieb", berichtet Anja Kistler, Kongressmanagement & Communications Director bei den Medientagen. "Im Jahr 2014 haben wir für die Netzwerkverbände von Pro Quote & Co. zum ersten Mal ein Frauenfrühstück organisiert, um deutlicher auf die Problematik aufmerksam zu machen."
Dies war auch das Ziel des Thementags: sehr pointiert auf das Ungleichgewicht hinzuweisen, das in den Vorstands­etagen und Geschäftsführungsebenen der Medienunternehmen herrscht und sich daher auf Veranstaltungen widerspiegelt, erklärt Kongressmanagerin Kistler. Langfristiges Ziel müsse es sein, ein Gleichgewicht herzustellen, damit keine separaten Veranstaltungsteile nötig sind, sondern ausgewogen besetzte Veranstaltungen und Programme eine Selbstverständlichkeit werden können.
Ein zentraler Baustein auf dem Weg dorthin ist die Integration von Männern in den Diskurs. "Wichtig ist, dass auch männliche Entscheider bei Frauenveranstaltungen sitzen, da gesellschaftlicher Wandel ­gemeinsam vorangetrieben werden muss. Auch wenn der Handlungsbedarf offensichtlich ist, wird nicht viel passieren, wenn Frauen alleine darüber sprechen", so Digital-Frau Stankovic.
Zu "Women Create Tech" hatte Klarna im September 2014 in Stockholm und im März 2015 in München eingeladen. Beide Veranstaltungen waren gut besucht.
Quelle: klarna
Ein eigens gekennzeichneter Bereich berge die Gefahr, dass sich kaum Männer dorthin verirren, meint die Expertin: "Das ist schade, da die Thematik auch sie angeht. Bei den Digital Media ­Women haben wir sehr positive Erfahrungen damit gemacht, Männer in den Dialog einzubinden und gezielt einzuladen."
Charlotta Åsell, Product Communication Manager bei Klarna und Organisatorin von Women Create Tech, berichtet, dass bei Klarna im Vorfeld darüber diskutiert wurde, ob es richtig sei, zu dem Event ausschliesslich Frauen einzuladen.

"Women only"-Event bei der Internetworld 2015

Schliesslich hat sich das schwedische Unternehmen doch für ein "Women only"-Event entschieden. Bei der Münchner Veranstaltung der Reihe im Rahmen der Internet World 2015 erzählten die Panel-Teilnehmerinnen sehr unterhaltsam und witzig, welche Herausforderungen sie gemeistert hatten, um beruflich so erfolgreich zu werden. Wie stark das Interesse daran ist, zeigten die ­vielen Fragen aus dem Publikum.
Einer der Gründe für das zunehmende Engagement von Veranstaltern ist die lauter werdende Kritik aus der Branche an männlich dominierten Events. Dafür haben nicht zuletzt einige enga­gierte Frauennetzwerke gesorgt, die nicht müde werden, auf die oft ausschliesslich männlich besetzten Podien hinzuweisen. Die Digital Media Women haben sich bei ihrer Gründung vor fünf Jahren auf die Fahnen geschrieben, Frauen in der Digital-Branche sichtbarer machen. "Um etwas zu verändern, muss man eine gewisse Relevanz und Grösse haben. Das Interesse von Politik und Unternehmen ist sehr gross und wir haben die Möglichkeit, den Wandel mitzugestalten", berichtet Mitgründerin Stankovic.
"Ich bin sicher, dass sich ­ohne die verschiedenen vernetzten Initiativen nicht viel getan hätte - auch wenn es natürlich immer noch Luft nach oben gibt." Auch auf der persönlichen Ebene des Austauschs und des Mentorings sieht Stankovic zahlreiche Vorteile im Mit­einander der Frauen: "Nach meiner Erfahrung ist die Solidarität unter Frauen sehr gross und das potenziert sich über die zahlreichen Netzwerke. In den nächsten Jahren wird sehr viel passieren. Veranstalter und Unternehmen wären gut beraten, das rechtzeitig zu erkennen und für sich zu nutzen, bevor der Zug abfährt."



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