Der Brexit und die Folgen für die Digitalwirtschaft

Höhere Kosten und ein Blick in die Zukunft

Laut der E-Commerce Foundation gaben die Briten im vergangenen Jahr 175,1 Milliarden Euro im Online-Handel aus, mehr als Frankreich (64,9 Milliarden), Deutschland (59,7 Milliarden) und Russland (20,5 Milliarden) auf Platz 2 bis 4 zusammen.
GB ist seit jeher EU-Aushängeschild in Sachen Online-Handel. "In UK ist der E-Commerce durch die frühe Adaption durch den englischen Einzelhandel bereits weiter entwickelt als in Deutschland", so Arne Vogt, Gründer der Unternehmensberatung Artavo gegenüber E-Commerce News. Click & Collect oder Same Day Delivery sind längst etabliert, das Bezahlen via Kreditkarte ist Usus.
Das Berliner E-Commerce Unternehmen Visual meta befürchtet in seiner "Brexit Analyse" einen Kostenanstieg für Online Shopper innerhalb und ausserhalb der UK von zwei Prozent bis zu 15 Prozent (abhängig von der jeweiligen Produktkategorie). E-Commerce Unternehmen in GB hätten mit höheren Lieferkosten und den unterschiedlichen Steuer- und Zollsystemen einen bedeutenden Nachteil.  
Es besteht also die Gefahr, dass deutsche Online Shopper Bestellungen aus Grossbritannien, die sich über dem zollfreien Betrag bewegen, weitestgehend vermeiden. Nun werden die Briten natürlich versuchen, das Free Trade Agreement (FTA) mit der EU aufrechtzuhalten. Denn wenn es hier zu keiner Einigung kommt, steigen zwangsläufig Ungleichheiten in der Steuerstruktur und höhere Zölle sorgen für einen deutlichen Anstieg der Kosten für E-Commerce-Firmen in GB.

Blick auf Branchen

Leidtragende gibt es in fast allen Branchen, besonders betroffen sind aus deutscher Sicht aber exportstarke und mittelständisch geprägte Industrien wie etwa der Maschinenbau, da Grossbritannien zu den traditionellen Kernmärkten des deutschen Maschinenbaus in Europa gehört. Deutschland ist der wichtigste Maschinenlieferant Grossbritanniens. Bisher gab es laut dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) aber noch keine Anzeichen, dass sich britische Kunden im grossen Stil mit Bestellungen zurückhalten.
In GB trifft es laut Visual meta die Modebranche am härtesten. Hier wird ein Umsatzrückgang von zwei bis vier Prozent prognostiziert. Auch die Investitionen innerhalb der UK, insbesondere im E-Commerce Bereich, sollen signifikant zurückgehen. Investoren würden die "Kapitalfluss-Richtlinien" (aus UK in die EU) abschrecken und ihre potenziellen Investments mit einem niedrigeren ROI bewerten.

Was nun?

Für Deutschland ist es nun wichtig, die Auswirkungen auf die deutsche und europäische Digitalwirtschaft möglichst gering zu halten, meint Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Schwer wird es künftig insbesondere für Dienstleister und Start-ups. Rohleder: "Es ist zu erwarten, dass sich Grossbritannien von den Standards des digitalen Binnenmarkts entfernen wird. Für Unternehmen aus Deutschland bedeutet das, dass sie sich mit abweichenden Regeln in Grossbritannien beschäftigen müssen."
Gerade für Mittelständler und Start-ups sei das oft kaum möglich. Und IT-Dienstleister, die fast immer in internationalen Teams arbeiten, werden künftig nicht mehr von der Arbeitnehmerfreizügigkeit profitieren können.
Ein anderer wichtiger Aspekt: "Von der gerade mühsam verabschiedeten EU-Datenschutzgrundverordnung über Verbraucherschutzrechte und Umweltschutzrichtlinien sind eine Vielzahl von Regelungen durch den Brexit betroffen. Diese werden mit Vollzug des Austritts ihre Gültigkeit verlieren oder in Frage gestellt", mahnt Rohleder. "Unternehmen, die ihre Zentralen in Grossbritannien haben oder dort über Niederlassungen verfügen, werden davon betroffen sein - etwa wenn der freie Austausch zum Beispiel von Kundendaten eingeschränkt ist oder sie sich an unterschiedliche Verbraucherschutzrechte anpassen müssen."
Grossbritannien steht jetzt erst einmal eine schwierige Zeit bevor. "Es wird ein sehr langer Kater werden für die EU, aber vor allem für Grossbritannien, weil aus meiner Sicht uns jetzt auch sehr schwierige Verhandlungen, was den Austritt anbelangt, bevorstehen", so der Vorsitzende der deutsch-britischen Parlamentariergruppe, Stefan Mayer. Ein Austritt könnte dann mit dem 1. Juli 2018 rechtskräftig werden.



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