Digitale Kommunikation der Gegenwart – Chancen, Risiken und Entwicklungen

2. Wie die digitale Kommunikation den Menschen prägt

Die digitale Kommunikation verändert den Menschen und seine Art zu kommunizieren. War diese früher primär persönlich geprägt und fand Face to Face statt, ist es heute anders. Besonders die Kurznachrichten-Dienste haben da einen enormen Einfluss genommen. SMS waren schliesslich immer ein Unsicherheitsfaktor: Kam die Nachricht an? Bei WhatsApp ist das heute anders. Nach dem Senden einer Nachricht sieht der Absender sowohl wenn die Nachricht angekommen ist, als auch wenn und wann sie gelesen wurde. Dies hat eine gewisse Kontrolle zur Folge, eine Sicherheit, dass die Message beim Empfänger angekommen ist. Kommt keine Antwort, ist das meist auch eine Antwort – und dank dem Sendestatus ist der Absender auch jederzeit in der Lage so etwas darein zu interpretieren. Ob das immer gut ist, sei jedem selbst zur Bewertung überlassen.  
Ausserdem ist das Leben schneller geworden. Nachrichten werden innert Bruchteilen von Millisekunden übermittelt – auch über Kontinente hinweg. Briefe brauchten damals zeitweise bis zu drei Monaten. Diese Schnelllebigkeit verlangt auch eine Anpassung des Menschen, sie prägt sowohl das Sozialverhalten, ist aber genauso für die Unternehmenskultur entscheidend. 
a. Wie wird das Sozialverhalten beeinflusst?
Der Mensch ist faul. So kommt es, dass er oftmals den einfachsten Weg für sich wählt. Das gilt auch in der Kommunikation. Durch die digitale Komponente kann viel des kommunikativen Aufwands durch das Schreiben abgedeckt werden. Das fällt manchen leichter als das Sprechen – so kommt es, dass einiges der täglich notwendigen Kommunikation wie “Meeting um 14.30” oder “Heute Mittagessen?” eben über die schriftliche Art abgewickelt wird. So wird das, wo Sprechen vermeidbar ist, durch das Tippen ersetzt. Das entlastet punktuell und verteilt die “Last der Kommunikation” auf verschiedene Zweige.
So kommt es, dass die Kommunikation untereinander oft nur noch auf schriftlicher Basis läuft. Vielbeschäftigte Freunde beispielsweise werden so nicht zwischen ihren Terminen angerufen, sondern eine Konversation zieht sich über Kurznachrichtendienste über Tage hin. Eine Unterhaltung in Etappen, sozusagen. 
Aber auch Nachrichtendienste, die dem Absender mitteilen wenn der Empfänger die Nachricht gelesen hat, führen dazu, dass sich das Kommunikationsverhalten verändert. Zum einen steht der Adressat unter dem ständigen Druck zu antworten, aber auch unter Beobachtung. Wann liest er meine Nachricht? Warum antwortet er nicht? Dieses Hinterfragen führt zu einer veränderten gesellschaftlichen Wahrnehmung, einem Infrage stellen der Beziehung. 
Das verändert sowohl das eigene Verhalten, als auch die Erwartungen an das Gegenüber - oder eben an dem anderen Endgerät. Das Potenzial für ein unausgesprochenes Ärgernis wächst, weswegen eigentlich auch für diesen Teil der menschlichen Kommunikation neue Regeln her müssen. 
i. Online Kommunikation als Ergänzung, nicht als Ersatz
Je nach Altersstufe und gesellschaftlicher Schicht nimmt die Online Kommunikation einen grossen Teil des gesamten Kommunikationsaufwand ein. Rausgehen? War einmal. Denn nun kann von zu Hause aus mit zehn verschiedenen Leuten kommuniziert werden, die sonst vielleicht niemals bereit werden sich auch im echten Leben zusammensetzen. Vor allem in der komplizierten Teenager-Zeit hat das enorme Auswirkungen auf die Kommunikation untereinander – der Druck sich ständig richtig zu präsentieren, auch auf sozialen Netzwerken, wächst.
Das macht es schwierig, denn die Online Kommunikation verschweigt vieles. Der Mensch ist darauf ausgerichtet in dem Gegenüber zu lesen. Mimik, Gestik – all das bleibt verschwiegen bei einer Kommunikation über Messenger. Besonders deshalb sollte die Kommunikation im Online Bereich als Ergänzung gesehen werden, nicht als Ersatz. Wer sich Online zu einem Treffen in der realen Welt verabredet, nutzt die Mittel sinnvoll. Wer die reale Welt aussen vor lässt, nicht. Eine ausschliessliche Kommunikation über Online Mittel kann auf Dauer nicht funktionieren. Denn hinter dem Endgerät abgeschirmt, komm auch bei 20.000 Wörtern pro Tag Einsamkeit auf. 
ii. Mobilfunk und die Auswirkungen auf das gesellschaftliche Miteinander
Der Mobilfunk und die Möglichkeit auch über das Handy umfassend zu kommunizieren hat einen weiteren Effekt: ständige Erreichbarkeit. Durch mobile Endgeräte, die auf jegliche Art von Messenger zugreifen können, die es möglich machen die E-Mails auch von unterwegs abzurufen, die den Mensch auch nachts um 3 Uhr auf Abruf halten, tritt keine echte Ruhe ein. Die Sicherheit, heute einfach nichts zu hören, weil Sonntag ist oder ähnliches, gibt es nicht mehr. Denn dazu  müsste das Handy abgeschaltet werden – was wieder konträr zur Erwartungshaltung der Gesellschaft steht. Die Möglichkeit, immer erreichbar zu sein, weicht einer Erwartung, dass jeder immer erreichbar ist. Das macht auch das gesellschaftliche Miteinander schneller und anstrengender. 
Der Mensch hat heute viel mehr Kontakt zu seinen Mitmenschen, die gerade nicht in seiner unmittelbaren Nähe sind, als früher noch. Steht ständig in hunderten von Gesprächen: Eine Situation, die es nur virtuell geben kann, die nicht der realen Umgebung des Menschen entspricht. Und eine, die auf Dauer stresst. So sehr, dass irgendwo eine Pause eintreten muss, dass der Mensch egal in welcher Position wieder dazu bereit ist, das Handy abzuschalten – und es ihm auch zugestanden wird. Denn der gesellschaftliche Druck macht die eigentlich positive Entwicklung, die Bereicherung an technischen Möglichkeiten, zu einem Problem, zu einer Belastung, die an unangenehme Grenzen stösst.  
b. Veränderte Unternehmenskultur
Auch die Unternehmenskultur unterliegt gesellschaftlichen Regeln – das veränderte gesellschaftliche Miteinander, die gestiegenen Erwartungen an jeden Teil der Gesellschaft führen auch dazu, dass in der Unternehmenskultur andere Erwartungen herrschen – sowohl an Vorgesetzte als auch an Mitarbeiter. 
Quelle: fotolia.de ©pathdoc (#78862262)
Da spielt zum einen die stetige Erreichbarkeit mit rein, als auch die Möglichkeit von überall aus auf die Nachrichten oder geforderten Aufgaben zu reagieren. Alles lässt sich von überall aus erledigen, so dass viele gar nicht mehr nach Hause kommen von der Arbeit. Und auch wenn Mitarbeiter sich eventuell als Leidtragende sehen, sind es auch die Vorgesetzten die unter dieser stetigen Erreichbarkeit leiden. Sowohl für Kunden als auch für die Mitarbeiter stetig ein offenes Ohr haben zu müssen – das stresst. Denn die Verantwortung ist nicht auf 9-5 begrenzt, sondern auf 24/7 ausgeweitet. 
Das hat sowohl positive als auch negative Aspekte – logisch. Denn zum einen kann durch elektronische Übermittlung von Nachrichten viel Zeit eingespart werden - einen Brief zu schreiben dauert beispielsweise viel länger, als schnell eine E-Mail zu verfassen. Ausserdem kann die selbige von zu Hause oder dem Büro aus mit einem Klick versendet werden, während der Brief zur Post gebracht werden muss – ein Weg mehr, ebenso wie finanzieller Aufwand. So werden auch Glückwünsche immer häufiger elektronisch übermittelt – erinnert durch soziale Netzwerke, kann die SMS auch noch um 23:56 abgesendet werden, während der Brief bereits am Vortag im Briefkasten hätte landen müssen. Das erhöht zum einen die Wertschätzung von “echten” Briefen, macht ihn aber auch zeitgleich noch offizieller. Denn auch wichtige Dokumente kommen nach wie vor per Post – schliesslich ist das Vertrauen in echtes Papier und Unterschrift höher als in elektronische Dokumente, deren Fälschungsmöglichkeiten viel diverser sind.  
i. Transparenz und vereinfachte Prozesse
Diese Schnelligkeit und die Möglichkeit sofort zu sehen, ob eine Nachricht angekommen ist, machen viele Abläufe transparenter, aber auch einfacher. Kommunikationswege sind kürzer, eine kurze Nachricht kann auch während eines Meetings rausgesendet werden – Telefongespräche hingegen sind nicht möglich. Das beschleunigt die Entscheidungen, aber erneut auch den Druck. Dennoch: Besonders in der Unternehmenswelt ist vieles effizienter und einfacher geworden durch die neuen Möglichkeiten der digitalen Kommunikation. Für jeden Bedarf gibt es sicher einen Tool, der genau das möglich macht, was nötig ist. Auch die Kommunikation in Gruppen ist einfacher geworden, ohne dass alle Zeit für ein Meeting einräumen müssen. Geteilte Ordner oder Dokumente können zeitgleich an den verschiedensten Orten bearbeitet werden, so dass ein Team aus Äthiopien, den USA und Italien zusammen etwas erarbeiten können, ohne teure Flüge oder Konferenz-Anrufe in Kauf nehmen zu müssen. Diese vereinfachten Prozesse machen das Geschäftsleben einfacher, effizienter und vielfach wirtschaftlicher – hier also ein echter Pluspunkt. Aber nicht immer. 
ii. Ablenkung und Senkung der Produktivität
Denn durch die kurzen Wege ist auch das Kommunikationsvorkommen gestiegen. Kurz Rücksprache halten ist einfacher geworden, so dass viele Entscheidungen nicht alleine getroffen werden müssen. Das macht die Arbeit für einzelne einfacher, für andere bedeutet es jedoch eine Ablenkung und eine damit einhergehende Senkung der Produktivität. Das ist die zweite Seite der Medaille, die, die das Arbeiten anstrengender macht, stressiger und unproduktiver, da durch die Ablenkung mehr Zeit für einzelne Aufgaben aufgewendet werden muss.




Das könnte Sie auch interessieren