Netflix, Amazon Prime Video und Co 24.03.2018, 12:12 Uhr

Wie Werbung nun auch TV-Streaming-Portale erobern will

Streaming-Portale wie Netflix und Amazon Prime Video boomen. Werbemöglichkeiten gibt es dort bislang jedoch so gut wie keine. Das muss nicht immer so bleiben.
(Quelle: Netflix)
Es war einer der ersten Aufreger des noch jungen Jahres. In der achten Staffel der Comedyserie "Pastewka", die seit Kurzem auf dem Streaming-Dienst Amazon Prime Video abrufbar ist, wimmelt es von Produkt-Logos. Marken wie Canon, Coca-Cola, DM, Haribo, Mey, Nivea oder Sony tauchen recht prominent auf  - eine Folge der Serie spielt sogar komplett in ­einem Media Markt. Schleichwerbung, mutmassen die Medienaufsichtsbehörden. Einfach nur nah am echten Leben, argumentieren die Produzenten. 
Abseits des juristischen Gestichels zeigt der Fall zweierlei. Erstens: Streaming-Dienste wie Amazon Prime Video sind keine mediale Randerscheinung mehr , der kaum jemand Beachtung schenkt. Und zweitens: Die Markenartikler haben ­erkannt, dass hier eine interessante Zielgruppe vor dem Screen sitzt, mit der sie gern in Kontakt kommen möchten.

Werbeformen wenig bis gar nicht vorhanden 

Ihr Problem ist allerdings: Die Werbemöglichkeiten, die sich ihnen im Bereich Video-on-Demand bieten, sind rar gesät. Denn die kostenpflichtigen Dienste wollen es sich mit ihren Kunden nicht verscherzen, indem sie sie mit Werbung konfrontieren. Netflix, der populärste Streaming-Dienst in Deutschland, ist deshalb werbefrei, wenn man mal von den Teasern für eigene Filme und Serien absieht. Auch Amazon Prime Video bietet keine klassischen Werbeflächen an. Ähnlich sieht es bei Maxdome, dem Streaming-Portal der ProSiebenSat.1-Gruppe, sowie Sky Ticket, dem neuen Streaming-Angebot des Pay-TV-Anbieters Sky, aus: keine Werbeplätze. "Wird Streaming im engeren Sinne verstanden, sind die Werbeformen insbesondere im Bewegtbildbereich noch wenig bis gar nicht vorhanden", sagt Mathias Glatter, COO der Media-Agentur Initiative.
Werbungtreibende trifft das hart. Denn seit Monaten beobachten sie eine regelrechte Absetzbewegung. Vor allem junge Menschen wenden sich vom klassischen linearen Fernsehen ab und gucken vermehrt Serien und Filme auf Netflix und Co. Speziell die Zielgruppe der jungen Männer zeige starke Abwanderungstendenzen, sagt Glatter. Vermutlich seien diese Zielgruppen überproportional bei den Streaming-Angeboten zu finden. Ausgerechnet diese Video-Angebote aber sind für Produktwerbung weitgehend verschlossen.  

Amazon nutzt Fire TV für Werbemöglichkeiten

Werbekunden müssen sich also auf die bestehenden Möglichkeiten beschränken. Das sind nicht viele, aber es gibt sie. So bietet das Streaming-Portal Watchbox aus der RTL-Gruppe alle gängigen Videowerbeformate sowie eine Reihe von Sonderwerbeformen an. Vom User wird dies vielleicht nicht unbedingt geschätzt, aber akzeptiert, denn: Watchbox ist mit seinen rund 1.300 Spielfilmen und über 3.000 ­Serienepisoden kostenlos. "Watchbox bietet vielzählige Möglichkeiten, eine Marke ganz individuell zu inszenieren - Stichwort Branded Entertainment", erklärt Tim Nieland, Abteilungsleiter Product Management beim zuständigen Vermarkter IP Deutschland. "Die Praxis sieht aber in der Regel so aus, dass der Grossteil der Kunden auf klassische Videoformate setzt - und das möglichst über alle Endgeräte."
Auch Amazon hat für seine Werbekunden eine Nische. User, die über den Stick Fire TV auf Streaming-Angebote zugreifen wollen, landen auf einer Zugangsseite, die nicht nur den Weg zu Filmen und Serien von Amazon Prime Video bietet, sondern auch Werbeplätze hat. Der Spielwarenhersteller Zapf hat hier im Dezember gebucht und damit gute Erfahrungen gemacht ­(siehe Interview Seite 2).

RTL-Chefin Schäferkordt rechnet mit Umdenken

Einiges deutet darauf hin, dass hier ­gerade ein Umdenken einsetzt. Anke Schäferkordt, Chefin der RTL-Gruppe, äusserte bereits im vergangenen Oktober die Überzeugung, dass sich die kostenpflichtigen Streaming-Dienste bald für Werbung öffnen würden. Auch Media-Experten wie Henning Ehlert rechnen mit Entwicklungen in dieser Richtung. Netflix werde mit entsprechenden Angeboten nicht mehr lange auf sich warten lassen, so der Geschäftsführer der Media-Agentur JOM. "Der Schritt, sich für Werbung zu öffnen, liegt nahe", betont auch Mathias Glatter. "Vermutlich werden ähnliche Modelle wie bei Audio-Streaming-Diensten Anwendung finden: verbilligte oder kostenlose Angebote mit Werbung und weiterhin werbefreie Angebote zu einem ­monatlich höheren Abo-Preis."
Ein Sprecher von Sky signalisierte gegenüber Internet World Business ­bereits Bewegung. Man könne noch keine konkreten Pläne vermelden, aber natürlich werde eine Werbevermarktung auf Sky Ticket geprüft.




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