Assistenten im Messenger 01.09.2016, 16:43 Uhr

Service per Chatbot

Ein persönlicher Assistent, der via WhatsApp oder Facebook Messenger Alltagsaufgaben erledigt: Chatbots müssen zwar noch viel lernen, ein bisschen shoppen können sie aber schon.
(Quelle: Shutterstock.com / Julia Tim)
Butter, Paprikasalami, zehn Bio-Eier, Bio-Vollmilch und Käse, am liebsten Appenzeller. Wer gestern mit einer solchen Einkaufsliste in den Supermarkt gegangen ist, kann seine Wünsche heute per WhatsApp an Allyouneedfresh schicken und bekommt binnen weniger Minuten einen Link zum gefüllten Warenkorb zurückgeschickt.
Seit Ende Juli steht der WhatsApp-Einkaufsservice bei dem Lebensmittel-Shop des DHL-Marktplatzes Allyouneed zur Verfügung. Drei Monate lang will Allyouneedfresh-Geschäftsführer Jens Drubel das Angebot nun testen, die erste Resonanz ist gut: "Bereits heute können wir sagen, dass die positive Art, wie der Service angenommen wird, und das Tempo, mit dem er sich verbreitet, die Vermutung ­nahelegt, dass es weitergehen wird. Wie genau, werden wir sehen."

Wie funktioniert Einkaufen via WhatsApp?

Der Kunde speichert eine Mobilfunknummer von Allyouneedfresh in seinem Smart­phone und schickt per WhatsApp seine Einkaufsliste oder das Foto eines Rezepts an den Online-­Supermarkt. Dort analysiert ein Bot - also eine Software, die Aufgaben automatisieren kann - die Liste und identifiziert die gewünschten Produkte. Mithilfe der selbst entwickelten ­Recommendation-Engine des Online-Shops wird der Warenkorb dann direkt im Shop zusammengestellt und überarbeitet. Der Kunde bekommt den Link zu diesem Warenkorb geschickt und gelangt so auf eine Landing Page des Shops im Responsive Design. Dort kann er den Einkaufskorb verändern, bezahlen, die Lieferoptionen auswählen und die Bestellung wie ­gewohnt abschliessen.
Doch halt: Ganz so einfach ist es (noch) nicht. Noch kann die Technologie den Menschen nicht vollständig ersetzen. "Das System trifft eine Vorauswahl. Dann prüfen Mitarbeiter die Auswahl und passen sie gegebenenfalls an. Deshalb ist es noch ein Pilot. Das System muss bei mehr als 22.000 verfügbaren Produkten noch viel lernen", räumt ­Drubel ein. Er nennt ein Beispiel: Wenn ein Kunde mehrere Bio-Produkte auf seiner Liste hat, ist es sinnvoll, dass das System bei Reinigungsmitteln ebenfalls ein Bio-Produkt empfiehlt. Vor allem bei Rezeptfotos müssen die Mitarbeiter noch Hand anlegen: "Die Texterkennung durch ein System funktioniert schon sehr gut. Im Moment sind es aber noch Menschen, die alles richtig deuten", so Drubel.

Chatshopper hilft beim Kleidungskauf

Nicht nur Allyouneedfresh setzt auf Chatbots. Im Frühjahr 2015 haben Antonia Ermacora und Matthias Nannt in Berlin Chatshopper aus der Taufe gehoben. Via Facebook Messenger können Nutzer ihre Fashion-Wünsche an Chatshopper schicken. Shop-Partner ist Zalando. Die Text- und Spracherkennung läuft über die Cloud-basierte Lösung von Wit.ai, einem darauf spezialisierten Start-up, das Anfang 2015 von Facebook übernommen wurde. 
Die Bot-Architektur hat Chatshopper selbst entwickelt. Dazu definiert Chatshopper sogenannte "Intends", anhand ­derer der Bot erkennen soll, was der Nutzer möchte. Dazu gehören Kategorien wie Hemd, Pullover, Hose, Farbe, Grösse und Ähnliches. Ist der Bot zu hundert Prozent sicher, dass er den Kundenwunsch richtig erkannt hat, wird die Anfrage an Zalando weitergegeben. Ist er sich nicht sicher, wird sie von einem Mitarbeiter geprüft.
Die Bot-Architektur ist modular aufgebaut, sodass sie prinzipiell an alle Shops und alle Messenger-Systeme andocken kann, die über eine offene Schnittstelle, ­eine sogenannte API, verfügen. "Damit können wir sofort bei Anbietern wie Instagram, Snapchat oder auch Whatsapp ­andocken, wenn sie sich wie Facebook über eine API öffnen", erklärt Ermacora.

Bots müssen selbstständig immer mehr lernen können

Zwei Herausforderungen müssen Anbieter wie Chatshopper oder Allyouneedfresh bewältigen: Zum einen verfügen derzeit nur wenige Messenger und nur wenige Shops oder Service-Anbieter über offene APIs. Zalando ist hier ebenso Vorreiter wie Facebook. WhatsApp will sich Gerüchten zufolge frühestens zum Jahresende für solche Business-Anwendungen öffnen. Im Februar noch blockte WhatsApp den Chatshopper-Service, da eine kommerzielle Nutzung im begrenzten Rahmen zwar ­geduldet, letztlich derzeit aber nicht ­gewünscht ist. Zum anderen muss das System automatisiert laufen, da die Bearbeitung der Anfragen durch Menschen viel zu aufwendig und zu teuer ist. "Uns war schnell klar: Wir können nicht beständig mehr Leute beschäftigen. Menschen skalieren nicht", so Ermacora.
Der Bot muss daher permanent lernen, um die Kundenwünsche immer besser ­interpretieren zu können. "Im ersten Schritt kommt es darauf an, dass der Bot überhaupt versteht, was der Kunde will. Im zweiten Schritt kann er lernen, die Vorschläge zu optimieren und zu personalisieren. Wir sind bei Schritt eins, in der Trainingsphase", betont Ermacora. Ziel ist, dass der Bot auch ein Mindestmass an Smalltalk beherrscht.

Automatisierungsgrad ist entscheidend

Der Automatisierungsgrad entscheidet im Zweifel über den Erfolg des Konzepts, wie das Beispiel der beiden Concierge-Services "James, bitte" und "Go Butler" zeigt. Beide boten an, via Messenger Aufträge aller Art zu erledigen - egal, ob den Kauf von Schmerztabletten oder die Organisation eines Candle-Light-Dinners. "Die Entwicklung eines Automatisierungssystems war zeitaufwendig und hat viel gekostet. Uns fehlte letztlich ein ­Investor, der das mitgetragen hätte", so das Fazit von Mateusz Warcholinski, dem Gründer von James, bitte. Nach fünfmonatiger Pilotphase wurde der Service eingestellt, Warcholinski stellt sein Know-how heute bei der Agentur Brainhub anderen Unternehmen zur Verfügung. Go Butler kämpfte mit ähnlichen Problemen, auch dieser Service wurde eingestellt. Go Butler ist mittlerweile unter den Namen Angel.ai im Business-Segment unterwegs und bietet Chatbots für Unternehmen an.
Dennoch: Die Einsatzmöglichkeiten solcher Chatbots sind vielfältig. Die Jobsuchmaschine Jobmehappy hat einen Facebook-Bot entwickelt, über den sich Job­angebote suchen und speichern lassen. Das Berliner Start-up Insurgram arbeitet gemeinsam mit der Versicherung Ergo Direkt an einem Bot, der über Versicherungen ­informiert und sogar den Abschluss einer Police über den Facebook Messenger möglich machen soll. In den USA hat Billgo - vormals Billhero - einen Service gestartet, mit dem Nutzer ihre Rechnung über den Facebook Messenger bezahlen können.

In-Bot-Payment und Bot-Stores denkbar

Auch im Business-Bereich ergeben sich völlig neue Anwendungen. Sage, ein Anbieter Cloud-basierter Buchhaltungslösungen, hat unlängst seinen Messenger-Bot "Pegg" vorgestellt. Der virtuelle Assistent erfasst zum Beispiel über den Facebook Messenger verschickte Finanztransaktionen und führt sie aus. "Der Nutzer soll vom Buchhaltungsaufwand überhaupt nichts mitbekommen. Geschäftsvorfälle können ganz einfach per Textnachricht aufgezeichnet und versendet werden. Viel zu lange mussten wir lernen, wie ein Computer zu sprechen. Es ist an der Zeit, dass Computer lernen, wie wir zu sprechen", so Kriti Sharma, Global ­Director for Mobile Product ­Management bei Sage.
Noch ist vieles Zukunftsmusik. Doch mit dem Fortschreiten der künstlichen Intelligenz und der Lernfähigkeit von Maschinen wird sich die digitale Service-Landschaft verändern. Ralf Ohlhausen, Business Development Director bei dem Payment-Technologie-Anbieter PPro, hält es für möglich, dass es künftig verschiedene Bots für unterschiedliche Aufgaben gibt, die ähnlich wie heutzutage Apps in "Bot-Stores" angeboten werden.
Seiner Meinung nach könnten sich dann auch völlig neue Payment-Methoden entwickeln. So hält er etwa ein In-Bot-Payment für denkbar und auch analog zum App-Store das Bezahlen über beim Bot-Store - und damit bei einem Messenger-Anbieter wie etwa Facebook - hinterlegte Zahlungsdaten. Und so liessen sich dann auch die Butter, die Salami und die zehn Bio-Eier bezahlen.



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