Streaming-Plattformen: Gamer im Visier

Was steckt hinter Cloud Gaming?

Mit Stadia wagt sich Google in ein technologisch anspruchsvolles Feld: Cloud Gaming. Das eigentliche Videospiel läuft nicht mehr auf dem Endgerät des Nutzers, sondern in der Cloud. Das hat für den Nutzer viele Vorteile: Die hohe Rechnerleistung, die für moderne Computerspiele erforderlich ist, muss nicht mehr sein Endgerät bringen, dafür stellt Google entsprechende Kapazitäten in der Cloud bereit.
Zudem kann der Gamer während des Spiels nahtlos das Endgerät wechseln. Ein Spiel, das zu Hause am Smart-TV begann, kann unterwegs am Smartphone weiter­gespielt werden - ohne Performance-Einbussen und ohne Verlust des Spielstands. In der Praxis funktionieren Games auf ­Stadia aber noch nicht so gut, wie es die Theorie verheisst: Vor allem die Latenz, also die Dauer zwischen einer Eingabe am Controller und der Reaktion am Bildschirm, ist oft noch grösser, als es Enthusiasten von ihrer Konsole gewohnt sind. Auch mobile Nutzer erreicht Stadia bislang nur unzureichend: Es läuft noch längst nicht auf allen Android-Smartphones. Da bleibt bis zum offiziellen Marktstart im November noch allerhand zu tun.
Für die mögliche Vermarktung von Games bietet Cloud Gaming interessante Ansätze, die ganz zur Werbemaschine Google passen: Wenn etwa ein Computer-Autorennen nicht mehr lokal auf dem Smartphone gespeichert ist, sondern live vom Google-Server gestreamt wird, dann kann der Konzern Werbeflächen im Spiel problemlos an interessierte Kunden verkaufen - bei Bedarf im Realtime-Bidding-Verfahren. Vor allem kann Google eins tun, wofür bislang vor allem Microsoft bekannt ist: Konsumenten sowohl bei der allgemeinen Internet-Nutzung als auch beim Gamen mit Werbung erreichen.

Jeder Dritte spielt regelmässig

Gamer sind bereits seit Längerem eine heiss umkämpfte Zielgruppe, wobei viele Klischees, die Computer-Zockern zugeschrieben werden, gar nicht mehr zutreffen. So ist nach Erkenntnissen des deutschen Branchenverbands "Game" das Bild des pickeligen Jünglings an der Konsole überholt: Fast die Hälfte aller Deutschen (42 Prozent) spielt zumindest gelegentlich mal ein Computerspiel, 35 Prozent tun dies regelmässig. 47 Prozent der Deutschen, die zumindest gelegentlich ein Computerspiel nutzen, sind Frauen. Das Durchschnittsalter der Gamer hier­zulande nimmt immer weiter zu, 2018 ­betrug es 36,1 Jahre - und die mit 9,5 Millionen Mitgliedern zahlenmässig stärkste Altersgruppe unter den Nutzern ist inzwischen über 50. Die Gruppe der 10- bis 19-Jährigen schrumpft dagegen seit 2014 und zählt heute nur noch 5,8 Millionen, das sind 17 Prozent der deutschen Gamer-Gemeinde.
Mobile Gaming spielt eine immer wichtigere Rolle: 2018 verdrängte das Smartphone in Deutschland mit 18,2 Millionen Nutzern den PC erstmals von Platz eins der meistgenutzten Zocker-Endgeräte. Damit einher geht auch ein Trend, der die Musik-Industrie schon länger begleitet: Statt auf physischen Datenträgern werden Spiele ­zunehmend per Download oder im Abo bezogen. Von 2012 bis 2017 stieg der Anteil der im Netz gekauften Spiele in Deutschland von 16 auf 42 Prozent, ihr Anteil am Umsatz verdreifachte sich von neun auf 29 Prozent.
Diese Zahlen, erhoben von der GfK im Jahr 2018, bilden die ganze Verschiebung des Geschäfts ins Internet ­jedoch nur unvollkommen ab, denn sie enthalten nicht die Zahlen für Gaming-Apps, die ausschliesslich über die App-Stores von Apple und Google angeboten werden. Das gilt auch für den boomenden Sektor der Abonnements und Mikrotransaktionen, der sich in Deutschland laut GfK zwischen 2013 und 2017 auf eine Milliarde Euro verdreifachte. Auch hier ist es schwer zu erfassen, wie viele Umsätze über die App-Stores laufen. Weltweit wurden laut dem Marktforschungsunternehmen Newzoo 2017 knapp 109 Milliarden US-Dollar mit Computerspielen umgesetzt. Bis 2020 soll der Markt um weitere 20 Milliarden US-Dollar auf dann knapp 130 Milliarden US-Dollar wachsen. Rund um den Globus spielen heute bereits rund 2,2 Milliarden Menschen. Und die meisten fangen gratis an.

Logo für die Credibility

Games wie Fortnite setzen ganz darauf, den Spieler mit einer kostenlosen Grundausstattung zu ködern und anschliessend über In-Game-Verkäufe oder aufwendigere Spieleversionen Einnahmen zu generieren. So kostet bei Fortnite die Grundver­sion Battle Royale nichts, das sogenannte Standard-Gründerpaket liegt bei knapp 40 Euro, das Deluxe-Gründerpaket bei 60 Euro. Die kostenpflichtigen Versionen enthalten nicht nur zusätzliche Spieleausstattung, sondern auch digitale Batches und Logos, mit denen die Spieler ihren ­Luxus-Status auch in ihrem Community-Profil darstellen können. Denn auch die Vorstellung, dass ein Gamer allein vor sich hin zockt, ist Schnee von gestern: Spiele wie Fortnite, World of Warcraft, League of Legends oder Assassin’s Creed funktionieren nicht ohne die Community dahinter. Spieler schliessen sich zu Teams zusammen, ihre Fans treffen sie auf Streaming-Plattformen wie Twitch. Und ein Deluxe-Logo vor dem Nickname sorgt für die notwendige Credibility.
Dieser Community-Effekt ist es auch, der das Thema Gaming für Social-Media-Kampagnen interessant macht. Influencer-Marketing-Expertin Caroline Bellanger vom Fachblog "Upfluence" sieht Twitch als die wichtigste Social-Media-Plattform für Gamer: "Twitch hat sich zu einem Platz entwickelt, in dem Gamer ihre Leidenschaft für das Spielen ausleben können. Und obwohl viele Influencer dort nicht Millionen von Followern haben, sind ihre Communities extrem loyal, was ihre Stärke ausmacht."
In Deutschland haben Brands wie Voda­fone, Mercedes und Coca-Cola das Potenzial von eSports erkannt und treten als Team-Sponsoren auf. Sportvereine wie der VfL Wolfsburg oder der FC Schalke 04 haben sogar eigene Mannschaften aufgestellt.

K(l)icken für Werder

Der Bundesligaverein Werder Bremen hat mit Werder eSports einen Bereich etabliert, in dem die Sportler am Monitor das machen, was ihre Kollegen auf dem Rasen auch tun: Fussball spielen. Die Fussballturnier-Simulation FIFA (die neue Version FIFA20 kommt die Tage auf den Markt) steht im Mittelpunkt des Werder-Engagements, das über alle sozialen Kanäle ausgerollt wird. Und sie hat ihre eigenen Stars.
Erhan Kayman zum Beispiel: Der 28-Jährige spielte in der abgelaufenen Saison noch beim VfB Stuttgart und ist jetzt im Werder-Team. Sein Jura-Studium hat Kayman, online als "DrErhano" bekannt, bis auf Weiteres auf Eis gelegt. Der zweimalige Deutsche Meister gilt als einer der 16 besten FIFA-Spieler der Welt auf der Sony Playstation 4 und streamt seine Einsätze auf YouTube und Twitch. Dort hat er immerhin schon rund 45.000 Follower - und ein paar illustre Sponsoren, vom Wurstfabrikanten Wiesenhof bis zur Digitalagentur Team Neustra.
Im Interview mit dem Branchenblatt "Sport Bild" erklärt Kayman den Zusammenhang zwischen eSports und Sport: "Wichtig ist, dass man den realen Sport nicht vernachlässigt. Wenn man körperlich nicht fit ist, hat man vor allem auf Turnieren Probleme, die Konzentrationsfähigkeit langfristig aufrechtzuerhalten.“



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