Wohl grösster Betrug seit 1945 28.07.2020, 17:24 Uhr

Der Fall Wirecard - eine Betrügerbande im Dax?

Der Wirecard-Skandal könnte ein neues Kapitel der deutschen Kriminalgeschichte bedeuten: der womöglich grösste Betrugsfall seit 1945 - und das bei einem Konzern in der obersten Börsenliga.
(Quelle: Sven Hoppe/dpa)
Der Dax-Konzern Wirecard galt international als Rarität: eine seltene deutsche Erfolgsgeschichten in der IT-Industrie. Scharen von Kleinanlegern huldigten Vorstandschef Markus Braun wie einem Guru, weil der österreichische Manager sie wohlhabend gemacht hatte.
Mittlerweile sieht es so aus, als sei Wirecard in ganz anderer Hinsicht eine noch viel grössere Seltenheit gewesen: Wenn sich die bisherigen Ergebnisse der Ermittlungen bestätigen, würde Wirecard in zweierlei Hinsicht Verbrechensgeschichte schreiben: Zum ersten Mal scheint einem Unternehmen mit organisiertem Betrug der Aufstieg in die Dax-Oberliga der 30 wertvollsten deutschen Unternehmen geglückt zu sein.
Gleichzeitig könnte der Wirecard-Skandal der womöglich grösste Betrugsfall in Deutschland seit 1945 sein.

Wie ist der Stand der Ermittlungen?

Wirecard sitzt als Dienstleister für bargeldlose Zahlungen an Ladenkassen und im Internet an der Schnittstelle zwischen Händlern und Kreditkartenfirmen - ein hart umkämpfter Markt. Nach bisherigem Stand der Ermittlungen machte Wirecard aber jahrelang Verluste.
Spätestens 2015 soll die Wirecard-Chefetage deswegen beschlossen haben, diese durch frei erfundene Scheingeschäfte zu kaschieren. Dazu wurden Umsätze im grossen Stil mit Subunternehmern im Mittleren Osten und in Südostasien fingiert, die angeblich Zahlungen für Wirecard abwickelten. Die Scheinumsätze dieses "Drittpartnergeschäfts" wurden auf Treuhandkonten verbucht, bis Ende vergangenen Jahres in Singapur, anschliessend auf den Philippinen. Zuletzt lagen dort angeblich 1,9 Milliarden Euro. Doch existierten nach Angaben zweier philippinischer Banken weder die Gelder noch die Konten.

Wer steckt dahinter?

Die Münchner Staatsanwaltschaft geht von "gewerbsmässigem Bandenbetrug" aus. Als Beschuldigte bekannt sind Ex-Vorstandschef Markus Braun, der frühere Finanzchef Burkhard Ley, der frühere Leiter der Buchhaltung und der Geschäftsführer der Wirecard-Tochterfirma Cardsystems Middle East in Dubai, über die ein beträchtlicher Teil der Scheingeschäfte organisiert wurde.
Da es sich um eine internationale Operation handelte, waren mutmasslich sehr viel mehr Menschen beteiligt, unter anderem der flüchtige Ex-Vertriebsvorstand Jan Marsalek, ebenso die Treuhänder in Singapur und auf den Philippinen, oder auch die Manager mehrerer Firmen, über die das "Drittpartnergeschäft" organisiert wurde.


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