Wachstumsschmerzen digitaler Start-ups

Wachstumsstarke Unternehmen stossen an Grenzen

Doch was ist, wenn wachstumsstarke Unternehmen wirklich an ihre Grenzen stossen? Wenn Finanzmittelbedarf und ­Beschaffungsmöglichkeiten nicht Hand in Hand gehen, wichtige Wachstumsschritte nicht aus eigener Kraft gestemmt werden können? Ein Unternehmensverkauf gerät dann schnell in den Ruch einer Verzweiflungstat oder eines letzten Abkassierens. Dabei kann ein gut geplanter Exit durchaus Teil einer effektiven Wachstumsstrategie sein. Ein gutes Beispiel dafür ist das E-Commerce-Warenwirtschaftssystem Pixi. Das im Jahr 2000 ­gegründete Software-Unternehmen wuchs über die Jahre organisch mit zum Teil ­hohen zweistelligen Raten. "Mit der Zeit wurde die Wachstumsfinanzierung, aber auch die angestrebte Interna­tionalisierung immer schwieriger", berichtet Pixi-Gründer Gregor Walter. Da man das gut eingespielte Geschäft in den gewohnten Bahnen habe weiterführen wollen, sei die Abtretung von Anteilen an einen VC-Geber keine gute Option gewesen.
Über die M&A-Beratung Hampleton Partners ­wurde stattdessen 2015 der Verkauf von Pixi an die kanadische Descartes Systems Group eingefädelt. "Das ermöglichte es uns, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen", erzählt Walter. Descartes habe mit mehr als 30 Übernahmen schon eine gute Lernkurve gehabt und für eine reibungslose Integra­tion von Pixi gesorgt. "Das zeigt, dass ein Exit kein Endszenario ist, sondern eine ­gute Hilfe für das Erreichen von strategischen, finanziellen oder persönlichen Zielen von Gründern sein kann", erklärt Hampleton-Partner Miro Parizek. Wichtig für einen ­erfolgreichen Exit sei, sich seiner Ziele ­bewusst zu sein und sich gegenüber potenziellen Käufern ins rechte Licht zu rücken. „In Deutschland trifft man oft Gründer, die zehn oder 15 Jahre gute Geschäfte gemacht haben, aber ihre Firma beim Verkauf viel zu konservativ darstellen“, so Parizek.

Komplexere Prozesse und gesuchte Fachkräfte

Beim Thema Wachstum geht es jedoch nicht nur um das liebe Geld, sondern auch darum, wie firmeninterne Prozesse und Systeme den Stresstest bestehen. Davon zu berichten weiss Christian Böhm, Geschäftsführer des Ernährungs-Shops Vitafy: "Wir sind 2014 gestartet und hatten anfangs vielleicht 300 Aufträge pro Tag. Heute sind es mehrere Tausend." Ein wesentlicher Erfolgsfaktor, um diese Herausforderung zu meistern, sei die Entscheidung gewesen, die Logistik auszugliedern. Um die Versandabwicklung müsse sich Vitafy nun nicht mehr selbst kümmern, entscheidend sei aber die Steuerung des Logistikdienstleisters. "Die Qualität unserer Forecasts nimmt hier eine entscheidende Rolle ein." Dem stimmt auch Markus Reuter zu, der bei Media Markt Saturn das E-Business verantwortet: "Ich habe noch keinen Dienstleister erlebt, der sagt 'Ich kann das nicht', sondern nur 'Das kann teuer werden'." Um keine unnötigen Kosten zu verursachen, sei deshalb gerade bei hohen Wachstumsraten, wie sie Media-Saturn im Online-Geschäft erziele, eine gute Planung nötig: "Unser Erfolg wird von grossen Spitzen bestimmt. Da wirken sich selbst kleine Fehler massiv aus."
Eine weitere Herausforderung bei überdurchschnittlichen Wachstumsraten ist schliesslich der hohe Personalbedarf. "Die Suche nach Fachkräften ist ein ständiges Thema", erzählt Fabian Goehler, Online-Geschäftsführer beim Modehaus Ludwig Beck. Dabei gehe es gar nicht so sehr um spezifische Erfahrungen, welche die Bewerber mitbringen müssten, als um die Bereitschaft, sich ständig auf Neues einzulassen: "Im Prinzip suchen wir spezialisierte Generalisten". Im Arbeitgeberwettbewerb um versierte IT-Fachkräfte hofft Goehler mit einem guten Arbeitsumfeld und geregelten Arbeitszeiten überzeugen zu können - ein komplett anderer Ansatz als etwa im Agenturumfeld. "Wir können bei Bewerbern vor allem mit viel Flexibilität punkten", berichtet Dominik Haupt, Geschäftsführer der E-Commerce-Agentur Norisk. Da die Kunden meist auf ­Inhouse-Generalisten setzen, sucht er vor allem nach speziellen Kompetenzen und Fachleuten für Nischenthemen.
Hoffnung im Hinblick auf die Personalsituation macht Dominik Haupt der 2018 startende E-Commerce-Ausbildungsgang: "Wir bilden selbst aus - schliesslich darf man sich nicht über den Fachkräftemangel beschweren, wenn man nichts ­dagegen tut." Die Erfahrung habe gezeigt, dass ­Investitionen in die Ausbildung von Mit­arbeitern gut angelegt seien. Das sieht auch Fabian Goehler von Ludwigbeck.de so: "Die Ausbildung zum E-Commerce-Kaufmann ist der richtige Ansatz. Wir müssen und wollen dem eine Chancen geben."




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