Internet World Kongress
11.10.2017, 14:25 Uhr

Von Apps, neuen Technologien und Kettensägen

Auf dem Internet World Kongress ging es auch am zweiten Tag heiss her: Gerrit Heinemann erteilte der Mobile-First-Strategie eine Absage und Dietmar Dahmen zersägte auf metaphorischer Ebene alle, die sich heute noch auf alten Technologien ausruhen.
Dietmar Dahmen, Chief Innovation Officer von ecx.io, fordert, sich auf neue Technologien einzulassen.
(Quelle: Stefan Götzelmann)
"Mobile First war gestern - heute ist Mobile Only angesagt": Mit diesem Worten eröffnete Gerrit Heinemann, Leiter eWeb Research Center an der Hochschule Niederrhein, den zweiten Tag des Internet World Kongress, der in diesem Jahr zum ersten Mal losgelöst von der Messe Internet World im Isarforum in München stattfand.
Das mobile Universum habe das gesamte Kaufverhalten radikal verändert, daher ändern sich auch die Kundenwartungen rapide, so Heinemann. Es genüge deswegen auch eine digitale Agenda für Unternehmen nicht, es müsse eine mobile Agenda her. "Eine Mobile-First-Strategie reicht nicht mehr aus", so Heinemann.
Das grösste Problem: Die Zeit drängt. Ende 2016 belief sich der mobile Anteil der E-Commerce-Umsätze auf 30 Prozent. Bis zum Jahr 2020 werden 45 Prozent erwartet. Und dennoch betreiben bisher nur etwa 30 Prozent der deutschen Händler App oder Smartphone Commerce.

App-basierte Kundenzentrierung

Laut Heinemann ist die Erfolgsformel für den Handel eine "App-basierte Kundenzentrierung". Dabei muss eine App schnell und einfach funktionieren und zu einem schnellen Verkauf der Produkte führen. Den Kunden muss es so leicht wie möglich gemacht werden, dann nutzen sie diese auch. Eine mobil-optimierte Seite genüge daher schon lange nicht mehr.
Das gleiche gilt für Mobile Payment. Das habe sich in Deutschland bisher noch nicht durchgesetzt, weil es noch keine einfachere und praktikablere Lösung gäbe. Sobald dieser Schritt gemacht ist, würden die Kunden das Geld in der Tasche lassen und ihr Smartphone zum Bezahlen zücken. Für Heinemann kann nur Mobile Only die Zukunft des Shoppings sein.

Die Wand des "Es geht nicht" durchbrechen

Wie sich Unternehmen für die Zukunft fit machen, erklärte auch Dietmar Dahmen, Chief Innovation Officer von ecx.io, in seinem illustrativen Vortrag "Die Superhelden des Wandels". Auch für ihn ist es essentiell, alte Technologien hinter sich zu lassen, um sich auf den Wandel richtig einlassen zu können. "Altes macht schwach. Man muss auf neue Systeme setzen, ohne altes Denken und ohne alte Werte. Nur so kann man langfristig Erfolg haben und auch im Jahr 2020 noch sein Unternehmen führen", sagt Dahmen.
Das Problem an der Sache ist, dass sich die Leute gerne auf den aktuellen Erfolgen ausruhen und es sich auf einem "Kissen" gemütlich machen. Doch sie merken, dass es jetzt an der Zeit ist, die Wand zu durchbrechen. "Wir haben es verlernt, die Wand des 'Es geht nicht' zu zerschlagen". Es sei wichtig, auf neue Technologien zu setzen, sich neue innovative Leute ins Boot zu holen und den Kunden und nicht sich selbst im Fokus zu haben.
Dazu zählt für Dahmen auch den seiner Ansicht nach veralteten USP zu vergessen. Denn der USP eines Unternehmens ist für jeden Kunden gleich und das funktioniert heute nicht mehr. Vielmehr muss es heutzutage ein SSP sein (Situational Selling Proposition). Händler müssen auf die individuelle Situation eines jeden Kunden eingehen können.

Daten, Daten, Daten

Damit das gelingt braucht es Daten. Denn nach Ansicht des CIO ist die Individualisierung der Sinn von Daten. Sie sorgen dafür, dass das Standard-Programm ein Ende findet. Und damit man bei seinen Daten auch den Durchblick erhält, benötigt man künstliche Intelligenz. KI kommt aber auch in anderen Bereichen zum Einsatz, beispielsweise bei Chatbots. Deren Entwicklung habe sich in den letzten Monaten mehr als verdoppelt.
Aber nicht über Daten, Chatbots und Co sollten sich Unternehmen Gedanken machen: Bis 2020 sollen rund 30 Prozent des Web Browsings ohne Bildschirm stattfinden. "Wie genau sieht dann das Logo Ihrer Marke aus?", fragt Dahmen. "Und was planen Sie in Sachen Voice Commerce und wie präsentieren Sie ihre Waren in Zeiten von VR und AR?"
Dahmens Vortrag zeigt deutlich, dass Unternehmen eine Menge Hausaufgaben zu erledigen haben, um die neuen Technologien in ihrem Unternehmen zu implementieren. Wie wichtig es ist, die Wand des "Es geht nicht" zu durchbrechen, illustrierte Dahmen zum Schluss seines Vortrags sehr eindrucksvoll: Er zersägte mittels einer Kettensäge die weichen Kissen, auf denen man es sich so komfortabel eingerichtet hat, und forderte die Teilnehmer auf, sich auf den Weg zu machen und die alten Technologien, die einen schwach machen, hinter sich zu lassen und das Neue - eventuell auch Unkomfortable - in Angriff zu nehmen.
Den Auftakt zum Internet World Kongress machten gestern zwei Hochkaräter: Matthias Schrader, CEO SinnerSchrader, und Asos-Chef Brian McBride.




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