Zahlen oder Zocken? 22.12.2017, 12:28 Uhr

Das grosse Bitcoin-Dilemma

Die kontrovers diskutierte Kryptowährung Bitcoin verzeichnet weiterhin starke Kursschwankungen. Als Zahlungsmittel taugt die digitale Devise damit in der Praxis recht wenig.
(Quelle: Igor Batrakov / Shutterstock.com)
"Ich kann mich nicht mehr erinnern, wann der letzte Kunde mit der Blockchain-Währung Bitcoin bezahlt hat", sagt Niels Göttsch. Der Besitzer der Kaffeebar Leuchtstoff in Berlin Neukölln ist bei Weitem nicht der einzige Ladenbetreiber, dem es so geht. Zwar etabliert sich Bitcoin in der Finanzwelt und eilt von einem Rekordhoch zum nächsten. Doch dieser Erfolg führt zu einem Dilemma.

Denn was eigentlich als digitale Währung gedacht war, droht zum reinen Spekulationsobjekt zu werden. Zum Bezahlen eignet sich Bitcoin dadurch nur noch bedingt. Für Ladenbesitzer und Online-Händler sind extreme Kursausschläge unangenehm - die Preise müssen ständig angepasst werden. Und wer will schon Geld ausgeben, das keinen stabilen Wert hat und eher zur Spekulation auf Kursgewinne einlädt?

"Was wir von einem monetären System wollen, ist nicht, dass es Leute reich macht, die Geld horten", sagte US-Ökonom Paul Krugman einst. "Wir wollen, dass es für Transaktionen genutzt wird und die Wirtschaft als Ganzes reich macht". Doch genau das ist bei Bitcoin, dessen Wert seit Jahresbeginn von rund 1.000 auf zeitweise über 20.000 Dollar stieg, derzeit nicht der Fall. Taugt das Digitalgeld überhaupt noch als Zahlungsmittel oder nur noch zum Zocken?

In Berlin, wo seit Jahren immer mehr hippe Cafés und Start-Ups Bitcoin-Zahlungen anbieten, macht sich das Problem bereits bemerkbar. Anfangs habe es wenigstens noch um die zehn Bitcoin-Zahlungen pro Jahr gegeben, sagt Kaffeebar-Besitzer Göttsch. Inzwischen seien die Transaktionen aber ganz versiegt. "Die Mitarbeiter vergessen schon, wie das mit der Bitcoin-Annahme überhaupt funktioniert."

Auch die Berliner Konditorei Engelmann bekommt in letzter Zeit gar keine Bitcoin-Anfragen mehr. Es habe immer wieder Probleme gegeben, sagt Besitzer Michael Engelmann. So hätten etwa Kunden aus Versehen das Geld doppelt überwiesen, weil sie nicht sicher waren, ob die Transaktionen tatsächlich stattgefunden haben. Dabei schien Bitcoin eine Zeit lang auch als Zahlungsmittel stark auf dem Vormarsch.

Rückblick ins Jahr 2014: In den USA führten Grosskonzerne wie Dell, Expedia oder Microsoft die Kryptodevise als Zahlungsoption ein. Auch Ebay flirtete öffentlich mit diesem Schritt. Der Kurs machte damals zwar keine so grossen Sprünge und litt zeitweise sogar so heftig, dass erhebliche Zweifel an der Zukunft des Bitcoin aufkamen - aber die Verbreitung im alltäglichen Leben nahm stetig zu.

Im trendigen New Yorker West Village wurde der erste Geldautomat der Stadt aufgestellt, an dem Bitcoin mit Dollar gekauft werden konnten. An der Wall Street machte das Bitcoin Center auf, eine Info- und Lobby-Zentrale der jungen Start-up-Branche rund um das 2009 eingeführte Digitalgeld. Und nicht mehr nur in den Fenstern szeniger Geschäfte, Bars und Restaurants tauchte immer öfter der Sticker mit der Aufschrift "Bitcoin accepted here" auf.

Bitcoin Center macht dicht

Rund vier Jahre später erreicht der Bitcoin-Hype zwar täglich neue Dimensionen, doch eine Spurensuche vor Ort zeigt: Den Laden im West Village gibt es nicht mehr, das Bitcoin Center ist geschlossen. "Wir konnten uns die Miete einfach nicht mehr leisten", sagt Gründer Nick Spanos. Man habe in schlechteren Zeiten viele Bitcoin geopfert, um den Betrieb aufrechtzuerhalten, doch irgendwann sei es zu teuer geworden. Von der Kursrally profitierten nun vor allem andere.

Spanos macht weiter Lobbyarbeit für Bitcoin, betreibt inzwischen aber nur noch ein kleines Büro ausserhalb des Finanzdistrikts. Immerhin: Der Bitcoin-Geldautomat ist noch da. Er steht jetzt bei einem Maklerbüro im Souterrain. "Wir haben damit nichts zu tun", so Spanos.

Wie sieht es bei den grossen Unternehmen aus, die damals Schlagzeilen machten? Computer-Riese Dell hat Bitcoin-Zahlungen wegen "geringer Nachfrage" längst wieder abgeschafft. Bei Ebay hüllt man sich über Bitcoin-Pläne in Schweigen, auch Ex-Tochter Paypal gibt keine Auskunft zu Krypto-Experimenten. Microsoft und der "Time"-Verlag wollen sich zu ihren Erfahrungen mit Bitcoin ebenfalls nicht äussern.

Das Online-Reisebüro Expedia akzeptiert Bitcoin zwar nach wie vor - aber noch immer nur bei Hotelbuchungen auf der US-Website. Zum Start vor mehr als drei Jahren hatte es noch geheissen, das Angebot werde erweitert, wenn es bei Kunden gut ankomme. Laut einer Sprecherin hat sich das Transaktionsvolumen in den vergangenen zehn Monaten immerhin verdoppelt. Konkrete Zahlen wollte sie jedoch nicht nennen.




Das könnte Sie auch interessieren