Facebooks Rolle im Kampagnen-Mix

Spitze und fliehende Zielgruppen

Amerikanische Werbemacht mit kleineren Mängeln

Einfacher und eindeutiger ist die Antwort-Findung auf die Frage nach der Wirksamkeit der gebotenen Werbe- und Targeting-Optionen. "Es gibt kaum einen Fall, in dem man von Facebook abraten muss. Wir haben sämtliche Optionen durchgetestet", gesteht David Eicher ein.
Die Vorzüge, die der Webguerillas-­Inhaber aufzählt, scheinen kein Ende zu nehmen: kostengünstige Reichweite, gutes und tiefgehendes Targeting, Mobil-optimierte Werbeformate, ein umfangreiches Werbeportfolio, ein gutes Reporting, ein Social Login (Anmeldung auf Portalen über die Profildaten von sozialen Netzen wie Facebook oder Twitter) sowie die Möglichkeit, eigene Kundendaten zu ­importieren und mit den Daten aus der Community abzugleichen.
Trotz dieser überzeugenden Aneinanderreihung von Vorteilen, die ein Stück weit einer Machtdemonstration Facebooks gleichkommen, gibt es Umfelder, in denen das Multimilliardenprojekt von Mark Zuckerberg seine Schwächen hat oder andere Werbe­kanäle einen höheren Impact erzielen.
Ein Stichwort, das in diesem Zusammenhang schnell fällt, ist B2B. Es sei kompliziert, so liest man häufiger, auf sozialen Netzwerken eine derart spezifische Zielgruppe anzusprechen. "Im B2B-Bereich, wo es bei vielen Unternehmen, insbesondere im Mittelstand, um einen begrenzten Kundenkreis geht, sind eine Facebook-Präsenz und Ads weniger wichtig", bestätigt auch Rolf Anweiler, Regional Leader Marketing International bei Teradata Marketing Applications, den geschilderten Eindruck.
Nichtsdestotrotz ergeben sich durch die feinen und stark ausgeprägten Targeting-Optionen von Facebook einige Möglichkeiten, die eigene Zielgruppe zu erreichen. ­Allerdings gibt es in diesem speziellen ­Bereich andere Werbeträger, die eine grössere Werbewirkung erzielen und vertrauenswürdiger sind. "Gerade für die B2B-Kommunikation gibt es bessere Kanäle", erklärt Eicher. Dazu zählen für den Agentur-Inhaber zum Beispiel Blogs, Foren oder Informations-Sharing-Portale.
"Ich bin bestimmt nicht der grösste Fan von Facebook. Aber unter werblichen Gesichtspunkten wird schon sehr viel geboten", erklärt David Eicher, Inhaber der Agentur für alternative Werbeformen Webguerillas.
Einen vergleichbaren Fall skizziert auch Gero Quast. So sei es zum Beispiel bei ­bestimmten Opel-Modellen so, dass Printanzeigen eine deutlich höhere Reichweite haben. Das liegt daran, dass je nach Preisklasse der Autokäufer in einer Altersgruppe anzusiedeln ist, die man über Facebook und Co. bislang nur schwer erreicht. "Trotzdem würde man digital nie komplett ausschliessen", betont der Scholz & Friends-Kreative und unterstreicht die Intention seiner Aussage nochmals: "Was reine Werbung angeht, kann ich mir keine Zielgruppe vorstellen, die man auf Facebook nicht erreicht - möglicherweise nur zu einem geringen Prozentsatz, dafür aber ohne Streuverlust."

Werbe-Overload und Flucht der Zielgruppe

Durch die Hinzunahme und Gestaltung immer neuer Werbeformate (etwa Canvas oder Carousel Ads) und durch die Erweiterung des Werbenetzwerks um weitere Kanäle (zum Beispiel durch das Bildernetzwerk Instagram) erhöhen Mark Zuckerberg und sein Team beständig die Attraktivität der eigenen Plattform.
Was jedoch offenbar bei Facebook und anderen sozialen Netzwerken wie Twitter und Snapchat mit der Zeit und unter dem hohen Druck der Werbemilliarden aus der Weltwirtschaft vergessen wird, ist das eigentliche ­Kapital: der Nutzer. Er ist Einnahmequelle und Überlebensgarantie. Ohne eine attraktive Zielgruppe und ­eine aktive Nutzerschaft auf der Plattform helfen selbst die besten Werbeformate und das tiefgehendste Targeting nichts mehr.
Doch gerade hier rumort es zurzeit gewaltig. Immer mehr Studien belegen, dass vor allem jüngere Zielgruppen Facebook mehr und mehr den Rücken kehren und sich sichere Kommunikationsumfelder suchen. Das war lange Zeit unter ­anderem Snapchat und wird sich demnächst erneut verlagern. Der Grund für den ­Verdruss: Die User fühlen sich zunehmend an die Werbe­industrie ausgeliefert.
So veranschaulicht eine Studie aus den USA, die im Januar 2016 durch den Social-­Technology-Spezialisten Lithium Technologies unter mehr als 2.300 ­Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter zwischen 16 und 39 Jahren durchgeführt wurde, dass in sozialen Netzwerken in der jüngeren Generation langsam, aber kontinuierlich ein Klima der Angst aufkommt. 75 Prozent der Befragten gaben an, dass sie sich von Marken gezielt verfolgt fühlen. Die Werbungtreibenden scheint das nicht weiter zu stören.
Bedeutender dürfte da das zweite Ergebnis der Untersuchung sein: 56 Prozent, also mehr als jeder zweite Digital Native, verlässt soziale Netzwerke, auf denen er sich ungeschützt fühlt. Sie fliehen an Orte, die noch nicht von der Werbebranche infiltriert sind. "Das Schalten von Anzeigen in sozialen Medien ist der sicherste Weg für Marken, Nutzer zu verprellen", verdeutlicht Rob Tarkoff, CEO von Lithium Technologies.
Trotz des offensichtlichen Trends zur Abwanderung bleiben sowohl die Führungsetage von Facebook in Kalifornien als auch Experten wie ­David Eicher gelassen: "Es gibt eine negative Entwicklung, was junge Nutzer angeht. Dass das ein akutes Krisenszenario ist, glaube ich nicht. Im DACH-Raum ­haben wir 34 Millionen Nutzer. Wenn da ein paar Hunderttausend wegbrechen, muss man dies nicht überbewerten."




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