Deutscher BGH verhandelt über Surfprotokolle

Sind solche Befürchtungen realistisch?

Technisch ist es möglich, eine IP-Adresse zum zugehörigen Internetnutzer zurückzuverfolgen, erläutert der IT-Sicherheitsexperte Christoph Fischer. Solange man sich nichts zuschulden kommen lasse, werde aber kein Provider die Anschlussdaten herausrücken. Er warnt vor grösseren Gefahren im Netz: vor Kriminellen, die Kreditkartendaten abfischen, um mit dem Geld anderer Leute online einkaufen zu gehen, oder über manipulierte Server private Rechner mit Spionagesoftware infizieren. Fischer hält es deshalb für unerlässlich, dass beispielsweise der Betreiber eines Online-Shops die Möglichkeit hat, durch Protokollierung der Zugriffe zu überwachen, dass niemand seine Dienstleistungen missbraucht. "Ohne Logfiles bin ich blind", sagt er.

Können Nutzer das Speichern ihrer Daten verhindern?

Experten kennen Tricks, um ihre IP-Adresse zu verschleiern. Wer zum Beispiel das Anonymisierungsnetzwerk Tor nutzt, surft weitgehend anonym. Für Breyer ist das aber keine wirkliche Alternative: "Dem normalen Nutzer ist es nicht zuzumuten, solche Technologien einzusetzen", sagt er. Kriminelle hingegen wüssten nur zu gut, wie sich ihre Spuren über Anonymisierung, ausländische Server oder gekaperte Rechner verwischen lassen. Auch deshalb ist er gegen die automatische Protokollierung der IP-Adressen: "Erfasst werden nur die unschuldigen Nutzer - und die, die man erwischen will, gerade nicht."

Was haben die Karlsruher Richter nun zu klären?

Vor gut neun Jahren, Anfang 2008, hat Breyer die Bundesrepublik auf Unterlassung verklagt. Denn zum Schutz vor Hackerangriffen speichern auch die meisten Internetseiten des Bundes die IP-Adressen ihrer Besucher. Die BGH-Richter hatten 2014 schon einmal mit dem Fall zu tun. Weil der Datenschutz auch in einer europäischen Richtlinie geregelt ist, schalteten sie damals den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein. Aus dem Luxemburger Urteil ergibt sich, dass es ein "berechtigtes Interesse" geben kann, zur Abwehr von Cyberattacken Nutzerdaten zu speichern. Notwendig ist demzufolge aber immer eine Abwägung mit den Interessen und Grundrechten der Betroffenen. Mit diesen Vorgaben hat der Senat nun den deutschen Streit zu klären. Eine Entscheidung wollen die BGH-Richter aber erst am 16. Mai verkünden.




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