Digitales Storytelling: Wenn der Shop erzählt

Keine Erklärvideos

Daneben können Videos, beispielsweise vom Herstellungsprozess, das Storytelling gut unterstützen. Auch hier gilt: Lieber weniger und kürzere, dafür hochwertige Videos. Transportiert werden sollen vor allem Emotionen, Originalität und Authentizität. Es geht um Identifikation mit dem Produkt und dem Shop. "Das tausendfach gesehene Erklärvideo ist out. Und wenn es schon sein muss, dann ­zumindest in einem eigenen Format. Sonst werden Kunden und Produkte austauschbar", warnt Ingo Gregus, Geschäftsführer der Agentur Dotkomm.
Realbilder erzeugen dagegen deutlich mehr Emotionen, sind jedoch auch teurer. Gregus’ Tipp: "Ein gesunder Mix aus Stock- und selbst ­gedrehten Bildern schafft ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis." So kann in einem ­Video beispielsweise Bildmaterial des Herstellers mit selbst gedrehten Filmsequenzen, in denen ein Mitarbeiter das Produkt erklärt, gekoppelt werden. Als günstige Alternative eignen sich laut Grötsch aber auch über Instagram ­erstellte Micro-Videos.
Als zentraler Einstieg in die Geschichte sind Videos aber eher mit Vorsicht zu geniessen. Denn ihre Wirkung hängt stark von der verfügbaren Bandbreite ab und im Vergleich zu plakativen Bildern wirken sie oft langatmig. "Da man sich am Anfang einer Storytelling-Strecke nicht ­sicher sein kann, wie interessiert der Nutzer wirklich ist, sollte das Element eher am Ende der Strecke stehen und nur auf Aufforderung des Nutzers starten", meint Dolezalek.

Viel Aussagekraft in den Text packen

Wichtigstes Element neben den Bildern ist der Text. Im Idealfall sind die Bilder so aussagekräftig, dass es nur noch weniger Worte bedarf: "Der Text sollte kurz, ­prägnant und vor allem auch emotionalisierend sein und sich stark an den Nutzerbedürfnissen orientieren", meint Göwert. Auch sogenannte "sprechende Überschriften" und die Enttechnisierung der Sprache helfen, gute Geschichten zu ­erzählen. "Die Überschrift 'Wohin dürfen wir Ihnen die 5.200 Euro für Ihr neues ­Auto überweisen?' hat eine ganz andere ­erzählerische Wirkung als die Überschrift 'Ihre Bankdaten' in einem Kreditprozess", verdeutlicht Gregus.
Wie viel Technik ist nötig für gutes Storytelling?
Eng verzahnt mit der Corporate Site ist der Shop, in dem der Kunde den Fisch online bestellen kann
Quelle: deutschesee
"Die Herausforderung liegt weniger in der Technik, als in der Psychologie", betont Dotsource-Geschäftsführer Grötsch. Deutsche See beispielsweise setzt auf nur zwei Systeme: das Shop-System von Shopware und das Content-Management-System Typo 3. Über Shopware werden die Produkte und die Shop-Landing-Pages (www.shop.deutschesee.de) abgebildet, aus Typo 3 kommen die Kochrezepte, die ­Videos sowie die Tipps & Tricks.
"Wir haben beide Systeme miteinander verbunden. So wird zum Beispiel auch auf Deutschesee.de oben rechts der Warenkorb angezeigt. Der User kann so zwischen Shop und redak­tionellem Bereich hin- und herklicken und direkt in den Kaufprozess gelangen", erklärt Dominik Hensel, Leiter E-Commerce bei Deutsche See.
Auf den Einsatz eines Produkt-Informations-Management-Systems (PIM) oder Digital Asset Management System (DAM) verzichtet das Unternehmen - noch. Hensel kann sich für die Zukunft den Einsatz eines PIM vorstellen, damit "ein sauberes Daten-Handling möglich ist". Denn das Sortiment wächst stetig: Derzeit sind rund 175 Produkte im Angebot, in Zukunft sollen es mehr als 1.000 werden.
Prinzipiell gilt: Das Shop-System sollte laut Göwert viel Freiheit bei der Gestaltung und der Redaktion der Inhalte bieten, wenigstens auf den Kategorie- und den Produktdetailseiten. "Ausserdem sollten Änderungen und Updates schnell und einfach möglich sein. Darüber hinaus ­sollte es die redaktionelle Einbindung und Platzierung unterschiedlicher, über die Backend-Systeme steuerbarer Assets ermöglichen", so der Nexum-Berater.

Know-How der eigenen Mitarbeiter zählt

Für die Text-, Foto- und Videoproduk­tion baut Deutsche See stark auf das Know-how der eigenen Mitarbeiter. "Gerade für ein Produkt wie Fisch ist es wichtig, dem Kunden verschiedene Ansichten zu zeigen: Wie sieht das Produkt im Rohzustand aus, wie kommt das Produkt bei mir zu Hause an, wie sieht es zubereitet aus?", sagt Hensel.
Köche, Einkäufer und Mitarbeiter der Manufaktur sind daher nicht nur in Videos zu sehen, sondern steuern ihr Wissen auch für Rezepte, Hintergrundinformationen und für die Darstellung der ­Ware auf den Fotos bei. Die Produktion selbst liegt in der Hand professioneller ­Fotografen und eines Fotostudios. Die Textproduktion erfolgt inhouse.
Das alles hat natürlich seinen Preis. Denn je nach Art der Bilder kann die Produktion von zehn Fotos einen ganzen Tag dauern. Konkretes verrät Hensel zwar nicht, aber klar ist, dass "sich dadurch ein hohes Investment ergibt". Er ist aber überzeugt, dass es sich auszahlt, denn: "Unsere eigene Website ist unser stärkstes Online-Werbemittel." Gründe hierfür sind die ­gute Auffindbarkeit der Website in den Suchmaschinen durch die umfassenden Inhalte, die Darstellung von Kompetenz, die beim Kunden Vertrauen erzeugt, und die Verbindung mit dem Online-Shop.

Persönlich und authentisch

Benedict und sein Bruder auf Entdeckungsreise: Das Bett wandelt sich zum Spielgerät
Quelle: Bennis Nest - Suzy Stöckl
Dass eine Geschichte auch sehr kurz und ohne grossen Aufwand erzählt werden kann, beweist der Online-Shop Benni’s Nest (www.bennisnest.com). Im 2-Mann-Betrieb vertreiben Stephan Pröll und seine Frau Nicole ein Produkt: Benni’s Nest, ein aus Zirbenholz in Österreich gefertigtes Babybett. Der Auftritt wird komplett aus dem Shop-System Sphere Io von Commercetools gespeist. "Wir haben sehr abgespeckt begonnen, vor allem im Backend.
"Denn das Budget steht bei uns immer ganz oben", räumt Pröll ein. Die Fotos hat eine befreundete Fotografin gemacht. "Uns sind glücklicherweise spontane Schnappschüsse mit unseren Kindern gelungen", so Pröll. Dennoch war die Herausforderung gross, denn "um eine Geschichte so persönlich und authentisch erzählen zu können, braucht es einfach ­gute Bilder".
Und wie geht die Geschichte? Das ­zweite Kind der Prölls war ein Frühchen, das schlecht schlafen konnte. Die Grossmutter wusste Rat: Sie empfahl, das Kind in die Schublade einer alten Zirbenholzkom­mode zu legen. Dort schlief das Kind friedlich bis zum frühen Morgen durch. Daraus entstand die Idee zu Benni’s Nest, einem mobilen Babybett aus Zirbenholz.




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