Überwachungstools 18.11.2020, 18:32 Uhr

Wenn der Chef im Home Office vorbeischaut

Für viele Mitarbeitende ist wieder Home Office angesagt. Der lange Arm der Vorgesetzten kann dabei bis ins Heimbüro reichen. Obwohl die Überwachung per se nicht legal ist, gibt es Tools, die unter dem Deckmantel der «Produktivitätskontrolle» zum Einsatz kommen könnten.
Auch im Home Office ist man vor dem Auge des Chefs nicht unbedingt sicher
(Quelle: Tumisu/Pixabay)
Home Office ist in vielen Unternehmen wieder angesagt und Scharen von Mitarbeitenden müssen oder drüfen ihre Arbeit am PC zuhause erledigen. Das hat klar Vorteile, so haben Studien bereits gezeigt, dass Home Office von vielen Arbeitnehmenden durchaus goutiert wird und sie sich sogar produktiver fühlen.
Nichtsdestotrotz dürfte einige Chefs das Gefühl des Kontrollverlusts über seine Mitarbeitenden beschleichen. Doch es gibt eine Reihe von Tools, mit denen die Tätigkeit der Angestellten auch im Home Office überprüft werden können.
Aber Vorsicht: Gemäss Schweizer Arbeitsrecht kann man sich hier aufs Glatteis begeben. «Überwachungs- und Kontrollsysteme, die den blossen Zweck verfolgen, die Arbeitnehmenden bei den beruflichen Tätigkeiten zu überwachen, sind sowohl im Betrieb selbst als auch im Home Office unzulässig», heisst es in einer Infoschrift des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco). Daher dürfe die Arbeitspräsenz am privaten Arbeitsplatz nicht kontinuierlich überwacht und kontrolliert werden. «Hingegen ist eine zweckmässige Überwachung der Sicherheit oder eine Kontrolle von Arbeitsproduktivität oder Leistungsqualität erlaubt, sofern die Arbeitnehmenden zuvor orientiert wurden, und das Überwachen verhältnismässig ist», informiert das Seco weiter.

«Big Brother» lässt grüssen

Wie auch immer die rechtliche Situation, die Tools, um das Heimbüro zu überwachen, sind erhältlich. Applikationen wie Hubstaff, StaffCop, Time Doctor und Teramind bieten Aktivitätstracking in Echtzeit an, machen von den Bildschirmen der Anwender in regelmässigen Zeitabständen Aufnahmen und registrieren die Tastataturanschläge. In einigen Fällen lassen sich die Werkzeuge sogar ohne das Einverständnis der Nutzenden installieren. Auch die Möglichkeit, die Angestellten über die Videokamera des Laptops zu beobachten wird beispielsweise von StaffCop geboten, eine Funktion, die hierzulande klar nicht erlaubt ist.
Offenbar gilt für solche Werkzeuge: Wo die Möglichkeiten für ein Monitoring der Belegschaft besteht, wird es auch genutzt. Analysen der Marktforschungsfirma Gartner zeigen, dass Anfang 2020 gut 16 Prozent der Arbeitgeber entsprechende Techniken häufiger verwenden als zuvor. Darunter fallen virtuelles Ein- und Ausstempeln, Tracking der Nutzung des Arbeitscomputers und die Überwachung von E-Mails und internen Chat-Programmen. Dieser Wert ist laut Gartner-Analysen Ende Juli dank der vermehrten Heimbüro-Tätigkeit infolge der Covid-19-Krise auf 26 Prozent gestiegen. Wie Gartner beobachtet, werde nicht nur überwacht. «Während einige Unternehmen die Produktivität verfolgen, überwachen andere das Engagement und das Wohlbefinden der Mitarbeiter, um die Erfahrung der Angestellten besser zu verstehen», schreibt Gartner in einem Blog-Eintrag.

Auch eine Untersuchung von Top10VPN zeigt, dass das Interesse an Überwachungstools während der ersten Lockdown-Phase im April 2020 dramatisch gestiegen ist. So wurden vermehrt diesbezügliche Suchanfragen registriert. Im April wurde etwa zu 108 Prozent häufiger nach «Employee Monitoring Software» gesucht als im Vorjahr. Die Anfragen nach «work from home monitoring» stieg sogar um 5000 Prozent.

Allgemeine Auswertungen steigen

Schon länger versuchen Firmen, das Verhalten ihrer Belegschaft zu analysieren, also nicht nur das Tun und Lassen von Individuen. Gemäss einer bereits 2018 durchgeführten Untersuchung von Gartner bei 239 Grossunternehmen haben 50 Prozent schon damals «nicht-traditionelle Überwachungstechniken», wie etwa das Auswerten von E-Mails und Chatnachrichten sowie die Analyse der Begegnungen innerhalb der Firma. Diese Zahl war bedeutend höher als 2015, als 30 Prozent sich zur Anwendung dieser Methoden bekannten. Wie Gartner-Human-Ressources-Spezialist Brian Kropp in seinem Blogbeitrag dannzumal prognostizierte, erwartete er damals einen Anstieg auf 80 Prozent bis 2020.
Für solche Analysen, die meist auch das Ziel haben können, die Leistungen innerhalb der Belegschaft zu beleuchten, Talente zu identifizieren oder Teams zu finden, die mehr Unterstützung benötigen, müssen Personaler nicht einmal unbedingt spezielle Applikationen verwenden. So bieten moderne Produktivitäts-Suiten eine Reihe von Analysedaten auf der Team- und auf der individuellen Ebene.
Mit MyAnalytics können Anwender von Office 365 sich selbst analysieren
Quelle: Microsoft
Beispielsweise stellt Microsoft mit «Workplace Analytics» ein Werkzeug zur Verfügung, das Daten über den Gebrauch von Office 365 auswerten kann, etwa darüber wie viele E-Mails einzelne Mitarbeitende oder Teams verschicken. Auch für die persönliche Analyse der Produktivität hält Microsoft das Tool MyAnalytics parat. Dieses analysiert einerseits die Aktivitäten, hilft aber auch bei der Tagesgestaltung und bei der Erreichung einer ausgewogenen Balance zwischen Arbeit und Freizeit.

Allgemeine Analyse-Funkionen bietet auch Google mit «Work Insights» für seine Produktivitäts-Suite Workspace, der früheren G Suite. Mit dem Angebot lassen sich Muster in der Zusammenarbeit erkennen. So lässt sich analysieren, wie viel Zeit in Sitzungen zugebracht wird.




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