Denker wird Lenker

Hoher Nutzen für die Wirtschaft 

Viele Berufsbilder könnten in den nächsten Jahren verschieden oder zumindest stark verändert werden. Der Grund ist die digitale Transformation von Geschäftsprozessen. Hiervon bislang unterdurchschnittlich betroffen sind insbesondere die Geistes- und Sozialwissenschaftler: Zwischenmenschliche Interaktionen und reflektiertes Denken sind Prozesse, die sich kaum so schnell, wie sich das einige im Silicon Valley vielleicht wünschen, werden automatisieren lassen. Weshalb speziell die Geisteswissenschaftler in der Wirtschaft gebraucht werden, erörtert Markus Zürcher, Generalsekretär der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften in Bern: «Globale Märkte erfordern sprachliche und kulturelle Kompetenzen. Zudem profitieren Bereiche wie Marketing und Branding von einem starken Storytelling. Das zieht sich in den Konsumgütern von der Schokolade bis zu den Uhren durch.» Zu diesem Bedarf beitragen würde auch das Wachstum in der Kreativwirtschaft und der sogenannten Experience Economy. 
Den Nutzen von Geisteswissenschaftlern für die Wirtschaft zu erklären, fällt ihm leicht. Als vor drei Jahren der SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz mit einer Interpellation forderte, die Zahl der Studierenden in den Geistes- und Sozial­wissenschaften zu halbieren, wurde die akademische Welt hellhörig. Die Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften entschied sich für den Gang in die Offensive und legte die Vorteile von Geisteswissenschaftlern in einer Broschüre mit dem Titel «It’s the humanities, stupid!» und auf einer Website dar. Auch hier wird die in den Geisteswissenschaften vermittelte Sozialkompetenz hervorgehoben und etwa Michael Eisner zitiert, vormaliger Geschäftsführer der Walt Disney Company und ehemaliger Student englischsprachiger Literatur und Theaterwissenschaften: «Literature gives you an appreciation of what makes people tick», auf Deutsch übersetzt: «Literatur gibt Ihnen ein Verständnis dafür, wie Leute ticken.» 
Christian Leumann, Rektor der Universität Bern, wehrte sich noch ein Jahr nach dem politischen Angriff in einem grossen Interview mit der Berner Tageszeitung «Der Bund» mit den Worten: «Ich möchte darauf hinweisen, dass unsere Abgänger der Geisteswissenschaften den Einstieg in die Arbeitswelt ähnlich rasch finden wie jene der Naturwissenschaften. Es gibt also keine ‹Horden› von Geisteswissenschaftlern, die sich mit Glaceverkauf knapp über Wasser halten, wie das da und dort verbreitet wird. Zudem glaube ich, dass Geisteswissenschaften wichtig sind, um Lösungen für die Probleme von heute und morgen zu finden.» Er dürfte Recht behalten. 

Karriereservices bieten Starthilfe 

Dabei haperte es lange Zeit mit der Nähe der Berner Geistes- und Sozialwissenschaftler zur Wirtschaft. Als die Universität Bern vor etwas mehr als zehn Jahren die in­zwischen von einer Nachfolgeveranstaltung abgelösten Career Days einführte, war das Interesse zwar bei den Studierenden der Wirtschafts-, Sozial- und Naturwissenschaften gross, nicht aber bei den Geisteswissenschaftlern. «Das Interesse ist eher mässig», beschied eine Kommunikationsbeauftragte der «Handelszeitung.» An den Career Days trafen damals Studenten auf potenzielle Arbeitgeber, die mithilfe verschiedenster Workshops um das Interesse der Fachkräfte buhlten. Zusätzlich war im Zuge der Wirtschaftskrise ab dem Jahr 2008 damals auch eine gute Berufsberatung gefragt, um die Studierenden auf das knapper werdende Angebot an Stellen vorzubereiten. 
Die Universität Bern reagierte darauf mit der Einführung der Career Services, einer Karrierehilfe für Studien­abgänger. Verglichen mit anderen Schweizer Hochschulen war sie relativ spät, doch die Einführung habe sich aus­bezahlt, sagt Caroline Schmid. Die Mitarbeiterin des Vizerektorats Entwicklung ist zuständig für den Career Service der Univer­sität. «Seit 2008 ist bei der Vorbereitung der Studierenden auf den Berufseinstieg viel passiert. So verfügt der Career Service heute über ein breites Angebot. Dazu gehören auch die Absolventenmesse (die Nachfolgerin der Career Days, Anm. d. Red.) und die Lange Nacht der Karriere, die bei der letzten Durchführung von rund 900 Studierenden besucht wurde.» Die Studierenden der Philosophisch-Historischen Fakultät sind gemäss der Hochschule über sämtliche regulären Veranstaltungen des Karriereförderers hinweg gemäss ihres Anteils an den insgesamt 17'000 immatrikulierten Studierenden der Uni gut durchschnittlich vertreten, nämlich mit 16 Prozent aller Teilnehmer.
 Zu den beliebtesten Dienstleistungen des Karriere­services zählten Ratschläge und allgemeine Tipps rund um Bewerbungen, Umgang mit sozialen Netzwerken inklusive. Die Beliebtheit lässt sich auch auf das Feedback der Teilnehmenden zurückführen, «dieses ist bei den Teilnehmenden, besonders auch bei den Phil.-His.-Studierenden, überaus positiv», sagt Caroline Schmid. 




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