Covid-19: Das müssen Hersteller und Händler jetzt beachten

2. Arbeitsrecht: Was Arbeitgeber jetzt beachten müssen

 
Dr. Manuela Rauch ist Partnerin im Fachbereich Internationales Arbeitsrecht bei Eversheds Sutherland in München und seit 2011 Fachanwältin für Arbeitsrecht.
Quelle: Eversheds Sutherland
"Der Arbeitgeber ist als Träger des unternehmerischen Betriebsrisikos im Falle von Arbeitsausfällen aufgrund des Corona-Virus grundsätzlich zur Entgeltzahlung verpflichtet. Ausnahmen gibt es hier nur, wenn ein Mitarbeiter für mehr als sechs Wochen erkrankt, wenn eine behördliche Anordnung von Quarantäne vorliegt oder Kurzarbeit angeordnet wird", erklärt Rechtsanwältin Manuela Rauch, Expertin für Arbeitsrecht bei Eversheds Sutherland.
 
Vergütungsansprüche bei Schliessung von Kindergärten, Krippen etc. liegen vor, wenn eine Vergütungspflicht nach §616 BGB besteht: Es gibt einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für den Zeitraum, der üblicherweise benötigt wird, um eine Ersatzbetreuung zu organisieren (bis fünf Tage). Es können jedoch auch anderweitige Regelungen im Tarif-oder Arbeitsvertrag vorliegen. Eine längere Schliessung ohne Ersatzbetreuung kann zum Entfall des Vergütungsanspruchs wegen Unmöglichkeit der Arbeitsleistung kommen. Ist ein Kind krank, erhält der Mitarbeiter Krankengeld von der gesetzlichen Krankenversicherung für zehn Arbeitstage pro Kind und Jahr, bei Alleinerziehenden 20 Tage im Jahr (maximal 25 bis 50 Tage bei mehreren Kindern).
Flexibiliät von Arbeitnehmer und Arbeitgeber gefragt
Zur Vermeidung von Härten können folgende Massnahmen genutzt werden. Zum einen könnte ein Arbeitnehmer noch ein vorhandenes Arbeitszeitguthaben abbauen. Zum anderen könnten noch Urlaubsansprüche abgegolten oder vorübergehend Homeoffice angeordnet werden. Es besteht auch die Möglichkeit von Nacharbeit mit Ausfallzeiten für 20 Tage im Jahr. "Als Arbeitgeber sollte man aktuell möglichst flexibel sein", rät Rauch. Sowohl von Arbeitgeber- als auch von Arbeitnehmerseite sei nun ein gegenseitiges Entgegenkommen wichtig.
 
Ausgleichszahlungen vom Staat
 
Unter bestimmten Voraussetzungen gibt es bei Covid-19 einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen vom Staat gemäss §56 Abs. 1 IfSG. Dies gilt, wenn der Arbeitnehmer als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 des IfSG ist und dadurch ein Verbot der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit vorliegt. Der Arbeitnehmer erhält dann eine Entschädigung in Höhe des Nettoarbeitsentgelts für die sechs Wochen der Quarantäne; ab der siebten Woche erhält er Krankengeld von der Krankenkasse. Die Entschädigung wird vom Arbeitgeber ausgezahlt, dieser kann sich die Aufwendung aber vom zuständigen Gesundheitsamt ersetzen lassen.  
 
Freistellung von Mitarbeitern
 
Wenn Arbeitgeber Angst haben, dass ein Mitarbeiter ansteckend sein könnte, weil er zum Beispiel in Südtirol im Urlaub war, kann er ihn von der Arbeit freistellen. Aber er muss entsprechend vergütet werden. Ein Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers steht dem nicht entgegen, denn Arbeitgeber können den Arbeitnehmer aufgrund des vorliegenden sachlichen Grundes freistellen.
 
Darf ein Arbeitgeber Urlaub oder Überstunden-Abbau anordnen?
 
Eine einseitige Urlaubsanordnung durch den Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht möglich (§7 Abs. 1 BurlG), weil der Arbeitnehmer ein Mitbestimmungsrecht hat. Es gibt jedoch gegebenenfalls wie im jetzigen Fall bei Covid-19 die Möglichkeit, Urlaub als dringenden betrieblichen Belang anzuordnen. Dringende betriebliche Belange liegen vor, wenn es zu einer Beeinträchtigung betrieblicher Interessen, zum Beispiel der Sicherheit im Betrieb, kommt. Eine Urlaubssperre ist individuell vertretbar. Auch eine Anordnung zum Abbau von Überstunden ist zulässig.
 
Darf Homeoffice angeordnet werden?
 
Grundsätzlich kann ein Arbeitgeber kein Homeoffice anordnen. Allerdings besteht wie im aktuellen Fall eine Schadenabwendungspflicht des Arbeitnehmers, diese vorübergehende Anweisung anzuerkennen, denn die Massnahmen dienen zur Vermeidung weiterer Ansteckungen mit dem Virus und damit auch zu seiner eigenen Gesundheit. Wenn ein Arbeitnehmer nicht von zu Hause arbeiten kann, weil zum Beispiel das technische Equipment oder die Räumlichkeiten dafür nicht vorhanden sind, besteht die Möglichkeit, dass man den Mitarbeiter unter Entgeltfortzahlung einseitig bezahlt freistellen kann.
 
Erhalt von Arbeitsplätzen durch Kurzarbeit
 
Jedes Unternehmen, das durch die aktuelle Corona-Krise einen Auftragsrückgang hat, wird sich fragen, ob Kurzarbeit möglich ist. Kurzarbeit bedeutet die vorübergehende Verringerung der regelmässigen Arbeitszeit sowie entsprechend des Entgelts in einem Betrieb bei erheblichem Arbeitsausfall. Es kann entweder alle oder nur einen Teil der Arbeitnehmer eines Betriebs betreffen. Diese Massnahme gilt vor allem der Erhaltung der Arbeitsplätze trotz der kritischen Situation. Ein Antrag für Kurzarbeitergeld ist hierbei jedoch nicht zwingend.
 
Voraussetzungen konjunkturelles Kurzarbeitergeld
Die Voraussetzungen für konjunkturelle Kurzarbeit sind in den §§95 bis 106 SGB III gesetzlich festgelegt:
  • Es muss ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegen.
  • Dieser muss auf wirtschaftlichen Gründen (beispielsweise durch eine schlechte Auftragslage oder einem unabwendbaren Ereignis beruhen (wie zum Beispiel Hochwasser oder Anordnung der Schliessung des Betriebs)
  • Der Arbeitsausfall muss vorübergehend sein
  • Der Arbeitsausfall muss unvermeidbar sein
Wer hat Anspruch auf Kurzarbeitergeld?
 
Grundsätzlich haben alle ungekündigten Mitarbeiter, die versicherungspflichtig beschäftigt sind, einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Ausgenommen sind geringfügig Beschäftigte (Minijobber). Sonderfälle stellen Azubis dar, da der Ausbildungszweck im Vordergrund steht, sie sollen so lange wie möglich im Betrieb beschäftigt werden. Die Höhe des Kurzarbeitergelds liegt bei 60 Prozent (wenn kein Kind im Haushalt lebt) beziehungsweise bei 67 Prozent der Nettoentgeltdifferenz bis zur Beitragsermessungsgrenze. Wer während der Kurzarbeit krank wird, bekommt das Gehalt in Höhe des Kurzarbeitergelds. War jemand schon vorher krank, gibt es kein Kurzarbeitergeld. Das Gehalt kann dann reduziert werden und die Differenz wird von der Krankenkasse gezahlt.
 
Nach dem aktuellen Gesetzesentwurf vom 13.März 2020 sind die Anforderungen an Kurzarbeitergeld deutlich reduziert worden. Daher gilt rückwirkend zum 1. März 2020 dass mehr als zehn Prozent der Beschäftigten im Betrieb im jeweiligen Kalendermonat (Anspruchszeitraum) von Kurzarbeit betroffen sind und einen Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 Prozent ihres monatlichen Bruttogehalts haben. Dabei müssen sie keine negative Arbeitszeitsalden aufbauen. Eine vollständige oder teilweise Erstattung der von den Arbeitgebern allein zu tragenden Beiträge zur Sozialversicherung Urlaubssperre ist je nach Einzelfall vertretbar.
 
Im Antrag muss der Arbeitgeber der Agentur für Arbeit einen Nachweis erbringen, dass durch die Auswirkungen des Corona-Virus Lieferengpässe, Produktionsausfälle etc. verursacht worden sind (dies ist ein unabwendbares Ereignis im Sinne des §96 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Dann kann bei der zuständigen Agentur für Arbeit das Formular ausgefüllt werden. Der Beginn der Kurzarbeit kann auch schon vor der Entscheidung der Agentur für Arbeit beginnen.



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