Analyse: Eine Welt im Pokemon Go Monsterfieber

Erfolg der Brandbuilding-Massnahmen ist umstritten

Viele Werbeleute scheinen das etwas anders zu sehen. Plötzlich sind die kleinen Taschenmonster überall anzutreffen, meist verbreitet durch mehr oder weniger lustig-originelle Posts oder Tweets in den sozialen Medien. Die Berliner Verkehrsgesellschaft hat Pokémons als Schwarzfahrer in ihrer S-Bahn ausgemacht, der Schokoriegel "Pick Up" hat ein seltenes "Pickupchu" gesichtet, der Reiseanbieter Travador wirbt mit Reisezielen, an denen sich seltene Pokémon finden lassen. Auch der Autovermieter Sixt, seit jeher bekannt für tagesaktuelle Werbung, ist schon auf den Zug aufgesprungen und wirbt - in Anlehnung an das Pokémon-Motto "Gotta catch them all" - mit dem Slogan "Miet sie Dir alle".
Was den Erfolg solcher Brandbuilding-Aktionen betrifft, gehen die Expertenmeinungen auseinander. Von "Die Chance kann man sich nicht entgehen lassen" über "Kann nicht schaden" bis zu "Bloss nicht zu sehr anbiedern" ist alles vertreten. Fakt ist: Noch klingt der Ton in den Spieler­foren gegenüber solchen Aktionen fröhlich-amüsiert. Tweets und Bilder mit ­Unterhaltungswert werden geteilt und kommentiert.
Deutlich besser kommt aber eine ­andere Marketing-Massnahme an: der Kauf von sogenannten Lockmodulen. Diese Booster können in Poke­Stops eingesetzt werden und locken dann 30 Minuten lang Pokémons in die nähere Umgebung. Auf diese Weise aufgewertete PokeStops sind auf der Spielkarte eindeutig markiert - und ziehen damit wiederum verstärkt Spieler an. Viele Unternehmen haben schnell begriffen, dass sie damit für einen recht niedrigen Preis - ein Lockmodul kostet 99 Cent - neue Kunden erreichen können. Gerüchte über PokeStops, die von Firmen dauerhaft geboostet werden, verbreiten sich mit viraler Geschwindigkeit in den sozialen Netzwerken.

Niantic arbeitet an Ideen zur Monetarisierung

Die Nürnberger Versicherung ist eines der ersten grossen Unternehmen in Deutschland, das eine Aktion speziell für ­Pokémon Go aufgesetzt hat - und damit schlicht die Gunst der ­Stunde nutzte. Denn zufällig ist das Hauptgebäude der Versicherung eine "Arena", auf dem gesamten Areal befinden sich drei PokeStops. Die versah die Versicherung mit Lockmodulen und verband die Aktion mit einem Gewinnspiel. Hauptpreis: Powerbanks für Smartphones. Die Aktion zog rund 100 Spieler an, die, um am Gewinnspiel teilzunehmen, ein Formular mit ihren Kontakt­daten ausfüllen konnten. "Bereits vor der Aktion haben wir einen Facebook-Post zum Thema Pokémon Go veröffentlicht. Der Post erzielte eine hohe organische Reichweite und eine beachtliche Anzahl an Interaktionen", berichtet Jessika Luca, Content Marketing Managerin bei der Nürnberger Versicherung. "Das war für uns Anlass genug, eine Marketing-Aktion zum Thema Pokémon Go zu planen und durchzuführen. Und auch im Nachhinein war die ­Resonanz via Social Media und ­E-Mail sehr gut. Die Spieler haben sich bedankt und waren positiv von unserer Aktion überrascht." Bei der Aktion sei es weniger um Vertrieb als um Markenbildung gegangen, so Luca. Vergleichbare Aktionen haben auch schon die Getränkemarke "Die Limo" und der Autobauer Mercedes in seinen Vertragsfilialen durchgeführt. Von ähnlichen Aktionen wird in Zukunft noch mehr zu hören sein.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Spieleentwickler Niantic fleissig an Monetarisierungskonzepten für Pokémon Go feilt. Ein erstes Beispiel ist der exklusive Deal mit McDonald’s zum Japan-Start der Monsterjagd: Die Fast-Food-Kette kaufte sich für ihre 2.900 japanischen Filialen je einen PokeStop sowie 400 Arenen.
Ähnliche "Sponsored Places" hat Niantic auch schon für andere Märkte und weitere Partner angekündigt. Auch Product Placement, beispielsweise auf der Kleidung der Spielcharaktere, ist eine denkbare Option. Zuletzt könnte Niantic die Wahrscheinlichkeit seltene Pokémons in der Nähe von zahlenden Firmen zu finden signifikant erhöhen. Damit all diese schönen Ideen umgesetzt werden können, muss der ­Hype um die niedlichen Taschenmonster aber weiter anhalten. Das hängt vor allem davon ab, ob es Niantic gelingt, seine Spieler dauerhaft mit guten Inhalten zu begeistern. In den USA sind die Download-Zahlen bereits wieder rückläufig.




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