Konferenzen 07.09.2017, 07:46 Uhr

Wie der Mensch der KI vertrauen kann

Ohne künstliche Intelligenz bleibe die digitale Transformation in den Kinderschuhen stecken. Davon ist Thomas Landolt überzeugt, Geschäftsführer von IBM Schweiz. Doch die Furcht vor der ausser Kontrolle geratenen Maschine schreckt einige Anwender ab. Weshalb Menschen lernenden Algorithmen vertrauen können, erklärten Experten von IBM am alljährlichen Medienroundtable des Herstellers.
(Quelle: gsa/NMGZ)
von Georges Sarpong, Chefredaktor Computerworld
IBM sieht sich als Cognitive Solution und Cloud Company. Das Unternehmen, das einst dem PC den Weg in die Büros ebnete, konzentriert sich heute auf Daten und Software. Insbesondere auf lernende Algorithmen. Diese seien für die digitale Transformation wichtig, sagte Thomas Landolt, Vorsitzender der Geschäftsleitung von IBM Schweiz, anlässlich der IBM Mediengespräche 2017 in Oerlikon.
Die digitale Transformation sei ein Sturm, in dessen Mitte IBM stehe, erklärte Landolt. Dieser Sturm werde von verschiedenen Kräften angetrieben: Hohe Bandbreiten und die allgemeine Verfügbarkeit von Internetverbindungen sowie immer mehr Sensoren und Geräte, die ins Web eingebunden werden. Hinzu kämen neue technische Ansätze, wie das Cloud Computing, das Internet of Things oder Lösungen rund um die Blockchain. Stets entstehen dabei Daten, was die Datenberge von Unternehmen wachsen lässt. Landolt sprach gar von einer Datenexplosion. Für Unternehmen gehe es darum, aus all den Daten Wertschöpfung zu generieren. «Die Digitalisierung kommt erst so richtig in Fahrt, wenn man mit den Daten sinnvolle Dinge erschaffen kann», sagte Landolt.

Künstliche Intelligenz befeuert Digitalisierung

Daten lägen aber meist unstrukturiert vor. Künftig sollen daher lernende Algorithmen helfen, Daten zu analysieren, wertvolle Informationen zu erkennen und aufzubereiten. Cognitive Computing sei das Schlüsselthema, wenn man über Digitalisierung rede, betonte Landolt. «Ohne Cognitive Computing steckt die Digitalisierung in den Kinderschuhen.»
Durch Cognitive Computing verändere sich die Art, wie mit Computern gearbeitet werde. Doch nicht nur das, auch die Berufe würden sich ändern. Landolt nannte als Beispiel Ärzte, die mit Hilfe intelligenter Rechner Patienten betreuen. Systeme wie Watson können sich bereits heute grosse Mengen medizinischer Fachartikel analysieren und Medizinern Tipps für die Behandlung geben. Dies sei ein gutes Beispiel dafür, wie kognitive Systeme Anwender unterstützen könnten.

Ängste nehmen durch Transparenz

Mit den neuen Technologien werde allerdings der (Arbeits-)alltag komplexer. Damit einher gingen auch Ängste. Diese seien die Feinde von Vertrauen. Und dieses ist wichtig, wenn künstliche Intelligenz von der breiten Masse akzeptiert werden soll. Wichtig sei deshalb Transparenz. Wie diese aussehen kann, zeigten IBMs Ingenieure Wolfgang Hildesheim, Head of Watson DACH und Dennis Scheuer, Watson and Artificial Intelligence Innovation. IBMs System für Cognitive Computing, Watson, kann etwa Schreiben von Kunden erfassen, auswerten und an zuständige Kundenbetreuer weiterleiten. Watson als Sekretär. Wichtig sei hierbei, dass Anwender nachvollziehen können, wie das KI-System zu seiner Entscheidung fand. Durch die Transparenz können Nutzer gegebenenfalls Fehler rasch finden und nachjustieren. Weiterer wichtiger Nebeneffekt: Wenn Kunden das System verstehen lernen und sicher mit ihm umgehen können, vertrauen sie der KI.

Daten sind nicht das neue Öl

Daten bilden die Basis für Machine Learning. Doch was bedeutet das für die Daten jedes einzelnen Menschen? Hierüber referierte André Golliez, Präsident der Swiss Data Alliance. Dieser räumte zunächst mit einem Grundsatz auf, Daten seien das neue Öl. Ein Spruch der seit Jahren von IT-Anbietern im Zusammenhang mit Daten vorgebetet wird. Denn Daten würden sich nicht verbrauchen – im Gegensatz zum Erdöl.
Golliez forderte eine Datenpolitik, beeilte sich aber anzufügen, dass er damit nicht eine stark Regulierung oder Überregulierung meine. Stattdessen gehe es darum eine nationale Dateninfrastruktur aufzubauen. Diese besteht nach dem Szenario der Swiss Data Alliance aus Basisdaten der öffentlichen Hand, etwa Geodaten von Swistopo. Hinzu kommen persönliche Daten, über die der einzelne Bürger verfügt. Diese werden durch sogenannte Sektordaten, etwa zu den Bereichen Gesundheit, Verkehr und Energie ergänzt. Über Appliaktionen können Bürger, Unternehmen und Verwaltungen auf die Daten zugreifen und diese für Dienstleistungen nutzen.

«Was sind uns unsere Daten wert?»

Bei der Datenpolitik gehe es um die Frage, was uns die eigenen Daten wert sind und wie wir dafür sorgen, dass diese auch unter unserer Kontrolle bleiben, fasste Golliez zusammen. «Wollen wir etwa unsere Geodaten von Swisstopo an Google oder Facebook abgeben, oder wollen wir diese behalten?»
Um die Debatte voranzubringen, verfolgt die Swiss Data Alliance daher fünf Prinzipien:
  • Daten sind eine Infrastruktur-Ressource von der alle profitieren können.
  • Offen zugängliche Daten erzeugen einen mximalen Nutzen für Vorkswirtschaft und Gesellschaft.
  • Jedes Individuum hat das Recht auf eine digitale Kopie der Daten zu seiner Person.
  • Personendaten müssen vor übermässigem staatlichen Zugriff geschützt werden.
  • Unpersönliche Daten, die durch staatliche Aufgaben entstehen und öffentlich finanziert werden, sollen auch offen zugänglich sein.
Einige Dinge im Vortrag von Golliez erinnerten an die Debatte um das elektronische Patientendossier. Das Gesetz für dessen Umsetzung folgt im grossen und ganzen den oben genannten Prinzipen. Der Patient selbst behält die Hoheit über seine persönliche Daten und vergibt Zugriffsrechte darauf an Apotheker, Ärzte und Pfleger. Der Patient als Dateneigentümer kann die Zugriffsrechte aber auch jederzeit wieder entziehen.

Gefahren mit künstlicher Intelligenz abwehren

Golliez wies in seiner Rede auf die Gefahr hin, dass Daten in falsche Hände geraten können. Wie IBM dies mit Hilfe von KI verhindern will, erklärte abschliessend Andreas Wespi von IBM Research. Eine Anwendung sei etwa die Klassifizierung von Daten in einem Unternehmen. Oft würden Dateien durch Mitarbeiter vorsichtshalber als vertraulich eingestuft, auch veraltete Datensätze. Auf diese Weise sei es letztlich unklar, welche Daten tatsächlich vertraulich seien. Ein Machine-Learining-System könne diese Aufgabe künftig übernehmen und Daten entsprechend deklarieren.

Security-Spezialisten können nur verlieren

Mit künstlicher Intelligenz sollen aber auch Attacken, DDoS-Angriffe und andere Bedrohungen abgewehrt werden. Hierfür sammelt IBM weltweit Daten über Cybergefahren in seinen Security Operation Centers und trainiert Watson, das auch in der Cybersecurity eingesetzt werden kann. Auch hier soll Watson helfen, die Arbeit zu erleichtern. «Als Security-Spezialist kann man eigentlich nur verlieren», sagte Wespi. Mache er seinen Job gut, passiere nichts, wenn doch gebe es Ärger.
Sicherheitsspezialisten haben es den Zahlen von Wespi zufolge schwer. Im Verlauf eines Jahres könne ein Security-Spezialist 720'000 Blog-Einträge, 180'000 Nachrichten-Artikel und rund 10'000 wissenschaftliche Abhandlungen zum Thema Sicherheit lesen. Im Schnitt könnten Unternehmen und Organisationen aber keine 10 Prozent dieses Wissens schöpfen oder gar nutzen. Intelligente und automatisierte Systeme sind für Wespi daher die Zukunft für die IT-Security. Bis es soweit ist und sich menschliche Sicherheitsleute zurücklehnen und Watson die Arbeit komplett übergeben können, dauert es wohl noch eine Weile. Denn auch die KI lasse sich in gewissen Fällen überlisten. Doch an der Lösung des Problems wird bereits geforscht.




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