Internet der Dinge 18.12.2019, 07:53 Uhr

Smarte Bestellungen: Wenn der Drucker Tinte ordert

Wenn Maschinen selbst Waren nachordern, welche Rolle bleibt dann dem Online-Handel? Conrad Electronic will sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen und setzt dabei auf den Smart-Ordering-Service "Conrad Connect".
(Quelle: shutterstock.com / Andrey Suslov)
Keine Kaffeekapseln mehr, keine Milch mehr, kein Papier mehr im Drucker? Dann heisst es einkaufen gehen. Doch das Besorgen alltäglicher Verbrauchsgüter empfinden viele Konsumenten als lästig, gleich ob stationär oder online. Es kostet Zeit und Nerven. Viele greifen zum ­bekannten, immer gleichen Produkt.
Der Druckerhersteller HP bietet seinen Kunden einen Bestellservice an: Die Drucker zeigen nicht nur an, dass sich die Tintenpatrone dem Ende zuneigt, sondern sie ­bestellen den passenden  Ersatz gleich selbst nach. Das Internet der Dinge macht solche Services möglich, weil dabei Geräte über das Internet miteinander sowie mit verschiedenen Plattformen und Shops vernetzt sind.

Händler drohen aus der Beschaffung herauszufallen

Doch wenn Kühlschränke, Wasch­maschinen und Drucker Verbrauchsmaterialien oder Lebensmittel selbstständig ­bestellen, läuft der Handel Gefahr, aus der Beschaffungskette herauszufallen - nicht zuletzt weil Hersteller auf diese Weise ­direkt mit Verbrauchern in Kontakt treten und sie beliefern können.
Der Elektronikhändler Conrad Electronic hat auf diese Entwicklung reagiert und 2016 das Unternehmen Conrad Connect gegründet. Das Spin-off betreibt eine Plattform für das Internet der Dinge ­(Internet of Things, kurz IoT), über die sich unterschiedlichste smarte, also internetfähige Geräte verwalten, steuern und miteinander verknüpfen lassen. Dazu zählen intelligente Heizungsthermostate, fernsteuerbare Steckdosen und Rollos, aber auch Überwachungskameras, Alarmanlagen und Haushaltsgeräte.
Wer solche smarten Geräte besitzt, kann über die Plattform beispielsweise fest­legen, dass die Heizung pünktlich um 5:30 Uhr angestellt wird - und zwar auf der Stufe, die laut der von der ­Wetterstation übermittelten Aussentemperatur zufolge angebracht ist. Zudem kann der Nutzer bestimmen, dass das Rollo um 6:15 Uhr hochfährt, das Radio anspringt und die Alarmanlage ausgeschaltet wird.

Smart Odering bei Conrad Connect

Im Frühjahr dieses Jahres hat Conrad Connect die Plattform um einen sogenannten Smart-Ordering-Service erweitert. Darüber können die mittlerweile 430.000 registrierten Nutzer der Plattform automatisiert Verbrauchsgüter nachbestellen. Dafür müssen sie zuerst einen Account bei Conrad Connect anlegen und  das entsprechende Gerät mit der Plattform verknüpfen. Mehr als 100 Marken sind derzeit mit der Plattform kompatibel. Dann muss der Kunde das Signal definieren, das als Auslöser für die Bestellung dienen soll. Das kann beispielsweise der Hinweis des Rauchmelders über einen niedrigen Batteriestand sein. Anschliessend wählt der Nutzer einmalig aus, wo die Batterie bei Bedarf ­bestellt werden soll, und hinterlegt die gewünschte Bezahlart für diesen Kauf. Löst das Signal des Geräts eine Bestellung aus, bekommt der Kunde von Conrad Connect eine ­E-Mail und eine SMS mit einer Übersicht über die bestellten Produkte. Mit dem Klick auf den Bestätigungslink schliesst er die ­Bestellung ab.
Noch ist die Anzahl der an die Plattform angeschlossenen Händler überschaubar: Zum Start im April war nur der Conrad-Shop mit der Plattform verknüpft.  Im Juni folgten dann die beiden Conrad-Ableger  Digitalo und Voelkner sowie der Modellbau-Shop SMDV, im Juli die beiden Food-Shops Snackbaron und Müsli.de.
Seit November ist Otto Ready, ein vergleichbarer Bestellservice des Online-Händlers Otto, bei Conrad Connect mit an Bord. Sechs weitere Partner befinden sich im Onboarding. 

Plattform für alle Händler offen

"Conrad Connect ist nicht nur für Conrad gedacht, sondern ­bewusst als offene Plattform angelegt, die anderen Händlern ebenso offensteht", ­betont Andreas Bös, Vice President und Leiter von Conrad Connect. "Wir wollen neue Geschäftsmodelle entwickeln, um den Herausforderungen, mit denen der Handel konfrontiert ist, zu begegnen." Bös geht davon aus, dass sich der Markt massiv verändern wird: "In fünf bis zehn  Jahren wird es kaum mehr Elektrogeräte geben, die nicht mit dem Internet vernetzt sind, und zwar schon alleine deswegen, weil es keine Chips ohne Internet-Verbindung mehr geben wird", ist Bös überzeugt.

Handel muss heute Erfahrungen sammeln

Deswegen sollte der Handel heute ­Konzepte entwickeln und Erfahrungen sammeln. Bei Conrad Connect haben Händler dafür mehrere Optionen. In der simpelsten Variante können sie sich über die Plattform präsentieren. Verknüpft ein Käufer ein Produkt dieses Händlers mit einem smarten Gerät und geht darüber eine Bestellung ein, leitet Conrad Connect sie per E-Mail an den Händler weiter, der sie dann manuell bearbeitet. "Das ist nicht sehr modern", ­gesteht Bös, "reicht aber zum Testen."
Die zweite Variante sieht eine Integration des Shops über APIs (offene Schnittstellen)  vor. Sie verbinden das Shop-System oder die Warenwirtschaft des Händlers mit der Plattform, sodass die nötigen Informationen wie der aktuelle Preis abgerufen und an den Kunden weitergegeben werden können. Diese Schnittstellen stellt Conrad Connect bereit.

Smart Odering als Platform-as-a-Service

Als dritte Option können Händler die Funktionalität der Plattform in ihren eigenen Shop integrieren, Stichwort Platform-as-a-Service. Auch hier läuft die Anbindung über APIs. Zudem stellt Conrad Connect einzelne Funktionen in Form von ­Microservices zur Verfügung, die in den Shop des Händlers eingebunden werden können. Diese Vollintegration ist noch nicht komplett entwickelt, soll aber bis spätestens Sommer 2020 verfügbar sein.
Für die Verbraucher kostet die Bestellung über Conrad Connect nichts zusätzlich. Für die Händler fällt eine Transaktions­gebühr an, die sich nach der jeweiligen Produktkategorie und dem Bestellvolumen richtet. Sie liegt "bei etwa einem Euro oder darunter", so Bös.

Usability eines der Haupthindernisse

Eines der Haupthindernisse beim Smart Ordering ist die Usability: Wenn ein System Flexibilität erlaubt, also die Auswahl des Händlers, des auslösenden Signals und des Bestellwegs - zum Beispiel Sprach­assistent, Smart Button oder das Gerät selbst - muss der Kunde einmal den gesamten Bestellprozess einrichten. "Das ist momentan eher etwas für Techies", räumt Bös ein.
Doch er geht davon aus, dass dies schon in einigen Jahren überflüssig sein wird, weil die Technik das Verhalten der Nutzer dann automatisch analysiert und sich anhand der Daten selbst einrichten wird. "Wir befinden uns noch in der Steinzeit des Internets der Dinge", sagt er. 
Insbesondere im B2B-Bereich werden smarte Bestellsysteme in Zukunft der Normalfall sein. "Dann geht es nicht mehr so sehr darum, Maschinen zu verkaufen, sondern vielmehr deren Laufleistung oder Abfüllmenge", so seine Vision.




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