Wirecard-Desaster bringt Dax-Reform

Skeptische Stimmen

Schon während der Beratungen über die vorgeschlagenen Veränderungen gab es skeptische Stimmen. Es sei anzunehmen, "dass durch die Profitabilitätsanforderungen gerade jungen und wachstumsstarken Unternehmen, denen es allerdings noch an entsprechenden Gewinnen fehlt, der Zutritt zum Börsenolymp verwehrt" bleibe, schrieben Analysten des Kölner Vermögensverwalters Flossbach von Storch.

Beispiel Delivery Hero: Der Essenslieferant ersetzte Mitte August Wirecard im Dax. Allerdings: Delivery Hero hat seit seiner Gründung 2011 im laufenden Geschäft noch nie Geld verdient. Die gute Nachricht für den Newcomer im Kreis der Dax-Dinos: Wer bereits im Dax ist, wird aufgrund der verschärften Regeln nun nicht rausgeworfen.

12 der 30 Konzerne sind seit dem Dax-Start am 1. Juli 1988 ohne Unterbrechung in dem Index gelistet: Allianz, BASF, Bayer, BMW, Daimler (zuvor Daimler-Benz), Deutsche Bank, Eon (2006 entstanden aus Veba und Viag), Henkel, Linde, RWE, Siemens und Volkswagen.

Kontinuität in der Dax-Familie gibt es - zum Leidwesen von Rüstungsgegnern und Umweltschützern - auch in einem anderen Punkt: Durchgefallen ist der Vorschlag, Unternehmen auszuschliessen, die mehr als zehn Prozent ihres Umsatzes mit der Herstellung umstrittener Waffen machen. Dies wäre zum Beispiel für den derzeit im MDax notierten Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus zum Problem geworden.

"Wir haben ein sehr heterogenes Meinungsbild zu den Themen Nachhaltigkeit und ESG (...) bekommen", fasste die Deutsche Börse den vierwöchigen Austausch mit Marktteilnehmern auch mit Blick auf Kriterien wie Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung (englisch abgekürzt ESG) zusammen. "Es wird von vielen Seiten die grundsätzliche Frage aufgeworfen, ob diese Kriterien bei der Auswahl der Dax-Mitglieder eine Rolle spielen sollten." Mehr als 600 Antworten waren eingegangen: von Banken und Brokern, Verbänden und Profi-Investoren. Besonders gross war dabei die Gegenwehr bei der Frage, ob der Dax moralischer werden soll.

Das Dax-Regelwerk dürfe "kein Einfallstor für gesellschaftspolitische Debatten und Meinungen werden", hatte das Deutsche Aktieninstitut in seiner Stellungnahme betont. Die Dax-Familie solle Anlegern "eine konzentrierte Information über die Entwicklung des gesamten Aktienmarktes" geben. "Dazu gehört es nicht, die Geschäftsmodelle der Indexmitglieder vor dem Hintergrund gesellschaftspolitischer Debatten zu bewerten und gegebenenfalls auszuschliessen", schrieb das Institut.
Nach Ansicht von Greenpeace hat die Deutsche Börse "die grosse Chance verpasst, den Zugang zum Dax an ethische Kriterien zu knüpfen". Die neuen Regeln als "Rückschritt für Menschenrechte und Klimaschutz im Finanzsektor", kritisierte die Initiative Urgewald.

"Deutliche qualitative Verbesserung"

Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit bei der Deka, wertet die neuen Regeln insgesamt als "deutliche qualitative Verbesserung": "Ein breiterer Dax bedeutet auch mehr Streuung und damit mehr Stabilität."
Privatanleger haben nach Ansicht der Hamburger Sutor Bank jedoch wenig von der Reform: "Ganz gleich, ob der Dax 30 oder 40 Werte enthält - Privatanleger sollten sich besser an andere, breiter streuende Indizes halten. Das reduziert nicht nur das Risiko, sondern kann auch die Performance verbessern."



Das könnte Sie auch interessieren