Amazons Logistik: Bedrohung für Händler und Dienstleister

Viel Anstrengung rund um die letzte Meile

Noch agiler und innovativer als beim ­Management der B2B-Logistik zeigt sich Amazon allerdings bei der Optimierung der letzten Meile zwischen Logistikzen­trum und Endkunden. Egal ob Drohne, selbstfahrende Lieferwagen oder Anticipatory-Shipping-Patent - es gibt kein ­Gedankenspiel, das bei Amazon nicht ­gedacht werden darf. Ihm muss nur das  Motto zugrunde liegen: "Das Paket muss den Kunden finden, nicht der Kunde das Paket" - und das dann auch noch so schnell und bequem wie möglich.
Entsprechend bietet Amazon Prime-Kunden in 14 Metropolregionen seit ­November vergangenen Jahres Gratis-­Same-Day-Lieferung für rund eine ­Million Produkte an. Weil die klassischen Dienstleister auch hier an ihre "Kapazitätsgrenzen" stossen, wie es das Unternehmen freundlich formuliert, packt Amazon die Dinge jetzt selbst an. In München und Berlin koordiniert der Händler über eine eigene Software einen Pool von Kurieren, die die Ware von den stadtnahen Verteilzentren in Berlin-Tegel und Olching bei München zu den Kunden bringen.

"Prime Now" soll auf mehr Städte ausgeweitet werden

Der jüngste Coup in Sachen Blitzlieferung ist die Einführung von "Prime Now" in Berlin. Um Kunden in bestimmten Berliner Postleitzahlenbereichen innerhalb von einer Stunde beliefern zu können, wurde ein Geschäftshaus am Kurfürstendamm, in dem früher bezeichnender­weise ein Elektrogrossmarkt war, zu einem Lager umgebaut. Eine ähnlich gut gelegene Immobilie hat Amazon offenbar in Frankfurt in einem alten Neckermann-Gebäude ­gefunden.Auch in Hamburg hatte Amazon bereits eine geeignete Fläche ausgespäht, war aber am Widerstand der Nachbarschaft gescheitert, die ein zu hohes Verkehrsaufkommen befürchtete.
Nichtsdestotrotz wird sich Amazon in seinem Bestreben, mit kleineren Logistik- und Verteilzentren näher an die Kunden heranzurücken, nicht lange aufhalten lassen. Und die neuen mehrstufigen Logistikstrukturen "eröffnen Amazon zusätz­liche Optionen für weitere Dienste auch jenseits von Prime Now", analysiert E-Commerce-Berater Jochen Krisch. Das kostet nicht nur Logistiker wie DHL oder Hermes Umsatz. Auch der klassische Handel wird es zu spüren bekommen, wenn Amazon sich - spätestens mit der Einführung des Lebensmittelservices Amazon Fresh - endgültig vom Direktversender zum Nahversorger wandelt und Kunden zu ­wöchentlichen Bestellungen animiert.

Hauseigene Daten als Wettbewerbsvorteil

Grösster Wettbewerbsvorteil von Amazon beim Aufbau eines eigenen Logistiknetzwerks sind Branchenexperten zufolge die hauseigenen Daten. "Während manche grosse Logistikdienstleister verzweifelt versuchen, ihre weltweiten Systeme auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, um wenigstens durchgängig Tracking und Tracing im Hier und Jetzt gewährleisten zu können, sagt Amazon bereits die Transportströme von morgen vorher", so Robert Kümmerlen, Mitglied der Chefredaktion der Logistikfachzeitschrift "DVZ", zum Problem der Traditionsunternehmen.
GLS-Chef Rico Back versucht, die Situa­tion für die Branche positiv zu sehen, und lobt Amazon als Innovator, der von der Zustellung am selben Tag, der Lieferung zur Wunschzeit oder der Spätzustellung viel angestossen habe. Die eigene Abhängigkeit von Amazon allerdings sei gering, da GLS Amazon grösstenteils schon jetzt die Dienste verweigere. "Der Online-Händler verlangt Dienstleistungen und Preise von Paketdiensten, zu denen man nicht zustellen kann. Und wir lassen generell die Finger von unprofitablem Geschäft", erklärt Back.



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