Amazon Business: Nicht zu unterschätzen

Auch Amazon Business fängt wieder bei null an

Dabei ist für B2B-Händler auch wichtig zu verstehen, dass sich durch die Einführung von Amazon Business nicht nur der Bestellkanal ändert, sondern auch die Kundenzielgruppe und nicht zuletzt auch die Kundenbindung. Der Einkäufer ist nicht mehr die einzige Einflugschneise in ein Unternehmen, die es zu knacken gilt. Stattdessen darf jeder Mitarbeiter selbst bestellen, was er braucht. "Wir können das, weil es über Amazon Business ein kontrollierter Prozess ist", sagt Siemens-Mann Harteveld.
Das zweite Argument, das für Amazon Business und gegen andere Marktplätze spricht, formulierte Paul Harlington, Group Procurement Director bei der TUI Group, britisch diplomatisch: "Ich habe meinem CEO gesagt, wir müssen Amazon Business integrieren, um unseren Einkauf zu optimieren, und er hat es sofort verstanden." Auch in der Chefetage profitiert Amazon Business also von seiner Bekanntheit aus dem B2C-Geschäft.
Die internen Befürchtungen, dass man mehr bezahlen müsste, wenn man pauschal bei Amazon bestellt statt inhouse den günstigsten Lieferanten aufzuspüren, konnte Harlington durch einen simplen internen Test entkräften. Er liess Produkte auf Amazon Business ordern und anschliessend seine Einkäufer in Eigenregie nach den besten Preisen für diese Produkte suchen. "Die Differenz zwischen dem Preis auf Amazon und dem Preis unserer Einkäufer lag bei 0,6 Prozent", erzählt der TUI-Chefeinkäufer. Bei einem durchschnittlichen Einkaufswert von 50 Euro sparen die Einkäufer ­gegenüber Amazon Business also 30 Cent pro Transaktion. "Wir investieren 20 Minuten am Tag, um 30 Cent zu sparen", rechnet er vor. Ein solcher Aufwand amortisiere sich erst ab 400 Bestellungen pro Monat.
Bei aller Fürsprache konstatieren die beruflichen Einkäufer aber auch: Mit der technischen Umsetzung seiner Marktplatzlösung steht Amazon Business noch ganz am ­Anfang. In vielen relevanten Bereichen hapert es, darunter Fakturierung, steuerliche Abwicklung oder die Integra­tion via elek­tronischem Datenaustausch. Darüber hinaus müssen die Sortimente in diversen Branchen noch relevanter werden. Und auch in Sachen Abfallvermeidung bei der Verpackung ist noch Luft nach oben. 

Neue Features in Arbeit

Tatsächlich arbeitet Amazon mit Nachdruck an neuen Features. Die Kunden können künftig auch im B2B-Bereich mit dem "Amazon Day" einen Wunschtag wählen, an dem alle Bestellungen aus dem Unternehmen gebündelt ­zugestellt werden - und so den Empfang entlasten. Ein weiteres Novum sind progressive Rabatte oder die Möglichkeit, Produkte, die Mitarbeiter nicht bestellen sollen, zu blockieren oder ganz zu verbergen. Stärke zeigt Amazon aber auch in Sachen Daten. Das neue Feature "Spend Visibility" ermöglicht es, Ausgaben-Muster zu identifizieren und daraus Budget­entscheidungen abzuleiten. Und es ermöglicht, den Wert, den die Einkaufsabteilung in einem Unternehmen schafft, endlich für die Stakeholder sichtbar zu machen.
Gerade B2B-Anbieter im Segment niedrigpreisiger oder Low-Involvement-Produkte sollten sich daher bewusst machen: Amazon Business ist ein Low Brainer, der mit einer perfekten Customer Experience auch im Beschaffungswesen seinen Siegeszug antreten wird. Über Kooperationen mit gängigen Beschaffungslösungen wie Coupa oder SAP Ariba wird die Eintrittshürde noch einmal gesenkt. Und die nachwachsende Generation der Millennials setzt lieber auf Online-Self-Service, statt den Aussendienstmitarbeiter anzurufen. Wer hier selbst keine Lösung anbieten kann, die Business-Kunden noch mehr Mehrwert bietet als Amazon, wird langfristig am Markt nicht bestehen. Dann heisst die ­Lösung vermutlich wirklich nur: "Wenn du sie nicht besiegen kannst, schliess dich ihnen an."



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