Monetarisierung von Videowerbung 10.05.2016, 12:56 Uhr

TV-Konzerne investieren in Adtech: Millionen für Tech-Tools

Die TV-Konzerne investieren massiv in Adtech-Unternehmen: Bei der Monetarisierung von Videowerbung wird Technologiekompetenz künftig eine bedeutende Rolle spielen.
(Quelle: Fotolia.com/HaywireMedia)
Gefühlt expandieren die grossen TV-Konzerne im Monatstakt. Seit Jahresbeginn vermeldete zum Beispiel die ­ProSiebenSat1-Gruppe den Start der ­Prospektplattform Marktguru (April), die Gründung der Out-of-Home-Firma 7Screen (Februar) sowie ein paar Zukäufe im ­Bereich der Filmproduktion (Mad Rabbit, Cove Pictures). Der andere grosse TV-Player in Deutschland, die RTL-Gruppe, startete weitere Gutscheinportale (April), brachte die Marke "TV Now" neu ins Spiel (März) und launchte zwei weitere Sender - RTL Plus und RTL International. Trotzdem war ein Investment im März besonders schlagzeilenträchtig: die Übernahme von 93,75 Prozent an Smartclip, einem ­international tätigen Werbetechnologie-Dienstleister (neudeutsch: Adtech) und Online-Videovermarkter mit Hauptsitz in Hamburg. Den Deal liess sich die RTL-Gruppe rund 47 Millionen Euro kosten.

Verschiebung im Bereich Bewegtbildvermarktung

Die Übernahme ist ein Beleg dafür, dass die grossen TV-Konzerne mit gewaltigen Verschiebungen im Bereich der Bewegtbildvermarktung rechnen - vor allem in technologischer Hinsicht. Um kein Opfer dieser Veränderungen zu werden, tätigen sie millionenschwere Investitionen. Sie stellen die Weichen für den Tag, an dem es mit dem linearen Fernsehen und den Mechanismen der klassischen TV-Vermarktung weitgehend vorbei sein könnte. Wenn sich der Videokonsum und die damit verbundene Buchung und Auslieferung von Werbespots auf automatisierte Plattformen verlagern, möchte man entsprechend ausgerüstet sein, um an diesem Geschäft zu partizipieren. Die RTL-Gruppe hatte deshalb bereits im Juli 2014 über 100 Millionen Euro lockergemacht, um sich 65 Prozent an Spotxchange zu sichern, einer Plattform für den automatisierten Handel von Web-Videowerbung.

Adtech-Quartett soll Know-how austauschen

"Professionell produziertes Bewegtbild steht im Mittelpunkt unserer Strategie, egal über welchen Übertragungsweg und egal auf welchem Endgerät", betont Rhys Nölke, Senior Vice President Strategy bei der RTL Group. "Insbesondere bei der Monetarisierung kommt es immer mehr auf Technologiekompetenzen an." Die beiden Buchstaben "TV", sie stehen nicht mehr für Television, sondern für "Total ­Video", so Nölke.
Im vergangenen Jahr hat die RTL Group deshalb auch Anteile an Clypd erworben, einer US-amerikanischen Plattform für die automatisierte Vermarktung im linearen Fernsehen, sowie an Videoamp, einem Dienstleister zur Optimierung geräteübergreifender Kampagnenauslieferung und Datenanalyse. Das Adtech-Quartett - Smartclip, Spotxchange, Clypd und Videoamp - soll nun untereinander Know-how und Technologie austauschen und Produkte entwickeln, die RTL auch im technologisch geprägten Werbemarkt der Zukunft eine führende Stellung sichern.
Mittelfristig sei diese Strategie alternativlos, sagt Jürgen Lindner, Geschäftsführer bei Dentsu Aegis Network und dort für den Media-Investmentbereich zuständig. "Sie sind längst keine reinen ­TV-Konzerne mehr und müssen dafür sorgen, dass sie über alle Kanäle und Devices attraktiv sind. Und sie müssen Botschaften an der richtigen Stelle, zur richtigen Zeit und mit dem passenden Inhalt platzieren können."

Zielgenauere Werbung als im linearen TV

Mit dieser Taktik werden sich die Häuser aus der Abhängigkeit von ihrem klassischen Werbegeschäft lösen, meint Pascal Kässmann, Managing Partner bei Quisma. "Faktisch werden damit zusätzliche Flächen an Werbeinventar zur Verfügung gestellt, inklusive dem Effekt, dass Werbung zielgenauer als im linearen TV-Geschäft ausgesteuert werden kann."
Damit man dafür die nötigen Tech-Tools hat, hat auch der Pro-Sieben-Sat1-Konzern im vergangenen Sommer mächtig ­investiert. Im Juni 2015 hat sich das Unternehmen 51 Prozent an Virtual Minds gesichert. Die Firmengruppe zählt zu den führenden europäischen Spezialisten für digitale Advertising- und Mediatechnologien und betreibt Plattformen wie Yieldlab, Active Agent, Adition oder The Adex.
Nur einen Monat später erhöhte ProSieben seinen Anteil an der Ad-Exchange-Plattform Smartstream.tv: von 25 auf 80 Prozent. Virtual Minds wolle man im europäischen Markt als Alternative zu den globalen Advertising-Technologie-Playern entwickeln, erklärt Jens Mittnacht, Geschäftsführer der Sevenone Media und dort für das Thema Adtech zuständig. Mit der Übernahme von Smartstream wolle man das Thema Multiscreen-Vermarktung und Real-Time Advertising vorantreiben. Gemeinsam sollen die Zukäufe ordentlich Synergien erzielen. "Beide Unternehmen passen hervorragend zusammen", sagt Mittnacht. "Schliesslich ist gerade im Digital-Bereich die effiziente Abwicklung und Automatisierung von Werbebuchungen ein vielversprechendes Zukunftsfeld, das wir besetzen wollen."
Für diese Strategie ist künftig genügend Geld vorhanden. Bei der RTL Group ­stehen jedenfalls 250 Millionen Euro für Akquisitionen bereit. Im Jahr.



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