Spracherkennung im Handel: "Hallo Kunde - was kann ich für Dich tun?"

Messenger helfen beim Bekanntmachen von Bots

Um ihre kostenlose Services zu monetarisieren, öffnen Anbieter wie Facebook, Snapchat, Wechat, Whatsapp, Slack, Telegram und Threema ihre Schnittstellen und ermöglichen die Integration weiterer Dienstleistungen, Funktionen und Inhalte - Chatbots etwa oder andere Dialog- und  Sprachsysteme. "Messaging-Plattformen sorgen für den Durchbruch von künstlicher Intelligenz", beobachtet Sylvia Feja. Sie ist bei Novomind, einem Hersteller von Shop-Software, verantwortlich für E-Communication oder Sprachassistenzen.
Für die Messenger von Facebook, Whatsapp und Wechat werden zurzeit die meisten Chatbots programmiert. Alternativen bieten Chat-Plattformen wie KIK, die Teenager nutzen, aber auch Slack, Telegram oder Threema (Geschäftskunden).
Quelle: H&M auf KIK
Das Hamburger Unternehmen bietet schon seit Jahren diverse Dialogformate und -formulare für den Kundenservice von Shops und Finanzdienstleistern an, integriert diese jetzt aber nicht mehr nur direkt auf den Web- und Shop-Sites. "Chatbots sind effektiv, wenn sie an den richtigen Stellen eingesetzt werden. Im Kundenservice können sie ihre grösste Stärke, die Dialogfähigkeit, ausspielen." Doch dafür sollten sie möglichst anpassungs- und sogar lernfähig sein. Das aber sind heute noch die wenigsten Angebote. "Chatbots sind nicht mehr teuer und helfen, im Kundenservice Kosten zu sparen", weiss Jutta Eschweiler, die beim Dienstleister TWT Interactive den Vertrieb verantwortet. "Die richtig teuren Sprachassistenzen sind allerdings die, die lernen und dafür auch Kundendaten verarbeiten."
Der Aufbau eines Chatbots, der ein­fache Fragen beantwortet, und die Inte­gration in einen Messenger kostet circa 5.000 Euro. Hinzu kommen monatliche Lizenzgebühren für den Einsatz oder ­Erfolgsprovisionen. Lernende Systeme indes sind deutlich aufwändiger, müssen zu Anfang ­intensiv und im Einsatz weiter trainiert  oder an Forderungen angepasst werden. Das macht sie teuer, die Kosten gehen, wenn auch nicht mehr in die Millionen, so doch in die Hunderttausende: Bei durchschnittlichen Lohnkosten von 120 Euro pro Tag arbeitet dafür ein Servicemitarbeiter immer noch mehrere Jahre, und zwar weitgehend eigenständig und flexibel in der Wortwahl.

Für jede Plattform ein Bot

"Im Schnitt entfallen heute rund 50 Prozent des Kundenservices auf E-Mail- oder Telefonkontakte", berichtet Tina Kluewer, Mitgründerin und technische Leiterin von Parlamind, von eigenen Marktanalysen. "Der Anteil von Chatbots in der Kundenkommunikation wächst und liegt zurzeit bei rund sieben Prozent." Parlamind hat eine intelligente Software entwickelt, die an E-Mail-Accounts angebunden wird, dort mitliest und Texte für Nachrichten oder Antworten vorschlägt. Das Programm könnte zwar auch Chatbots steuern, doch Umfragen zufolge setzen die meisten Kunden noch immer auf die bewährten Kommunikationskanäle. Wie andere Sprach­assistenzen lernt Parlamind noch in Kooperation mit Menschen, spart aber schon 37 Prozent der Arbeitszeit ein. Absehbar ist, dass solche Sprach- und ­Dialogsysteme in den nächsten Monaten billiger und noch raffinierter werden.
Eine weitere technische Hürde, um Messenger-Dienste heute schon als Kauf- oder Service-Unterstützung einzuplanen, stellen diese selbst dar: Sie bieten zwar den direkten Draht zum Kunden, doch nicht jeder verarbeitet Bild- und ­Videodaten gleich gut. Und die Systeme sind abgeschottet. Selbst Whatsapp, das seit der Übernahme 2014 zu Facebook gehört, ist weiterhin eine eigenständige Plattform. Das aber zwingt Unternehmen, mehrere Chatbots für diverse Plattformen aufbauen zu lassen oder aus Kostengründen einen Teil ihrer Kunden nicht mehr anzusprechen.
Alexa von Amazon ist die Sprachtechnologie, die zurzeit am weitesten verbreitet ist und in viele Geräte integriert wird. Doch auch Google und Apple tüfteln an entsprechenden Technologien, die inzischen ebenfalls in selbstfahrenden Autos und anderen Geräten verbaut wird. Eher Technologie- als Handelspartner ist indes IBM. Watson heisst die Sprachtechnologie des Hightech-Konzerns, die mit Künstlicher Intelligenz kombiniert ist und vor allem die kommunikation zwischen Maschinen und Mensch erleichtert. Auf Basis von Watson programmierten Blumenhändler 1800-Flower und Outdoor-Spezialist Northface intelligente Chatbots.
Quelle: IBM/1800-flowers
Facebook ist sicher mit einer Milliarde Zugriffen pro Monat die am weitesten verbreitete Nachrichten-App, doch junge Zielgruppen favorisieren Snapchat oder Kik. In Asien wiederum gehört Wechat zum Pflichtprogramm und Berufstätige koordinieren ihre Aktivitäten mit Slack. "Wir sehen zwar den Trend, dass Kunden für die Kommunikation mit Händlern und Unternehmen ihren favorisierten Messenger-Kanal wählen, aber viele ­Unternehmen in Deutschland wollen aus Datenschutzgründen den Chatbot auf ihrer Website aktivieren", ­erklärt E-bot7-Gründer ­Fabian Beringer. "Chatbots sollten daher plattformübergreifend funktionieren." Diese Forderung aber erfüllen nicht alle Dienstleister, was die digitalen Sprachassistenten zusätzlich verteuert.
Bei US-amerikanischen und chinesischen Messenger-Anbietern ist nicht nur der laschere Datenschutz zu bedenken - die Händler folgen zwar ­ihren Kunden, können sie auf ihren favorisierten Plattformen ansprechen. Aber die eigene Online-Präsenz verliert damit an Bedeutung: Kaufentscheidungen und Service werden anderswo erbracht.
Die mächtigen Plattformen Google, Apple, Facebook und Amazon, kurz GAFA genannt und die Plattformökonomie gewinnen weiter an Einfluss, die Konzerne, die sich alle Spracherkennung und -Technologien anbieten noch mehr Einnahmechancen: Bislang kosten die Dialoge von Sprachassistenten in ihren Kanälen nicht einmal den Bruchteil eines Euro- oder Dollarcent. Das aber wird sich ändern, nimmt die Zahl der Gespräche und Geschäftsabschlüsse zu. Jeder Dialog bringt GAFA ausserdem mehr Einsicht in das Kauf- und Nutzungsverhalten. So halten die vier Plattformen potenzielle Konkurrenten auf Abstand. "Google, Amazon, ­Facebook und Apple können Sprach­erkennung gut weiterentwickeln, weil sie über immer mehr Nutzerdaten, das technische Know-how und vor allem ausreichende Mittel verfügen", sagt Berater Boeffel. Der Handel aber muss seine Daten mit den grossen Vier teilen, sich auf deren Technologie und oft miesen Kundenservice verlassen.
Auch Shopsysteme wie Novomind und Commercetools integrieren Chatbots und Sprachassistenzen in ihre Technologie. Novomind hat dafür die grösste Expertise, weil das Hamburger Unternehmen schon lange Dialogsysteme für den E-Commerce programmiert. Daneben bieten sich Start-ups als Geburtshelfer für Chatbots und Sprachassistenzsysteme an: Hallobot ist ein Angebot der Creative Digital Engineers aus Karlsruhe, E-Bots7 aus Berlin baut plattformübergreifende Programme und Chatshopper bietet eine eigene App. Parlamind arbeitet an Künstlicher Intelligenz für den Kundendialog, baut Bots, konzentriert sich aber noch stärker auf Email-Kontakte.
Quelle: Hallobot
Was also tun? Händler müssen keine Early Birds oder Trendsetter sein. Sie können also noch abwarten, die Sprachtechnologien und ihre Verbreitung beobachten. Sie sollten aber schon einmal die einzelnen ­Schritte der Kunden bis zur Kaufentscheidung kritisch analysieren. So bekommen sie ein Gefühl dafür, wo sie mit Bots oder Sprachassistent Kunden aktiv ansprechen, beraten und zum Kauf animieren können. Bisher unterstützen Bots bei der Suche, bei einer Funktion, mit der Kunden die kleinsten Probleme haben. Aber immer noch bricht jeder dritte Online-Käufer die Bestellung ab, weil Formulare oder Check-Out-Prozesse zu kompliziert sind: ein weites Feld für Bots und Co.



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