Games 05.10.2018, 10:28 Uhr

Im Test: Assassin's Creed Odyssey

Dieses Mal gehts ins antike Griechenland in die Zeit des Peloponnesischen Krieges. Lohnt sich der Griff zu Odyssey? Sie erfahren es in unserem grossen Test mit Video!
(Quelle: Ubisoft)
Wir schreiben das Jahr 431 vor Christus. Es herrschen stürmische Zeiten in Griechenland, nicht nur auf hoher See, sondern auch auf dem Festland. Die Athener und Spartaner liefern sich einen erbitterten Krieg um die Vorherrschaft in Hellas. Wir selbst haben auf Kefalonia noch nicht viel davon zu spüren bekommen, aber das wird sich schon bald ändern. Auf der Insel im Westen von Griechenland sind wir als Söldner äusserst gefragt, erledigen Botengänge, mischen Banditen auf und scheuen uns bei guter Bezahlung auch nicht davor, einen Auftragsmord zu akzeptieren.
Unser Name lautet Kassandra – aber in «Assassin's Creed Odyssey» können Sie alternativ auch in die Rolle ihres Bruder Alexios schlüpfen. Diese Charakterwahl ist aber nur eine von vielen Entscheidungen, die Sie im neusten Open-World-Spiel von Ubisoft treffen werden. Denn immer wieder müssen Sie wählen, ob Sie ein Leben beenden oder Milde walten lassen und beeinflussen damit den Verlauf und den Ausgang der Handlung. «Assassin's Creed Odyssey» geht auch in vielen anderen Bereichen noch stärker in Richtung Rollenspiel als der Vorgänger «Origins». Welche das sind, und vor allem, ob «Odyssey» Spass macht oder nicht, möchten wir Ihnen im Folgenden verraten.

Spannend und humorvoll

Assassins Creed: Impressionen
Quelle: Ubisoft
Wer «Assassin's Creed Origins» gespielt hat, wird sich gewiss noch daran erinnern, dass die Geschichte mit dem vielleicht nichtssagendsten Einstieg der Serienhistorie begann und auch darüber hinaus eher schleppend in Fahrt kam. «Assassin's Creed Odyssey» können wir von ähnlichen Schwächen nicht ganz freisprechen. Allerdings gelingt es Ubisoft im über gut drei bis vier Stunden ausgebreiteten Prolog doch erheblich besser, uns ins Abenteuer und die neuen Spielmechaniken einzuführen. Am Anfang lernen Sie Kassandra oder Alexios in ihrer aktuellen Rolle als Söldner kennen. Als Kind wurden Sie am Ufer von Kefalonia angespült und vom Händler Markos gefunden. So ganz grün waren die beiden einander nie, aber aus Dankbarkeit Ihrem Ziehvater gegenüber erledigen Sie alles, was er Ihnen aufträgt.
Schon bald jedoch erfahren Sie mehr über die Herkunft Ihres Helden, der einst als Kind aufgrund einer falschen Prophezeiung den Göttern dargeboten werden sollte. Weiter ins Detail möchten wir aus Spoilergründen dabei nicht gehen. Die Story allerdings entwickelt sich spannend und läuft in bestimmten Nebenquests Ihre «Odyssee» zur Höchstform auf. So begegnen Sie in einer der Nebenqueststränge etwa auch dem Orakel, das Sie damals praktisch mit seiner Weissagung zum Tode verurteilte und dürfen sich am Orakel rächen. Konstruierte Elemente gibt es allerdings ebenfalls. Die Verknüpfung mit einer obskuren Vereinigung namens «Kult des Kosmos», die Sie im Spiel entlarven und zur Strecke bringen müssen, wirkt bisweilen an den Haaren herbeigezogen.

Wuchtiges Kampfsystem

Assassins Creed: Impressionen
Quelle: Ubisoft
Während die Kämpfe in früheren Spielen der Reihe oft etwas statisch daherkamen und bisweilen anspruchsvoll wirkten, änderte Ubisoft mit «Origins» so einiges. «Assassin's Creed Odyssey» setzt den eingeschlagenen Pfad dabei konsequent fort und erhöht das Tempo. Während im Vorgänger noch vorwiegend mit Schild und Schwert gekämpft wurde, fühlen sich die Schlachten nun noch ein wenig direkter, schneller und wuchtiger an. Das Ausweichen gewinnt dabei besonders an Bedeutung, zumal das Timing für einen erfolgreichen Block etwas kniffliger ausfällt als letztes Jahr. Das führt auch bei Nutzung der Aufschaltfunktion zwar recht oft dazu, dass man auch mal ins Leere schlägt, tut dem insgesamt guten Spielgefühl in den Kämpfen aber keinen Abbruch.
Im Kampf setzen Sie eine Reihe grundverschiedener Waffengattungen wie Speere, Schwerter oder Dolche ein. Allein dadurch unterscheiden sich Feindbegegnungen enorm voneinander. Mehr Facettenreichtum kommt aber vor allem im Rahmen des Fähigkeitensystems hinein. So schalten Sie Spezialfähigkeiten wie das Entflammen Ihrer Waffe oder auch einen wuchtigen Kampftritt frei, die Sie aktiv ausrüsten müssen. Mit dem Tritt kicken Sie Gegner leichter in einen Abgrund, die entzündete Waffe wiederum sorgt für eine erhöhte Schadenswirkung und gewährt eine Chance darauf, den Gegner in Flammen zu stecken.

Stealth weniger nützlich

Assassins Creed: Impressionen
Quelle: Ubisoft
Natürlich gibt es wie gehabt auch Stealthfunktionen im Spiel, die Sie in einem gesonderten Fähigkeitenbaum ebenfalls verbessern können – oder durch perkähnliche Boni wie Waffengravuren oder Eigenschaften der Rüstungsteile. Wer heimlich vorgeht, hat auch den klaren Vorteil, dass er keinen Alarm auslösen wird und damit auch keine Anforderung einer Verstärkung provoziert. Wenn es allerdings darum geht, Feinde in einem Lager auszuschalten, ist das Schleichen nur bei gleich- oder niedrigstufigeren Gegnern wirklich effektiv. Liegen die Feinde eine oder gar mehrere Stufen über Ihrem Charakter, tötet sie ein Heimlichangriff nämlich im Regelfall nicht und Sie landen nach der lediglich verwundenden Attacke doch wieder in einem offenen Konflikt. Unterhaltsam an den Stealthoptionen sind deshalb vor allem die netten Finisher, die auch mal (in ihrer Art) humorvoll daherkommen. Denn Kassandra oder Alexios ziehen dem Gegner dabei auch mal die Unterhose heftig in den Schritt.
Generell aber bekommen Sie die Stufenunterschiede in «Assassin's Creed Odyssey» auch in den Kämpfen zu spüren. Ähnlich wie in «Origins» haben Sie nämlich erheblich schlechtere Karten im Kampf, wenn Sie stufentechnisch nicht wenigstens gleichauf liegen. Bereits eine Stufe bedeutet einen grossen Unterschied bei Schaden und Trefferpunkten, weshalb oft bereits ein, zwei Fehler im Kampf reichen, um aus den Latschen zu kippen. Besonders fies fallen die Begegnungen mit sogenannten Elite-Gegnern, also etwa Kommandanten in Lagern oder auch den anderen Söldnern, in der Spielwelt aus. Die sind auch bei identischer Stufe erheblich stärker und zäher als Sie. Deren Spezialfähigkeiten richtet Sie auch mal auf einen Streich – und es passiert eher selten, dass Ihnen nicht gleichzeitig noch ein weiterer oder gleich ein ganzes Dutzend anderer Gegner auf einmal im Weg stehen. Wer dann nach zehn Minuten Kampf stirbt und alle in dieser Zeit erzielten Fortschritte (oder manchmal auch mehr) bei der Rückkehr zum letzten Speicherpunkt verliert, ärgert sich besonders.

Kämpfen und erobern

Im Rahmen der Hauptquests werden Sie sich auch in den Peleponnesischen Krieg einmischen müssen und nehmen im Rahmen dessen an Eroberungsschlachten teil. Das geschieht je nach Gebiet aufseiten der Spartaner oder Athener, Sie dürfen die einzelnen Gebiete aber später auch noch einmal in umgekehrter Richtung erobern. Theoretisch können Sie diese Eroberungsschlachten relativ direkt starken, indem Sie den Anführer im jeweiligen Gebiet aufsuchen und ausschalten. Allerdings wird er wesentlich stärker bewacht, wenn Sie den Einfluss der herrschenden Fraktion nicht zuvor reduzieren. Das geht auf verschiedene Arten, letztlich aber läuft es auf ein paar reichlich generische Aufgaben hinaus. So erledigen Sie Hauptmänner, plündern den Staatsschatz in der Festung oder zerstören Kriegsvorräte. Da wäre sicherlich etwas mehr Varianz drin gewesen. Da aber gerade die Kämpfe Spass machen, können wir uns Schlimmeres vorstellen.
Assassins Creed: Impressionen
Quelle: Ubisoft
Die Eroberungsschlachten selbst sind nicht übermässig herausfordernd, wenn Sie den Widerstand komplett brechen. Tun Sie das allerdings nicht oder lassen vom Herrscher angeheuerte Söldner im aktuellen Gebiet am Leben, mischen die sich als zusätzliche Gegner in die Schlacht ein. Das kostet Sie im Regelfall so viel Zeit, dass die Hauptmänner, die Sie eigentlich primär umhauen müssten, aus Ihren normalen Fusstruppen rasch Hackfleisch machen. Allein der Anblick der riesigen Schlachten mit Hunderten NPCs auf einmal, entschädigt aber sogar für solche Zwischenfälle. Ein bisschen was für den Sieg tun, muss man halt schon, selbst auf dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad! Einen Vorteil durch freiwilliges Levelgrinding können Sie sich in «Assassin's Creed Odyssey» übrigens nicht verschaffen. Quests und Gegner werden hier vom Spiel automatisch auch mal nach oben angepasst.

Mein Schiff, meine Crew; Manchmal ist weniger mehr und Fazit

Mein Schiff, meine Crew

Quelle: Ubisoft
Mit «Assassin's Creed Odyssey» gewinnen auch die Schiffskämpfe wieder stärker an Bedeutung, die im Vorgänger ja im Prinzip nur in bestimmten Abschnitten der Hauptgeschichte auftauchten. Im Rahmen dessen haben Sie einige Möglichkeiten, neue Crew-Mitglieder anzuheuern, die perkähnliche Boni mitbringen. Damit Sie sie an Bord nehmen können, ist ebenfalls ein wenig Grinding notwendig. Denn der Ausbau des Rumpfes, den Sie zur Vergrösserung der Mannschaft benötigen, kostet viele Ressourcen – und von den Waffen-Upgrades Ihrer Truppen und Verbesserungen in anderen Bereichen haben wir noch gar nichts erzählt.
Motivierend ist das System dennoch geraten, gerade da Sie in storylastigen Nebenquests spezielle Mitstreiter gewinnen können. Da wäre zum Beispiel Odessa, die nach dem Abschluss ihrer Questreihe bereit ist, Ihnen zu folgen und sich von Ihnen zuvor womöglich übers Bettlaken hat scheuchen lassen. Zu sehen ist davon übrigens nichts – entblösste männliche Geschlechtsteile bei erledigten Gegnern hier und dort hingegen schon. Ob das Absicht war, wissen wir nicht. Aber nach weiblichen NPCs in «Watch Dogs 2», die ohne Unterwäsche durch die Welt laufen, muss man bei Ubisoft alles für möglich halten.

Manchmal ist weniger mehr

Assassins Creed: Impressionen
Quelle: Ubisoft
In der Spielwelt von «Assassin's Creed Odyssey» erwarten Sie aber natürlich noch wesentlich mehr Quests und Zusatzaufgaben, egal ob Jagdherausforderungen, unzählige Sammel-, Lager- oder kleine Rätselaufgaben. Das bezogen auf die Landmasse geschätzt wenigstens genauso grosse Griechenland ist zwar nicht enorm dicht damit vollgestopft. Trotzdem muss sich «Odyssey» insgesamt den Vorwurf des Überangebots gefallen lassen. Der Umfang mag hier der Hauptstory nicht ganz so abträglich sein wie im Vorgänger, obwohl Ubisoft das Nebenangebot eher ausweitet als reduziert. Aber so verloren wie teilweise in «Odyssey» kamen wir uns in Ägypten nicht vor.
Grundsätzlich reduziert Ubisoft das Levelgrinding allerdings stärker als in «Origins». Sie werden um Nebenquests oder generierte, meist zeitbefristete Nebenaufgaben kaum herumkommen, wenn Sie die nächste Hauptmission nicht ohne grossen Nachteil angehen möchten. Aber bei uns ging es dabei im Regelfall um eine, höchstens zwei Stufen, während es in «Origins» manchmal auch drei oder vier waren, die uns fehlten.

Fazit

Im Prinzip ist «Assassin's Creed Odyssey» trotz des anderen Settings eigentlich nur eine konsequente Fortführung des Spielkonzepts aus «Origins». Beim Kampfsystem legen die Macher zu, genauso wie bei der Integration der Rollenspielelemente. Das Entscheidungssystem mag dabei nicht ganz so weit gehen, wie es vielleicht möglich wäre, aber gerade das ausgebaute Charaktermanagement wäre eines RPGs würdig – kann aber auch mal in Arbeit ausarten. Dass im Rahmen dessen erneut Mikrotransaktionen (Preise konnten wir zum Testzeitpunkt noch nicht einsehen) gegen Echtgeld Vorteile bringen, mag man bedauerlich finden. Wir hatten allerdings nie das Gefühl, dass wir uns dazu in irgendeiner Form genötigt hätten fühlen können.
Trotzdem uns aber die Geschichte in «Odyssey» besser gefällt und das Spiel in Details einiges besser macht als sein Vorgänger, weitet Ubisoft auch das in «Origins» nicht gerade dezente Überangebot aus. Da möchte man manchmal regelrecht schreien «Genug ist genug!». Mit dieser Ausweitung des Überflusses bewegt sich Ubisoft in eine Richtung, die der französische Publisher keinesfalls auch nur noch einen Schritt weiter gehen darf. Obwohl der Autor dieser Zeilen «Odyssey» unterm Strich persönlich sogar etwas mehr schätzt als «Origins», landet das Abenteuer im antiken Griechenland am Ende wertungstechnisch dennoch leicht hinter seinem Vorgänger.
Assassin's Creed Odyssey
Positiv: Spannendes Setting mit interessanter Hauptfigur, gute Grafik und Inszenierung, Wuchtig-actionreiches Kampfsystem, viele storylastige Missionen, spassige Belagerungsschlachten, viele sinnvoll integrierte Rollenspielelemente, mehr Einflussnahme durch Entscheidungen
Negativ: Autosavesystem dürfte häufiger greifen; in manchen Bereichen (etwa Grösse der Welt) wäre weniger oft mehr
Details: Adventure-Game für PC, PS4 und Xbox One X, Deutsch
Strassenpreis: ab Fr. 62.90
Info: ubisoft.com



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