Firmen 07.10.2019, 13:48 Uhr

Huawei-Interview: «5G schafft 140'000 Jobs in der Schweiz»

Huawei ist für den 5G-Ausbau beim Schweizer Mobilfunkkonzern Sunrise zuständig. Im Interview spricht Huaweis Schweizer Vice President Felix Kamer über den Nutzen von 5G, Strahlenwerte und das Google-Problem.
Felix Kamer: Vice President bei Huawei Technologies Switzerland
(Quelle: Huawei)
Die Mobilfunktechnologie 5G hat das Potenzial, die Kommunikationsbranche grundlegend umzukrempeln und Huawei Technologies Switzerland steht als zentraler End-to-End-Lösungsanbieter mittendrin. Drei Beispiele, die das enorme Anwendungsspektrum aufzeigen: Im Automobilsektor sorgt die Technologie für einen Schub beim autonomen Fahren, denn mit 5G wird nicht nur Echtzeitnavigation möglich, sondern auch das Übermitteln von Verkehrsdaten und deren Verarbeitung beschleunigt sich. Im Mobilfunk können per 5G über weite Strecken etwa 8K-Videos gestreamt werden. Und auch das IoT (Internet der Dinge) profitiert von 5G. Bei allen Vorteilen muss natürlich auch das Strahlenrisiko, das mit 5G als Funktechnologie entsteht, neu beurteilt werden. Kurzum: Mit «5G» stehen viele Entscheide und auch Fragen an, denen sich Felix Kamer, Vice President Huawei Technologies Switzerland, im Rahmen unseres Interviews gestellt hat.
Info zur Person: Felix Kamer (54) ist Vice President bei Huawei Technologies Switzerland und seit 25 Jahren in der ICT-Branche tätig, unter anderem war er bei IBM und Swisscom. Ab 2008 prägte er den Aufbau von Huawei Schweiz massgeblich mit. Im Jahr 2018 arbeitete er ein Jahr am globalen Hauptsitz in Shenzhen (China) und ist seit diesem Jahr zuständig für Public Affairs & Communication.

Wofür ist Huawei beim 5G-Ausbau zuständig?

NMGZ: Wofür ist Huawei beim 5G-Ausbau in der Schweiz zuständig?
Felix Kamer, Vice President Huawei Technologies Switzerland: Huawei liefert End-to-End-Lösungen für 5G-Netze und ist damit komplett in den 5G-Prozess eingebunden. Das 5G-Netz fusst grundsätzlich auf drei verschiedenen Komponenten, die zusammenspielen müssen: Mit dem Begriff Funkzugangsnetz, das auch «Radio Access Network» genannt wird, sind Basisstationen (Antennen) gemeint, die 32 oder auch 64 Receiver-Einheiten beinhalten. Das Innovative daran: Die Einheiten erkennen neu, wo viele Smartphones sind, und können sich automatisch darauf ausrichten. Die zweite Säule unseres 5G-Netzwerks sind die (Glasfaser-)Verbindungen, auch als «Transport Network» bezeichnet. Das Trägermedium ist für den Transport der Daten von den Basisstationen in die Zentralen zuständig. Das ist nicht ein neues Netz, aber es benötigt ein Upgrade für 5G. Dritter Pfeiler ist das sogenannte «Core Network», quasi das Herzstück des 5G-Netzwerks. Es stellt eine Art übergeordnete «Intelligenz» im 5G-Netzwerk dar. Sie wird «cloudifiziert» und damit in der von uns bezeichneten «Telco Cloud» zur Verfügung gestellt. So erst kann darauf permanent und von überall aus zugegriffen werden, wo 5G im Einsatz ist. Zu einer ihrer typischen Aufgaben zählt etwa das Managen eines Videostreams, um ihn beim Endgerät in gewünschter Qualität erst abrufbar zu machen und schliesslich auch darzustellen. Daneben stellt Huawei als derzeit einziger Netzwerkhersteller zusätzlich 5G-fähige Endgeräte bereit, unter anderem 5G-Smartphones, wie das Huawei Mate 20X (5G), und Router.
5G-Antenne: Huawei baut für Sunrise das 5G-Netz
Quelle: Sunrise
Warum ist der Netzausbau mit 5G so wichtig?
Felix Kamer: 5G bringt der Schweiz einen massiven Produktionszuwachs. Eine Studie des Schweizerischen Verbandes der Telekommunikation (asut) zeigt einen Zuwachs des Produktionswerts von über 42 Milliarden Franken, wenn 5G schnell eingeführt wird. Damit werden ca. 140'000 Arbeitsplätze geschaffen. Der Bundesrat hat mit der raschen Vergabe der 5G-Lizenzen in diesem Frühjahr gezeigt, wie wichtig ihm der schnelle Netzausbau ist. Damit kann die Schweiz zur Vorreiterin einer Entwicklung werden, die für den Wohlstand des Landes eine ausserordentlich wichtige Rolle spielt.

Strahlungssicherheit und Grenzwerte von 5G

Mit welchen technischen und infrastrukturellen Problemen ist der Ausbau konfrontiert?
Felix Kamer: 5G ist eine neue Generation von Mobilfunk mit vielen neuen Funktionen. Diese werden fortlaufend verbessert. Wir haben eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen Huawei Switzerland und unserer Entwicklungsabteilung am Hauptsitz (in Shenzhen, China; Anmerkung der Redaktion). Spezifisch für die Schweiz sind die Herausforderungen mit den sehr tiefen Grenzwerten und den vielen Einsprachen. Dies verzögert den Netzausbau deutlich, erhöht aber die Strahlungssicherheit nicht. Denn wenn es tiefere Grenzwerte gibt, müssen mehr Antennen aufgestellt werden, um die Nachfrage zu befriedigen. Die effektiv empfangene Strahlung über einen Tag sinkt also nicht, sondern wird anders verteilt.
Die Pyramide der 5G-Anwendungen
Quelle: Cablelabs
Wer und welche Branchen profitieren vom 5G-Ausbau?
Felix Kamer: Viele Branchen werden auf der Basis von 5G neue Geschäftsmodelle entwickeln können, zum Beispiel die Gaming-Anbieter mit AR-/VR-Spielen, die Versicherungsindustrie mit neuen Modellen, die auf Daten aus Crash-Sensoren oder Health-Trackern beruhen oder die Anbieter von Smart-Home- und Smart-City-Applikationen. Aber auch die Industrieproduktion kann ihre Effizienz und Produktivität mit neuen Robotern steigern. Für die Landwirtschaft wird es spannende, neue Anwendungsfelder für effizientere Bewirtschaftung geben. Daneben profitieren natürlich Betreiber, die das Netz kommerziell vermarkten, Hochschulen, die neue Forschungsgebiete entwickeln, die Firmen, welche die Netze bauen und auch wir als Technologieanbieter.
Wann ist der 5G-Ausbau voraussichtlich komplett abgeschlossen?
Felix Kamer: Wie bei 3G und 4G ist 5G nie komplett abgeschlossen. Es ist mehr als ein kontinuierlicher Entwicklungsprozess zu verstehen, der uns sicher während den nächsten zehn Jahren begleiten wird. Daneben ist der 5G-Ausbau natürlich auch branchenabhängig und wird je Unternehmen auch stark an Tempo aufnehmen, um schneller bereitzustehen.

Ist ein Ausschluss von Huawei als 5G-Lösungsanbieter denkbar?

Ist in der Schweiz ein Ausschluss von Huawei als 5G-Lösungsanbieter denkbar – so wie in den USA?
Felix Kamer: Niemand in der Schweiz diskutiert oder plant einen Ausschluss von Huawei, wir haben eine sehr gute Zusammenarbeit mit den Behörden und unseren Kunden.
Wie viele Huawei-Mitarbeiter sind in der Schweiz für den Ausbau von 5G zuständig?
Felix Kamer: Bei Huawei sind dauernd ca. 50 Personen mit dem Design des 5G-Netzwerks und dessen Implementierung beschäftigt. Der effektive Rollout wie das Aufstellen der Antennen ist an Drittfirmen ausgelagert.
Huawei Mate 20X (5G): Huaweis erstes 5G-Handy
Quelle: Huawei
Noch eine Frage für die Nutzer von Geräten wie Huawei-Smartphones oder -Routern: Was passiert, wenn Google seine Dienste rund um Android für Huawei nicht mehr anbietet?
Felix Kamer: Android läuft nur auf Smartphones, alle anderen Endgeräte sind somit nicht betroffen. Aber auch für alle Smartphones im Besitz von Kunden oder Geräte, die derzeit erhältlich sind, ändert sich nichts. Wir garantieren weiterhin alle Google-Dienste sowie -Updates.



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