Digitale ID: Schweiz droht neues Paymit/Twint

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Thierry Kneissler, Gründer und CEO von Twint, weiss sich in der komfortablen Situation, dass seine Lösung von allen grossen Playern der Schweizer Finanzindustrie unterstützt wird. Seitdem die Wettbewerbskommission Weko im September letzten Jahres der Fusion von Paymit und Twint zugestimmt hat, konnten er und sein Team arbeiten. Das neue Twint werde wie geplant im April lanciert, sagte Kneissler an der «Finance 2.0». Damit widersprach er einer Aussage von Twint-Verwaltungsratspräsident Jürg Weber, der zuletzt von weiteren Verzögerungen gesprochen hatte.
Thierry Kneissler von Twint freute sich über grossen Zuspruch der Schweizer Banken © computerworld.ch

Kneissler berichtete von sechs Banken, die noch im ersten Halbjahr eine Twint-App lancieren werden: Credit Suisse, Raiffeisen, PostFinance, UBS sowie die Waadtländer und Zürcher Kantonalbanken. Zusätzlich werde es eine eigenständige Twint-App geben. Anschliessend würden weitere 32 Banken noch Apps oder Bezahlfunktionen anbieten. Auf der Händlerseite seien neben Coop auch alle anderen grossen Detailhändler dabei. Das Migros-Logo war in Kneisslers Präsentation zwar zu sehen, da ein prinzipielles Bekenntnis des Grossisten zu Twint existiert. Jedoch erneuert die Migros zusammen mit dem Lieferanten 4POS aktuell ihre rund 12'500 Kassensysteme, was allenfalls zu Verzögerungen bei der Einführung von Mobile Payment führt.

Banken müssen Kundenschnittstelle öffnen


Den Detailhändlern könnte in der Finanzwelt von morgen eine neue Rolle zukommen. Hintergrund ist die Vorschrift «PSD2» (Payment Services Directive 2) der EU, die Banken verpflichtet, Dritten den Zugriff auf Kundenkonten zu gewähren. In der Europäischen Union tritt die Direktive per Januar 2018 in Kraft, sagte Thomas Ruck, Managing Director von Accenture Digital. Über die Umsetzung von «PSD2» in der Schweiz sei aber noch nicht entschieden.
Accentures Thomas Ruck sieht Detailhändler als neue Wettbewerber für Banken © computerworld.ch

Damit drohen zumindest den EU-Banken nach 2018 herbe Verluste: «Banken riskieren es, bis zu 40 Prozent ihrer Umsätze zu verlieren», sagte Ruck. Denn durch den direkten Kontozugriff von Online-Shops oder elektronischen Bezahldiensten könnten Einkäufe oder Transaktionen ganz ohne den Intermediär – die Bank – geschehen. Zum Beispiel könnte der Preisvergleichsdienst Comparis registrieren Benutzern einen Service anbieten, der eine Ware automatisch kauft, wenn ein festgelegter Preispunkt unterschritten ist. Ein anderes Beispiel: Digitec bietet seinen Kunden für kostspielige Heimelektronik einen Kredit an und wickelt ihn per Mausklick ab. Oder: Im Jelmoli-Warenhaus bekommen Kunden bei Kartenzahlung personalisierte Rabatte aufgrund der Banktransaktionen oder des historischen Warenkorbs. Der Accenture-Experte wusste von diversen weiteren Szenarien, die alle eins gemeinsam haben: Die Banken verlieren die Visibilität.

Die Schweizer Finanzwirtschaft nimmt die Herausforderungen durch die Digitalisierung und Technologie durchaus ernst. Das lässt sich allein an den Teilnehmerzahlen der «Finance 2.0» ablesen: Die Konferenz war mit über 420 Gästen erneut ausverkauft, sagte Mitveranstalter Rino Borini der Computerworld. Ihn freute besonders, dass auch die neuen Zahlungsoptionen gut angenommen wurden: Immerhin sechs Eintrittskarten wurden mit Bitcoins gekauft.




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