Gesetzesänderung 07.03.2017, 14:35 Uhr

Ab 1. Juli: Ohne Ausweis keine SIM-Karte

In Kürze darf ohne Ausweis-Check in Deutschland keine SIM-Karte mehr aktiviert werden. Der stationäre Handel hat damit weniger Probleme als die Online-Händler und Lebensmittel-Discounter wie Aldi und Co.
(Quelle: Vodafone)
Am 1. Juli ist es so weit: Von diesem Tag an darf in Deutschland keine Mobilfunkkarte mehr ohne vorherige Überprüfung und Registrierung der Identität des Käufers anhand eines Ausweis­dokuments aktiviert werden. Grund für diese Gesetzesänderung sind unter anderem die Anschläge von Brüssel und Paris, denn hier kommunizierten die Attentäter über Prepaid-Karten, um anonym zu bleiben. Mit der Neufassung von Paragraph 111 des Telekommunikationsgesetzes soll dies nicht mehr möglich sein, jeder Käufer muss künftig registriert werden. In der Schweiz ist die Ausweispflicht schon lange da.
In den Medien wird mitunter von einer der grössten und tiefgreifendsten Änderungen in der Mobilfunkwelt gesprochen – doch wie sehr ist auch der stationäre Handel davon betroffen? Telecom Handel hat bei einigen Händlern nachgefragt.
Manche sehen sich davon nicht (mehr) berührt, da sie das Prepaid-Geschäft mangels Marge schon vor langer Zeit eingestellt haben. „Ich habe mich komplett aus dem Prepaid-Geschäft verabschiedet, da es sich in meinen Augen einfach nicht lohnt. Die meisten Kunden lassen sich ohnehin von den Vorteilen einer Vertragskarte überzeugen, und auch im Vertragssegment gibt es Karten, die schon für zehn Euro monatlich erhältlich sind“, so Chris Sassmann, Filialleiter bei Fonland.

Prepaid-Geschäft spielt oft gar keine Rolle mehr

Alle Händler führen zudem unisono an, dass sie bereits heute schon keine Karte ohne Ausweis-Kopie über den Tresen schieben. „Nicht aktivierte Karten verlassen, auch aus Gründen der Provisions­abrechnung, das Haus nicht“, sagt Hans Jörg Degen, Inhaber von Handyshop Degen in Niederzissen in Rheinland-Pfalz. „Bei der Telekom muss man auch immer PA-Nummer und Gültigkeit sowie den Ausstellungsort bei der Bestellaufnahme eingeben. Alle anderen Anbieter gehen sehr lasch damit um“, moniert ein Reseller aus Chemnitz.
„Wir schalten schon seit Jahren die Karten frei, sobald der Kunde seinen Ausweis vorlegt“, erklärt Ingo Heilig, Inhaber von Ingo Heilig Kommunikation aus Nordhorn. Und auch wenn er das Thema insofern nicht allzu hoch hängen möchte, ist er dennoch gespannt, wie die Netzbetreiber hier weiter vorgehen werden: „Lassen wir uns mal überraschen.“
Den Bereich, den die Gesetzesänderung deutlich stärker betrifft, schneidet An­dreas Bischof an, Inhaber von Abicos Systems aus Horb am Neckar: „Da bei uns generell alle Mobilfunkkunden, egal ob Prepaid oder Postpaid, legitimiert werden und wir zudem die auf dem Postweg versendeten Karten erst nach einer eindeutigen Identifizierung freischalten, ändert sich für uns vorerst nichts.“
Diese Möglichkeit der nachträglichen Freischaltung nach dem Kauf müssen künftig alle Online-Händler und auch alle Drogeriemärkte, Lebensmittel-Discounter, Tankstellen et cetera anbieten – und das ist nicht ohne Weiteres möglich. Denn die beim Handel längst durchgeführte Prüfung und Registrierung der Identität des Kunden ist an der Aldi-Kasse ebenso wenig realisierbar wie an der Tankstelle. „Ich denke, dass die Registrierpflicht eher den Onlinern das Leben etwas schwerer machen dürfte oder den Tankstellen und Poststationen, die Prepaid-SIM-Karten als Verkaufsprodukt führen“, sagt denn auch Oliver Runkel, Geschäftsführer R&L Telecommunication aus Limburg.

Netzbetreiber hüllen sich in Schweigen

Doch inwieweit sind die Netzbetreiber und Service-Provider Stand heute schon auf den 1. Juli und die kommenden Anforderungen eingestellt? Auf Nachfrage der Redaktion kam von Congstar – unter deren Dach auch die beiden Marken Ja-­Mobil und Penny Mobil fallen – folgende Antwort: „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir aktuell noch keine Detailauskünfte geben. Wir erarbeiten aktuell Lösungen und möchten an dieser Stelle noch einmal auf eine gemeinsame Position der Telekommunikationsbranche verweisen, die der Bitkom im vergangenen Jahr veröffentlicht hat.“
Darin heisst es unter anderem: „Die von der Bundesregierung geplante Einführung einer verpflichtenden Identitätsprüfung beim Kauf von Prepaid-SIM-Karten führt nach Einschätzung des Digitalverbands Bitkom zu nichts – ausser zu mehr Bürokratie.“ Der VATM sieht die Änderungen ebenfalls skeptisch: „Die Politik ist in der Frage, ob anonyme Kommunikation möglich sein soll, sehr inkonsistent. Zum einen wurde mit der Telemediengesetz-Novelle der Weg zu offenen WLAN-Netzen geebnet. Zum anderen werden zur Terrorismusbekämpfung schärfere Identitätskon­trollen für Prepaid-Kunden eingeführt“, so Geschäftsführer Jürgen Grützner.
Hubert Kluske, Geschäftsführer der  Mobilcom-Debitel Shop GmbH
Quelle: Freenet
Auch bei Drillisch wollte man sich nicht äussern, von Telefónica und Vodafone war überhaupt keine Antwort zu bekommen. Lediglich Mobilcom-Debitel zeigte sich offenherziger. Die CheckTech Service GmbH, ein Schwesterunternehmen von Mobilcom-Debitel, hat demnach ein Web-Ident-System entwickelt, das bereits für das Credit-Geschäft auf der Website www.mobilcom-debitel.de genutzt wird und von der Bundesnetzagentur zertifiziert ist.
„Zum 1. Juli wird auf dieser technischen Basis auch die Verifizierung der Legitimationspapiere von Prepaid-Produkten im Online-Vertrieb unter Einhaltung aller gesetzlichen Vorgaben möglich sein“, versichert Hubert Kluske, Geschäftsführer der Mobilcom-Debitel Shop GmbH. Und er führt weiter aus: „Auch wenn die neuen Vorschriften einen grossen bürokratischen Aufwand nach sich ziehen, bevorteilen sie den stationären Handel.“

Keine Details bekannt

Wie weit die anderen Anbieter mit ihren eigenen Lösungen sind, lässt sich indes nur vermuten. Doch allein die Tatsache, dass weniger als vier Monate vor dem Start noch keine Details genannt werden können, ist kein gutes Zeichen. Möglicherweise setzen Telekom, Vodafone und Telefónica auf die Lösung des Anbieters IDnow, die bereits fertig verfügbar ist. „Derzeit sind wir mit vielen grossen Mobilfunkanbietern im Gespräch, dürfen aber momentan noch keine Namen nennen“, erklärt Michael Sittek, Geschäftsführer IDnow, auf Nachfrage von Telecom Handel.
Die Lösung der Münchner kommt bereits bei vielen anderen Partnern wie etwa Banken oder Versicherungen zum Einsatz und wird über eine Smartphone-App beziehungsweise den Browser des PC realisiert. Stark vereinfacht dargestellt hält der zu verifizierende Kunde in einem Videochat sein Ausweisdokument in die Kamera von Smartphone oder PC, im Anschluss findet eine Überprüfung und im Erfolgsfall die Freigabe statt – alles in wenigen Minuten.
„Unsere Software ist dabei so präzise, dass sie jede Abweichung des gezeigten Ausweisdokuments von der Norm erkennt. Ergänzend dazu sind unsere Ident-Spezialisten explizit darauf geschult, anhand spezieller Fragetechniken herauszufinden, ob die Identität einer Person stimmt und diese weiss, wofür sie sich identifiziert“, so Sittek.
Der Ausweis wird einfach vor die Kamera gehalten, die Mitarbeiter im Videochat sind geschult, eventuelle Betrugsversuche sofort zu erkennen.
Quelle: IDnow
Doch nicht nur IDnow ist in diesem Segment aktiv, auch beim Distributor Michael Telecom hat man sich Gedanken über die Zeit nach dem 1. Juli gemacht – und eine eigene Lösung entwickelt, die auch bei den Carriern und Service-Providern zum Einsatz kommen soll. Anders als bei IDnow soll die Lösung der Bohmter aber auch im stationären Handel genutzt werden. Prokurist Magnus Michael verweist in diesem Zusammenhang auf die bislang gängige Praxis, wonach die Händler eine Kopie des Ausweises zusammen mit den Daten zur SIM-Karte in das Freischaltprogramm des jeweiligen Anbieters eingeben – dieser führt allerdings nur Stichproben durch, Michael spricht hier von maximal fünf Prozent aller Vorgänge. „Ein möglicher Betrug wird aufgrund des manuellen Aufwands erst nach circa sechs bis acht Wochen erkannt“, so Michael.
Seine Lösung sieht vor, dass der Nutzer seine Daten und die der SIM über eine App mithilfe der Smartphone-Kamera eingibt, diese werden auf zwei separaten Datenbanken gespeichert, auf die auch das Bundeskriminalamt Zugriff hat. Die Überprüfung erfolgt direkt über die Netzbetreiber und Provider, auch ein Rollout auf andere europäische Länder sei möglich, versichert Magnus Michael auf Nachfrage der Redaktion.
Damit reagiert er auch auf einen Kritikpunkt, den beispielsweise der VATM vorbringt.
„Kriminelle und Terroristen können Prepaid-Karten weiterhin ausserhalb von Deutschland ohne strenge Identitätsprüfung beziehen und hierzulande über (künftig kostenloses) Roaming einsetzen. Eine solche Regelung greift ohne eine internationale oder zumindest einheitliche europäische Regelung ins Leere“, so Geschäftsführer Jürgen Grützner.




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