"Youtube hat bei Video-Werbung die Nase vorn"

"Weniger Kommerzialisierung ist mehr Glaubwürdigkeit"

Wann werden die Clips der Youtuber für Werbungtreibende interessant, um Werbung zu schalten?
Seehaus: Steigt die Anzahl der Video- und Kanalaufrufe eines Youtubers oder Content Creators, so wird dieser zunehmend für Werbungtreibende interessant. Über das gezielte Schalten von Anzeigen vor einem bestimmten oder vor allen Videos eines Kanals entsteht eine Win-Win-Situation für Werbungtreibenden und Content Creator: Die Werbungtreibenden erreichen eine spezielle und durch das Kernthema des Kanals definierte Zielgruppe, während die Content Creator für jede einzelne Werbeeinblendung vor ihren Videos vergütet werden. Für den Nutzer heisst es hingegen häufig, dass zum Teil unliebsame PreRoll-Anzeigen angeschaut oder, wenn denn möglich, übersprungen werden müssen, um zum eigentlich gewählten Video zu gelangen. PreRoll-Anzeigen mit zu hoher Wiederholungsrate und mit plumpen Produktplatzierungen werden dabei indirekt durch die Nutzer und direkt durch den Algorithmus "bestraft". Überspringen Nutzer eine PreRoll-Anzeige häufig, so verschlechtert sich die Aufrufrate, das Verhältnis aus Aufrufen zu Impressionen. Der Youtube-Algorithmus errechnet daraus, dass die Relevanz der Videoanzeige für die Nutzer abgenommen hat. Die Folge ist, dass der Preis für einen Videoaufruf steigt. Zur Werterhaltung der Reichweite müssen neben dem Aufrufpreis und der Aufrufrate unbedingt auch weitere Faktoren wie die durchschnittliche Impressions- und Wiedergabehäufigkeit sowie die Wiedergabedauer im Auge behalten werden. Sie sind die besten Indikatoren und Frühwarnsysteme für eine zunehmende Sättigung der Zielgruppe mit einer PreRoll-Anzeige.
               
Aktuell werden die Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Youtube-Stars und Netzwerken in den Medien heiss diskutiert. Glauben Sie, dass die Konflikte Werbungtreibende eher verschrecken oder dass so der Werbekanal Youtube vielleicht sogar eher interessanter wird?
Seehaus: Der Ausstieg von Simon Unge und Ape Crime aus dem Youtube-Netzwerk Mediakraft war in den vergangenen Tagen ein viel diskutiertes Thema. Grund zur Beunruhigung haben Werbungtreibende aber nicht. Die Aussteiger haben angekündigt, weiterhin Videoinhalte unabhängig von Netzwerken zu erstellen. Sie bleiben Youtube und damit den Werbungtreibenden also erhalten. Den Aufrufzahlen ihrer Videos wird dies auch nicht schaden, da die Nutzer stärker an den Youtubern und deren Inhalten interessiert sind als an deren Zugehörigkeit zu einem Netzwerk. Die zusätzliche mediale Aufmerksamkeit wird Youtube eher zu Gute kommen. Von sinkenden Aufrufzahlen und damit einer Abnahme der Attraktivität für Werbungtreibende ist nicht auszugehen.
 
Wie viel Kommerz verträgt ein Clip der Stars im Internet? Beziehungsweise: Kratzt die Kommerzialisierung irgendwann an der Glaubwürdigkeit?
Seehaus: Unter kommerziellen Gesichtspunkten sollte man meiner Meinung nach zwischen Sponsoring und Product Placement differenzieren. Videos als Kommunikationsmedium sind bestens geeignet, um sich als Sponsor für einen prominenten Youtuber gekonnt und werbewirksam in Szene zu setzen - solange der Youtuber im Vordergrund steht und die Marken- bzw. Produktkommunikation dezent erfolgt. Nicht zu vergessen: Die Nutzer sind primär am Youtuber, seinen Inhalten und Botschaften interessiert. Plumpe Produktplatzierungen schaden sowohl den Youtubern wie auch den beworbenen Produkten und Marken. Sie verankern sich negativ im Gedächtnis der Nutzer, kratzen an der Glaubwürdigkeit des Youtubers und beschädigen das Image der Werbungtreibenden. Beim Product Placement auf prominenten Kanälen gilt besonders: Weniger Kommerzialisierung ist mehr Glaubwürdigkeit.



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