Wohin geht die Twitter-Reise?

Kulturelle und sprachliche Hürden

Trotz der berechtigten Euphorie und Aufbruchstimmung hat Twitter auch mit Problemen zu kämpfen. Das lässt sich bereits in den Statistiken zu den weltweit monatlich aktiven Nutzern (MAU) ablesen. Vom ersten zum zweiten Quartal 2015 stieg die Zahl der Nutzer gerade einmal um zwei Millionen (302 zu 304 Millionen MAU). Zum Vergleich: Trotz grösserer Nutzerzahl und höherer Marktsättigung gewann ­Facebook 49 Millionen User hinzu (1,441 zu 1,49 Milliarden MAU).
Insbesondere in Deutschland hat Twitter mit einer geringeren Verbreitung und niedriger Akzeptanz zu kämpfen. Einen Erklärungsansatz liefert "We are Social"-Manager Scherbeck: "Einerseits gibt es den sprachlichen Hintergrund, Deutsch ist komplexer als Englisch, andererseits hat es kulturelle Hintergründe. Die Deutschen sind verschlossener als die Amerikaner."
Die sprachliche Hürde entsteht, weil deutsche Wort- und Satzkonstruktionen häufig komplizierter und somit auch zeichenintensiver sind als englische. Für ­ihren Tweet bleiben Publishern und ­Advertisern häufig nur noch 90 Zeichen. Wenig Platz für eine aussagekräftige Botschaft.
Doch das könnte bald vorbei sein. Twitter-CEO Dorsey hatte in einem Gespräch angedeutet, dass darüber nachgedacht wird, das Markenzeichen des Dienstes aufzugeben. Damit gäbe es zur Social-Media-Konkurrenz kaum noch Unterscheidungsmerkmale. "Wenn Twitter seine 140-Zeichen-Begrenzung aufgibt, verliert es seinen USP", fasst Scherbeck die Problematik zusammen.
Webguerillas-Inhaber Eicher sieht die ­Risiken an einer anderen Stelle. "Das Problem ist, dass amerikanische Plattfomen generell darauf aus sind, klassische Werbeplätze zu vermarkten. Eine individuelle Koopera­tion mit Unternehmen findet eigentlich nicht statt." Dabei wäre gerade dies ein Weg, den Werbungtreibenden näherzukommen.
Grosses Potenzial bietet da die Livestreaming-App Periscope. Zwar gibt es auf der Plattform noch keine direkten Werbeformate, laut de Buhr sind diese aber bereits in Planung. Schon heute kann die Anwendung zur ­unkomplizierten Bewegtbildproduktion und zum Aufbau einer Fan-Base genutzt werden.
"Periscope kann dem Unternehmen Twitter weiterhelfen, dem Produkt allerdings weniger", meint Scherbeck. Ob Unternehmen das technische und kreative Know-how aufbringen, muss sich zeigen. Unabhängig von Periscope bleibt Twitter für Advertiser ein brisantes Thema. Über das, was passieren wird, werden wir sicher lesen - vielleicht auf Twitter.



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