Neue Social Media-Strategie 19.09.2018, 15:33 Uhr

Was kann Snapchat aus der Krise retten?

Snap steht kurz vor dem Absturz in die Bedeutungslosigkeit - ironisch, ist der einstige Börsen-Jungstar doch nach wie vor eine der innovativsten Firmen im glitzernden Silicon Valley. Kann es eine neue Social Media-Strategie richten?
Da half auch das schöne Model nicht: Die Kamerabrille Spectacles war ein Flop und brachte dem Unternehmen Snap einen Verlust von mehreren Millionen US-Dollar.
(Quelle: Snap)
Es ist eine Denkweise, der sich viele Start-ups, gerade im Digitalbereich, verschrieben haben - auch Amazon verfolgte die Strategie jahrelang: Schnelles Wachstum als höchstes Ziel, die Profitabilität zweitrangig. Die Gewinne werden schon kommen, sobald genügend Nutzer gewonnen sind. Bei Snap, Mutter der App Snapchat, könnte sich der Ansatz nun rächen.
Sorgte vor wenigen Jahren der Name Snapchat noch für ein Leuchten in den Augen junger, Smartphone- und Social Media-affiner Nutzer, gibt es jetzt nur noch ein müdes Lächeln. Insta ist "the place to be", dort werden Bilder und Videos gepostet, egal ob als Shortclip in Echtzeit oder als TV-ähnliches Format. Ironisch, ist doch eigentlich Snap die Innovationsquelle für die schöne, neue Stories-Welt.

Spectacles gefloppt

Im 2. Quartal 2018 belief sich der Umsatz von Snap auf rund 262,3 Millionen US-Dollar. Das ist ein Plus von über 44 Prozent. Zudem wurde der Quartalsverlust von 443 Millionen US-Dollar im Vorjahr auf 353 Millionen verringert. Das sind erfreuliche Zahlen, deren Erfolg von einer Tatsache jedoch deutlich geschmälert wird: Erstmals hat Snapchat Nutzer verloren.
In den drei Monaten bis Ende Juni sank die Zahl der täglich aktiven User im Vergleich zum Vorquartal um zwei Prozent auf 188 Millionen. Hochrangige Manager haben das Unternehmen verlassen, darunter Finanz-Chef Andrew Vollero und Strategie-Chef Imran Khan. Der Aktienkurs ist von 27 auf aktuell neun US-Dollar eingebrochen.
Zu allem Übel musste man auch einen Hoffnungsträger aufgeben: Das einstige Hype-Gadget Spectacles brachte nur Millionenverluste - lediglich 250.000 Einheiten seiner Video-Sonnenbrillen konnte Snap bislang absetzen. Produziert wurden aber eine Million Geräte. Das sorgte für eine Abschreibung in Höhe von 40 Millionen US-Dollar - und unzufriedene Nutzer, die das Device nicht weiter verwendeten.

Zeit für ein neues Geschäftsmodell

Zeit also, dass sich der brilliante Kopf hinter Snapchat, Evan Spiegel, etwas einfallen lässt, um sein sinkendes Schiff zu retten. Wenig hilfreich dürfte der Neuversuch in Sachen Spectacles sein: Die zweite Generation der Brille soll noch im Herbst erscheinen, jegliche Programmfehler beseitigen und eine bessere Performance bieten. Vorsichtshalber wird das Gerät aber diesmal in kleineren Stückzahlen produziert. Eine dritte Generation ist bereits für das Jahr 2019 angedacht.
Profitabler könnte da schon eher das neue Projekt "Curated Our Stories" werden. Zusammen mit 20 Publisher-Partnern wie CNN, Cosmopolitan, Lad Bible oder NowThis ging das neue Geschäftsmodell von Snap vor wenigen Tagen an den Start.
Die Publisher können dabei aus vorhandenen Inhalten eigene Snapchat-Stories zusammenbasteln und diese auf ihren eigenen Webseiten einbauen. Das heisst, der Content steht nicht nur Snapchat-Nutzern zur Verfügung.
Die kuratierten Inhalte stammen von den Usern, also Laien, die ihre Videos auf die Plattform laden. In den Stories selbst kann Werbung geschaltet werden, die Einnahmen werden zwischen Snap und den Publishern geteilt, schreibt Techcrunch.

Die nächste Medienrevolution

Der Clou an der Sache: Publisher bekommen authentischen Content in Echtzeit, der im Wettbewerb mit der Konkurrenz bei aktuellen Geschehnissen entscheidend sein kann. Die Nutzer werden zu Laienreportern, das Konzept erinnert an Crowdsourcing. Alles in allem für Evan Spiegel "die nächste Medienrevolution".
In der Tat ist das keine Untertreibung, das Modell hat Potenzial, den Journalismus zu verändern und vor allem die Nutzerzahlen wieder nach oben zu treiben. Natürlich ist es nicht risikofrei. Fake News können noch schneller verbreitet werden, es müssen genügend Publisher gewonnen werden und die Qualität der Clips dürfte in vielen Fällen der Berichterstattung einen Strich durch die Rechnung machen.
Das eigentliche Problem liegt jedoch woanders. Bislang hat sich Facebook noch jede Snapchat-Innovation zu eigen gemacht. Sollte das auch mit "Curated Our Stories" geschehen, dürfte ein ähnliches Schicksal zu erwarten sein, wie es die ursprünglichen Stories erlitten haben: Die Kopie wird erfolgreicher als das Original.




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