Geschichte einer Marke 16.08.2023, 10:47 Uhr

Wieso ein Smiley jetzt Unterlassungsverfügungen verschickt

Hunderte HändlerInnen erhielten in den letzten Tagen eine Unterlassungsverfügung eines US-Gerichts, weil sie Produkte mit einem Smileys darauf vertreiben. Die wichtigsten Antworten zum Rechtstreit und ein Streifzug durch die Geschichte des Smileys.
(Quelle: Shutterstock/TSViPhoto)
Hunderte deutsche eBay- und Etsy-Händlerinnen sollen laut der IT-Recht-Kanzlei eine Unterlassungsverfügung von einem Bezirksgericht in Südflorida (District Court of the Southern District of Florida) erhalten haben. Mit ihren angebotenen Produkten sollen die HändlerInnen die geistigen Eigentumsrechte der "The Smiley Company SPRL" verletzt haben.

The Smiley Company schickt US-Unterlassungsverfügungen per Mail

Für viele mag das überraschend kommen, dass jemand die Rechte am Smiley hält, fühlt sich der Smiley doch an wie ein Kulturgut der Allgemeinheit.
Das belgische Unternehmen The Smiley Company hält jedoch momentan fast weltweit die Rechte, auch in Deutschland. Auf Messen hat das Unternehmen in der Vergangenheit auch schon mit Hilfe deutscher Gerichte Eigentsumsrechte durchgesetzt, beispielsweise 2016 in Nürnberg.
Dass das Unternehmen die Massenaktion nicht an einem europäischen oder gar deutschen Gericht gestartet hat, liegt an Besonderheiten des US-Rechts. Dort können Sammelklagen eingereicht werden, deren Beschuldigte dann vereinfacht per E-Mail rechtskräftig über den Vorwurf informiert werden können. Die Bedingungen für eine Rechtsverfolgung sind dort also wesentlich günstiger für The Smiley Company.
Theoretisch besteht noch eine Widerspruchsfrist für Beschuldigte, jedoch wartete The Smiley Company ab, bis diese am 07.08 abgelaufen war, um erst ab dem 08.08 die deutschen HändlerInnen über den angeblichen Rechtsverstoss per E-Mail durch Zusendung einer Unterlassungsverfügung zu informieren, so die IT-Recht-Kanzlei.
Die Rechtslage in Deutschland
In Deutschland wird diese Zustellungsform nicht als wirksame Zustellung betrachtet und ist voraussichtlich nicht vollstreckbar, in anderen Ländern jedoch schon. Sollten also deutsche HändlerInnen in anderen Ländern Geschäftsaktivitäten und Lager betreiben, können grössere Probleme entstehen. Von Strafen über Vertriebsverbote bis hin zur Vernichtung von Produkten durch den Zoll. Ignorieren könnte also teuer werden, die Rechtsexperten der IT-Recht-Kanzlei empfehlen daher auch "Kontakt zu einem US-Rechtsbeistand mit Expertise im geistigen Eigentumsrecht aufzunehmen, um den bisherigen Prozessverlauf, die Begründetheit der Vorwürfe und die Aussichten eines weiteren Vorgehens wirksam überprüfen zu lassen."

Wie konnte es eigentlich so weit kommen? Ein Streifzug durch die Geschichte des Smileys

Um die Frage nach der Grundlage für diese Klage zu beantworten, ist ein Rückblick notwendig.
Harvey Ball, geistiger Vater des Smileys
Als erster Erschaffer des bunten, grafischen Abbilds des Smileys gilt Harvey Ball, wie in der Geschichte des Smileys im Smithsonian Magazine nachzulesen ist (simplifizierte Abbilder eines lächelnden Gesichts ziehen sich, wenig überraschend, durch die ganze Menschheitsgeschichte). Der Grafiker schuf das Symbol für den heutigen Gegenwert von 300 US-Dollar für die US-Versicherung State Mutual. Die Rechte an dem lächelnden gelben Gesicht, das im wesentlichen nur aus  zwei Augen und einem Mund in einem runden, gelben Kreis besteht, sicherte Ball sich nie.  
Die World Smiley Foundation, das Erbe von Ball
Erst sein Sohn Charlie Ball gründete 2001 die World Smiley Foundation, die nach eigener Darstellung versucht, der Kommerzialisierung von Balls Idee entgegenzuwirken. Die Stiftung besitzt die Rechte an der ursprünglichen Kreation von Ball in den USA und in vielen weiteren Ländern. Die Non-Profit-Stiftung spendet ihre Einkünfte an gemeinnützige Projekte.
Franklin Loufran und "The Smiley Company"
1971 trat dann der Gründer der heutigen "The Smiley Company SPRL", der französische Journalist Franklin Loufrani, auf den Plan. Er hob die guten Nachrichten in der Zeitung "France Soir" mit der Illustration eines gelben Smileys hervor, das im Wesentlichen nur aus  zwei Augen und einem Mund in einem runden, gelben Kreis bestand. Und sicherte sich die Rechte an dem Smiley. (2009 scheiterte der absurd anmutende Versuch, sich auch die Rechte an einem "halben" Smiley zu sichern).
Unbestritten sind Franklin Loufrani und sein Sohn und Nachfolger Nicolas Loufrani die geschäftstüchtigsten Vermarkter des Smileys. Bis 2013 produzierten sie noch selbst Produkte, aber der Kern des Geschäfts war schon immer die Lizenzvermarktung.
Unzählige Weltmarken wie Eastpak, H&M, Moschino, Fossil, Karl Lagerfeld, Michael Kors haben bisher mit dem Unternehmen The Smiley Company schon kooperiert und gemeinsam Produkte herausgebracht. Laut OMR landen jährlich rund 15.000 Produkte mit dem Smiley auf dem internationalen Markt.
Auftritt des Emoticons, des Emojis und der Emoji Company
Übrigens: Das Rechtswirrwarr um den Smiley ist noch komplexer, als es die bisherigen Zeilen vermuten lassen.
Schliesslich existiert noch der digitale Smiley, das Emoticon oder auch Emoji genannt. Als geistiger Vater des :-) gilt Informatik-Professor Scott Fahlmann, der 1982 vorschlug, Witze mit diesen Satzzeichen zu kennzeichnen. 
Nicolas Loufrani hat mit der Kreation eines Smiley-Wörterbuchs bis 2005 auch rund 3500 Emojis geschaffen, und ist stolz, weil er sich durch die Smartphone-Designer kopiert fühlt (ohne dabei rechtliche Ansprüche zu erheben).
Die Rechte am Begriff Emoji und den damit verbundenen vielfältigen Abbildern des Smileys hält aber die "Emoji Company" des Düsseldorfers Marco Hüsgen. Der Unternehmer schloss 2015 einen ersten Lizenzvertrag ab und hat bis heute nach eigenen Angaben 360 Lizenznehmer, darunter Nestle, PepsiCo, Aldi, Ravensburger oder Zara.
Die Folgen: Ein rechtliches Minenfeld
HändlerInnen, die Produkte mit einem gelben, kreisförmigen Gesicht vermarkten wollen, müssen also erst einmal prüfen, ob es sich um einen Smiley der The Smiley Company, einen Ball'schen Smiley oder gar ein Emoji der Emoji Company handelt.
Da kann einem schon mal das Lächeln vergehen.
Dem geistigen Vater des modernen Smileys, Harvey Ball, dem mit dem World Smile Day ein Denkmal gesetzt wurde, ist das Lächeln bis heute nicht vergangen. Denn Balls Grabstein ziert: Richtig! Ein grosser, freundlich lächelnder gelber Smiley.



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