Die Meinungsroboter 19.06.2018, 10:09 Uhr

Was steckt hinter Social Bots?

Seit den letzten US-Präsidentschaftswahlen sind sie in aller Munde: Social Bots können auf Facebook & Co. Stimmung machen und Meinungen beeinflussen. Doch was steckt wirklich hinter den Meinungsrobotern?
(Quelle: Shutterstock.com / Blambca)
Von Laila Weigl
Sie können in den sozialen Medien Inhalte veröffentlichen, kommentieren, posten, liken, retweeten oder in Online-Shops Rezensionen veröffentlichen. Sie verhalten sich online wie Menschen und sie täuschen menschliche Identitäten vor: "Social Bots" heissen diese intelligenten Meinungsroboter. Dabei handelt es sich um Computerprogramme, die automatisiert bestimmte Aufgaben erfüllen. "Bot" steht als Kurzform für Roboter und ist weitläufig für autonom agierende Programme im Internet einsetzbar. "Social Bots" hingegen sind automatisierte Accounts, die als virtuelle Identität routinemässig Aufgaben übernehmen.
Tim Groves, Geschäftsführer der Werbeagentur Great White Ark in München und als Chief Technology Officer Experte für Programmierung, erklärt: "Ein Social Bot ist eine Kombination von einem echten oder gefälschten User-Account und einem Skript, das eben diesen steuert. Diese Skripte kann man auf zu definierende Themen reagieren lassen: beispielsweise bestimmte Accounts oder Hashtags targeten", Tätigkeiten, die in diesem Umfang von menschlicher Hand nicht ohne Weiteres zu leisten wären. Ein Social Bot hingegen erledigt den Job in Windeseile.

So funktioniert die Technik dahinter

Nur wenige Schritte brauche es, um eine virtuelle Social-Bot-Identität in den sozialen Medien aufzubauen, erklärt Groves: "einen Nutzer-Account, eine API-Schnittstelle zum gewünschten sozialen Netzwerk und ein Programm zur Steuerung der Aktivitäten." Auf die Schnittstellen der Netzwerke kann dann kostenlos zugegriffen und die intelligenten Skripts können beliebig skalierbar programmiert werden, sodass sie beispielsweise nur zu bestimmten Tageszeiten posten, um dem Schlaf-wach-Rhythmus eines Menschen nahezukommen, oder absichtlich Tippfehler machen.
Zunächst bleiben sie unauffällig, verschicken Freundschaftsanfragen und beginnen erst allmählich durch vorab programmierten Content mit dem Streuen von Nachrichten. Sie können abgespeckt nur für einen bestimmten Account die lästige Like-Arbeit übernehmen und auf relevanten Content reagieren, oder aber Rezensionen in Online-Shops veröffentlichen. Der Kreativität beim Programmieren sind keine Grenzen gesetzt.
 
Ein entsprechendes relativ einfach gestricktes Programm ist beispielsweise Boostfy für die Interaktion auf Instagram. Nach einfacher Registrierung und einer kurzen virtuellen Führung hat der Nutzer die Option, relevanten Content nach Hashtags zu filtern. Boostfy durchforstet Instagram dann nach den vorgegebenen Hashtags und interagiert mit den entsprechenden Beiträgen über den hinterlegten Account wie ein echter Mensch das tun würde. Weitere Targeting-Optionen sind Orte/Regionen, Targeting nach Accounts, um mit den Followern vermeintlicher konkurrierender Accounts zur selben Thematik zu interagieren, sowie eine Hashtag- und Account-Blacklist – Hashtags und Accounts, auf die der Nutzer nicht reagieren lassen möchte. Ein Lifetime-Abo bei Boostfy ist übrigens bereits für 200 Dollar zu haben.
Ähnliche Programme sind Archie.co für Instagram und Twitter (19 Dollar pro Monat), Get­River für Instagram (99 Dollar pro Monat) oder Monster Social für Facebook, Instagram, Twitter, Tumblr oder Pinterest (drei Monate für 40 Dollar pro Plattform).

Wie entlarvt man Social Bots?

Die Technik ist mittlerweile so weit fortgeschritten und so beliebig einsetzbar, dass Social Bots kaum mehr von echten Menschen zu unterscheiden sind. Die Kommunikation in den sozialen Medien ist über einen Bot einfach zu imitieren, da sie in der Regel wenig komplex ist. "Wer ein Programm hat, mit dem sich ein Bot steuern lässt, kann damit auch eine ganze Armee von Bots lenken", so Groves. "Auf Twitter ist es besonders raffiniert, weil die Bots untereinander interagieren, siehe beispielsweise beim US-Wahlkampf“, erklärt er weiter. Laut einer Studie der Oxford University machten Bots im Wahlkampf zwischen Trump und Clinton einen enormen Anteil der Kommunikation aus. Demnach sei jeder dritte Trump-Tweet und jeder vierte Clinton-Tweet vorgetäuscht gewesen.
Auch die im September 2016 veröffentliche Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung über Social Bots berichtet vom Einsatz der Technik im Präsidentschaftswahlkampf. So lag der Anteil realer Twitter-Follower beider Kandidaten bei circa 60 Prozent. Fake-Accounts sieht die Agentur Great White Ark auch vermehrt auf Facebook: Die Profile sehen echt aus, haben ein paar Freunde, folgen ein paar Seiten, haben gute Fotos, interagieren aber nicht thematisch passend. Projekte wie Botswatch haben sich darauf spezialisiert, Bots zu entlarven und somit für mehr Transparenz zu sorgen.

Können Social Bots zum Problem werden?

Einige der Social Bots streuen harmlose Nachrichten, die für den User einen Mehrwert haben können, andere hingegen springen auf emotional aufgeladene Themen an, entfachen hitzige Diskussionen und verzerren die Wirklichkeit. Tim Groves: "Die Manipulation von Meinungen in den sozialen Medien, besonders in der Politik, aber auch im Bereich Rezen­sionen bei Online-Shops halte ich für ethisch inakzeptabel." Der Content wird hier schliesslich von Programmen und nicht von Menschen gesteuert.
Das ist nicht ungefährlich. So können Bots beispielsweise bei manchen Inhalten rassistisch oder sexistisch reagieren oder einfach nur ein Like zu einem inhaltlich unpassenden Beitrag abgeben, mit dem sich ein Unternehmen eigentlich nicht identifizieren möchte. Massenhaft gestreute Falschnachrichten können Trends verändern. Auch Nutzerdaten werden langfristig durch den Einsatz von Fake-Profilen verfälscht. "Es gilt, zwischen denjenigen Bots zu unterscheiden, die für mich in den sozialen Medien mit positivem Effekt agieren, und solchen Bots, die Fake-Accounts nutzen und dadurch versuchen, die Meinung anderer zu beeinflusse"“, meint Groves.

Ist das überhaupt legal?

Es gibt kein Gesetz, das den Einsatz der intelligenten Programme verbietet, die Nutzungsbedingungen der Netzwerke sollten aber vorab geprüft werden. In den Twitter-AGB gilt es zum Beispiel als Regelverstoss, "sich als eine andere Person auszugeben", was mit der Streuung von Nachrichten über einen Fake-Account der Fall wäre. Das Problem der grossen Social­-Media-Portale ist jedoch, dass es in vielen Fällen nicht einfach ist, Mensch und Maschine voneinander zu unterscheiden.
Dennoch sollten Social Bots nicht per se zum Tabu erklärt werden. Sie können, korrekt angewandt, zur Informationsvermittlung, als Chat-Bot im Bereich Kundenservice oder für Firmen- und private Accounts als virtuelle Like-Hand dienen. Das Image einer Marke oder eines Testimonials wird heute nicht unwesentlich von der Grösse der Community bestimmt. Social Bots können "Gefällt mir"-Angaben provozieren oder die Zahl der Fans ähnlich dem klassischen Social Advertising aufstocken. Wichtig ist jedoch ein verantwortungsvoller Umgang mit der Technik.

Was bringt die Zukunft?

Glaubt man Agenturchef Groves, wird es in Zukunft üblich sein, mit Bots in allen möglichen Situationen umzugehen. "Es wird zur Normalität gehören, dass wir mit ihnen und sie mit uns kommunizieren. Technisch werden Social Bots immer raffinierter werden, man muss daher ein ­Bewusstsein dafür entwickeln, wann ich es mit einer realen Person oder einem Computer zu tun habe."
Nachdem Google unlängst einen Social Bot vorgestellt hat, der am Telefon mit Menschen Gespräche führen kann, gibt es erste Forderungen, dass Computerprogramme künftig eindeutig als solche zu erkennen sind.




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