Crowdfunding 18.05.2015, 22:40 Uhr

Kickstarter-CEO: "Wir wollen so global wie möglich sein"

Seit Mai 2015 ist die US-Crowdfunding-Plattform Kickstarter auch mit einem deutschen Ableger vertreten. CEO Yancey Strickler über Kunst und Kommerz und Besonderheiten des deutschen Marktes.
Yancey Strickler, CEO und Mitgründer von Kickstarter
(Quelle: Kickstarter)
Ab sofort können Unterstützer auch auf der deutschen Version von Kickstarter neue Projekte finanzieren. Gründer und Kreative können damit ihre Ideen auf der Crowdfunding-Plattform in deutscher Sprache verfassen. Unter den ersten Projekten sind zum Beispiel "Nuimo", ein Gerät das alle mit dem Internet verbundenen Smart Devices steuert, der beliebte Blog "Notes of Berlin" oder "Noki", ein intelligentes Türschloss, das den Haustürschlüssel überflüssig machen will. Unsere deutsche Schwesterpublikation INTERNET WORLD Business sprach mit Yancey Strickler, Mitgründer und CEO von Kickstarter, über den Deutschlandstart.
Kickstarter ist in Deutschland mit der ersten Seite in einer nicht englischsprachigen Version gestartet. Warum Deutschland?
Yancey Strickler:
Als grösste Volkswirtschaft in Europa ist Deutschland natürlich ein wichtiger Markt für uns. Deutschland bietet ausserdem eine sehr vielfältige Kultur. Einerseits gibt es hier eine starke kreative Tradition, sei es in der Musik, den bildenden Künsten oder der Literatur. Andererseits gibt es aber auch viele junge Ingenieure, die vielleicht für grosse Firmen arbeiten, wo sie nicht richtig glücklich sind - und deshalb gerne ihre eigenen Projekte starten würden. Dafür kann Kickstarter eine effektive Plattform sein, auch um globale Aufmerksamkeit zu bekommen. Insgesamt wurden am ersten Tag in Deutschland 113 Projekte gestartet und mehr als 400.000 Euro zugesagt. Wir wollen nicht, dass Kickstarter ausschliesslich eine angloamerikanische Sicht von Kreativität vermittelt, sondern so global wie möglich sein. Kickstarter gibt es jetzt seit sechs Jahren, ich würde daher sagen, wir haben ziemlich lange gebraucht, um hier zu starten.  
Kommen mit der deutschsprachigen Seite auch neue Funktionen?
Strickler:
Vor dem Launch haben wir zwei Produktaktualisierungen gestartet. Zum einen gibt es die Möglichkeit, Untertitel in die Videos einzubauen, damit sie zum Beispiel auch das amerikanische Publikum erreichen. Zudem können deutsche Gründer ihr Finanzierungsziel für ein Projekt nun in Euro angeben und lokale Bankkonten und Geschäftsdaten bei Kickstarter hinterlegen. Für Unterstützer in den USA werden die in Euro angezeigten Beträge in US-Dollar umgerechnet.
Worin unterscheidet sich der deutsche vom amerikanischen Markt?
Strickler:
Man hört oft, die Deutschen seien in Geldfragen konservativer, aber ich denke auch hier werden sich die Menschen für innovative Ideen begeistern und die Möglichkeit nutzen, von Anfang an dabei zu sein. Projekte aus dem Hardwarebereiche bekommen medial  zwar viel Aufmerksamkeit, machen aber weniger als zehn Prozent der Projekte auf Kickstarter aus. Die meisten Projekte kommen aus Bereichen wie Film, Musik und Literatur. Ich denke in Deutschland wird das ähnlich sein. Allerdings sehe ich speziell in Deutschland auch ein grosses Interesse an Vorhaben aus dem Hardware- und Designbereich.
Warum kommen die meisten Projekte aus dem künstlerischen Bereich?
Strickler:
Das hängt mit der Gründung des Unternehmens zusammen. Wir Gründer haben alle keinen wirtschaftlichen oder technischen, sondern einen künstlerischen Hintergrund. Perry Chen kommt von der bildenden Kunst, Charles Adler ist Grafikdesigner, ich selbst war viele Jahre Musikkritiker. Daher haben wir alle eine Leidenschaft für Kreativität und daraus ist auch die Mission für unsere Firma entstanden.
Wie sind Sie von Kunst und Musik in den Business-Bereich geraten?
Strickler: Ich bin da eher zufällig reingerutscht. Während meiner Tätigkeit als Musikjournalist habe ich angefangen, Aufnahmen von Bands, die ich gut fand, herauszubringen. Damals wurde mir zum ersten Mal bewusst, wie schwierig es ist, von der eigenen Kunst zu leben. Das hat mich dazu veranlasst, nicht nur Fan von Musik oder Filmen zu sein, sondern eine aktive Rolle bei der Entstehung davon einzunehmen. Bei Kickstarter für Künstler und Kreative zu arbeiten sehe ich als grosses Privileg, ich denke nicht, dass ich das in einer anderen Firma tun würde.

"Wir werden Mainstream"

Welche Ziele haben Sie sich für den deutschen Markt vorgenommen?
Strickler:
Erst einmal hoffe ich einfach, dass viele qualitativ hochwertige Produkte an den Start gehen, die sonst vielleicht nicht existieren könnten. Wir sind seit fünf Jahren profitabel. Uns geht es in erster Linie um Nachhaltigkeit, nicht darum, so viel Geld wie möglich zu verdienen - das gilt auch für den deutschen Markt.
Mit welchen Ländern geht es weiter?
Strickler: Am 27. Mai 2015 geht Kickstarter auch in Frankreich online. Weitere Expansionen in Europa sollen in diesem Jahr folgen. Langfristig wollen wir auch global expandieren.
Was sehen Sie derzeit als die grössten Trends und Herausforderungen im Crowdfunding?
Strickler: Herausforderungen sehe ich vor allem beim Crowdinvesting, wo gesetzliche Bestimmungen etwa in Deutschland und Finnland mit  Risiken einhergehen. Das ist kein Weg, den wir einschlagen wollen. Der wichtigste Trend ist, dass Crowdfunding in der Öffentlichkeit immer mehr akzeptiert  wird. Die Skepsis, die uns in der Vergangenheit entgegengebracht wurde, nimmt immer weiter ab. Allgemein wird Kickstarter immer mehr Mainstream. Dazu gehören auch so verrückte Projekte wie die Finanzierung des Kartoffelsalats im vergangenen Jahr. Es braucht Zeit,  dass sich die Leute an unser Modell gewöhnen, deshalb müssen wir geduldig sein. Auf jeden Fall wollen wir eine unabhängige Organisation bleiben.




Das könnte Sie auch interessieren