«Destination Earth» 01.03.2021, 17:12 Uhr

Die Erde als digitaler Zwilling

Ein digitaler Zwilling der Erde soll diese künftig simulieren. Er könnte die Politik dabei unterstützen, Massnahmen zum Schutz vor Extremereignissen zu treffen. Ein Strategiepapier von europäischen Forschenden und ETH-​Informatikern zeigt, wie das zu erreichen ist.
Ein digitaler Zwilling der Erde soll das Erdsystem umfassend und hochauflösend simulieren und beispielsweise als Grundlage für Massnahmen gegen den Klimawandel dienen.
(Quelle: ESA)
Um bis 2050 klimaneutral zu werden, hat die Europäische Union zwei ehrgeizige Programme gestartet: «Green Deal» und «Digital Strategy». Als eine Schlüsselkomponente für die erfolgreiche Umsetzung haben Klimawissenschaftler und Informatiker die Initiative «Destination Earth» lanciert, die Mitte dieses Jahres starten wird und bis zu zehn Jahre laufen soll. Während dieses Zeitraums soll ein hochpräzises digitales Modell der Erde entstehen, ein digitaler Zwilling der Erde, um die Klimaentwicklung und Extremereignisse räumlich und zeitlich bestmöglich abzubilden.
In den digitalen Zwilling sollen kontinuierlich Beobachtungsdaten einfliessen, um das digitale Erdmodell zur Überwachung der Entwicklung und zur Vorhersage möglicher zukünftiger Trajektorien (Entwicklungspfade) fortlaufend zu präzisieren. Neben den herkömmlich für Wetter-​ und Klimasimulationen genutzten Beobachtungsdaten wollen die Forscher neue, auch für das Klimasystem relevante Daten menschlicher Aktivitäten in das Modell integrieren, so dass das virtuelle «Erdsystem-​Modell» die gesamten Prozesse an der Erdoberfläche, den Einfluss des Menschen in Bezug auf das Wasser-​, Nahrungs-​, und Energie-​Management, einschliesslich der Prozesse im physischen Erdsystem, möglichst realitätsnah abbildet.

Informationssystem zur Entscheidungsfindung

Mit dem digitalen Zwilling der Erde soll ein Informationssystem entstehen, das Szenarien entwickelt und testet, die eine nachhaltigere Entwicklung aufzeigen und damit die Politik besser informieren. «Wenn man in Holland beispielsweise einen zwei Meter hohen Deich plant, kann ich die Daten in meinem digitalen Zwilling durchspielen und überprüfen, ob der Deich aller Voraussicht nach auch im Jahr 2050 vor zu erwartenden Extremereignissen schützt», sagt Peter Bauer, stellvertretender Direktor für Forschung am Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersagen (ECMWF) und Mitinitiator von Destination Earth. Auch für die strategische Planung von Frischwasser-​ und Lebensmittelversorgung oder Windfarmen und Solaranlagen soll der digitale Zwilling genutzt werden.
Treibende Kräfte hinter «Destination Earth» sind das ECMWF, die Europäische Weltraumorganisation (ESA), und die Europäische Organisation für die Nutzung meteorologischer Satelliten (EUMETSAT). Zusammen mit weiteren Klimawissenschaftlern treibt Bauer die klimawissenschaftlichen und meteorologischen Aspekte des digitalen Zwillings der Erde voran. Dabei setzen die Experten auf das Knowhow von Informatikern der ETH Zürich und des Nationalen Hochleistungsrechenzentrums der Schweiz (CSCS), namentlich auf die ETH-​Professoren Torsten Hoefler, vom Institut für Hochleistungsrechnersysteme und Thomas Schulthess, Direktor des CSCS.
Um diesen grossen Schritt der digitalen Revolution zu schaffen, brauche es die Vermählung der Erdwissenschaften mit den Computerwissenschaften, betont Bauer. In einer soeben in Nature Computational Science erschienenen Publikation diskutiert nun das Team aus Forschern der Erd-​ und Computerwissenschaften, mit welchen konkreten Massnahmen sie diese «digitale Revolution der Erdsystemwissenschaften» voranbringen möchten, wo sie die Herausforderungen sehen und wo mögliche Lösungen zu finden sind.

Autor(in) Simone Ulmer, ETH-News




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