Multichannel-Networks 02.09.2015, 11:30 Uhr

Die Brücke zu Youtube

Multichannel-Networks helfen Markenartiklern dabei, Youtube-Stars für Marketing-Zwecke zu nutzen. Mit Werbung in deren Umfeld kommen sie an Zielgruppen, die sonst nur schwer zu erreichen sind.
(Quelle: Fotolia.com/Thomas Pajot)
Sie haben Namen, die bei älteren Menschen wohl Kopfschütteln hervorrufen: Dagi Bee, Ape Crime, Gronkh oder Dner. Doch was sich nach ausserirdischen Wesen aus einem Fantasy-Thriller anhört, sind die Künstlernamen berühmter Video-Stars. Allerdings treten sie nicht im klassischen Fernsehen auf, sondern haben ihre eigenen Shows auf der Plattform Youtube und werden vor allem von Jugendlichen verehrt. Hinter Ape Crime verbirgt sich beispielsweise ein Musik- und Comedy-Trio, dessen Kanal knapp 2,7 Millionen Abonnenten hat. Und Gronkh tut nichts anderes als Video Games zu spielen und dies zu kommentieren. Damit schafft er ebenfalls den Sprung in die Riege der ­absoluten Youtube-Superstars.
Von der Erwachsenenwelt zunächst ­unbemerkt ist in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe solcher Künstler herangewachsen, die unter Teenagern Kultstatus geniessen. Sie drehen lustige Videos, befassen sich mit Promis, Beauty-Themen, ­Mode, Filme, Games oder einfach ihrem Alltag. Ihre Angebote veröffentlichen sie auf Youtube-Kanälen, die von ihren Fans millionenfach abonniert werden.
Längst hat der Erfolg der Youtube-Stars das Interesse der Werbewirtschaft ­geweckt. Sie erkennt hier die Chance, in ihrem ­Umfeld eine Zielgruppe ansprechen zu können, die ansonsten nur noch schwer zu greifen ist. Allerdings erfordert dies, sich intensiv mit der Programmvielfalt auf Youtube auseinanderzusetzen. "Die Zwillinge Heiko und Roman sprechen mit ­ihrem Comedy- und Musikkanal 'Die ­Lochis' sicherlich andere User an als ­Florian Mundt alias 'Le Floid' oder der ­Kanal '100 Sekunden Physik'", sagt David Eicher, Geschäftsführer der Agentur Webguerillas.
In dieser Gemengelage haben sich inzwischen eine Handvoll sogenannter Multichannel-Networks (MCN) positioniert. Diese Unternehmen haben Youtube-Künstler unter Vertrag und unterstützen sie mit Studios, Redakteuren und Kameraleuten bei der Produktion ihrer Videos. Gleichzeitig bündeln sie die Angebote nach inhaltlichen Schwerpunkten und bieten diese der Werbewirtschaft an. "Für Werbungtreibende hat dies den Vorteil, dass sie ohne langes Recherchieren und Verhandeln Zugang zu Youtubern erhalten, die exakt zu ihrer Marke passen", sagt Eicher. "Dafür legen die Multichannel-Networks häufig die Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit fest und verdienen - ähnlich wie Spielervermittler im Profifussball - immer  kräftig mit." Denn die MCNs partizipieren an den Werbeerlösen der Künstler.

Streit steigerte die Bekanntheit der Networks

Das bekannteste dieser Multichannel-Netzwerke ist vermutlich Mediakraft in Köln, das unlängst einige prominente Youtube-Stars verlor und damit in die Schlagzeilen geriet. Video-Blogger wie Le Floid, Unge, Ape Crime oder das Comedy-Duo Space Frogs hatten das Netzwerk unter grossem Mediengetöse verlassen, weil sie sich nicht gut genug betreut fühlten. Viele Werbungtreibende erfuhren erst durch den öffentlich ausgetragenen Streit von der Existenz der MCNs, die im Hintergrund längst zu wichtigen Playern herangereift sind. 
Le Floid ist nun seit Juni wieder unter Vertrag: bei Studio71, dem Multichannel-Netzwerk, das zur ­Pro-Sieben-Sat1-Gruppe gehört. Studio71 betreut derzeit rund 70 Webstars und kommt damit auf hochgerechnet 270 Millionen Video Views im Monat. Werbekunden werden zwölf unterschiedliche Kanäle angeboten, über die sie verschiedene Zielgruppen im Alter zwischen 14 und 29 Jahren ansprechen können. Das geschieht meist über klassische Pre-Roll-Videos, aber auch über individuell geschnürte Branded-Entertainment-Inszenierungen.

TV-Konzerne besetzen strategisch den Markt

ProSiebenSat1 positioniert sich mit Studio71 strategisch in einem Markt, der als Ergänzung zum traditionellen TV-Geschäft gilt. Webstars können darüber leichter den Sprung ins klassische Fernsehen schaffen, Werbekunden übergreifend Pakete buchen. Soeben hat ProSiebenSat1 zudem die Mehrheit an den Collective ­Digital Studios übernommen, einem der führenden MCNs in den USA. Daraus wird nun das Collective Studio71 geformt, mit dem auch die internationale Karriere der Video-Stars angeschoben werden kann.
Der grosse Konkurrent, die RTL Group, investiert ebenfalls kräftig in diesem Segment. Im November stockte der Konzern seinen Anteil an Style Haul, dem führenden Multichannel-Network für Fashion, Beauty und Lifestyle, auf 93,6 Prozent auf. "Die Produktion von Bewegtbild ist von jeher unsere Kernkompetenz", betont ­Andreas Meier, Communications Manager bei der RTL Group. "Daher sind wir überzeugt, dass es Sinn macht, in diesem dynamischen Markt eine starke Präsenz aufzubauen."
Auch RTL betrachtet die Video-Netzwerke als internationalen Markt mit ­erheblichem Potenzial. Man könne globalen Marken verschiedene Möglichkeiten ­bieten, sie beim Erreichen ihrer unternehmerischen Ziele kommunikativ zu unterstützen, sagt Tracy Crane, Chief Marketing Officer bei Style Haul in New York: ­etwa bei der Erhöhung der Markenbekanntheit, der Verbesserung des Abverkaufs oder der Steigerung des Traffics auf einem Online-Shop.
Im Januar hat auch die zur RTL-Familie gehörende Produktionsfirma Freemantle Media ihren Anteil an dem Multichannel-Network Divimove auf 51 Prozent auf­gestockt. Zu dem Netzwerk gehört eine Artist Management Unit, die Künstler ­managt und Events produziert, sowie die Werbeagentur "Brandboost by Divi­move", die Online-Kommunikationslösungen entwickelt. "Als Online-Video-Experten liefern wir nicht nur globale Reichweiten, sondern auch die passenden Influencer, Kreativideen, Konzepte und Produktionen", sagt Olaf Herzig, Chief ­Sales Officer.

Einfluss der MCNs wird weiter zunehmen

Divimove wurde 2012 gegründet. Anfangs tröpfelte das Business so dahin, seit dem vergangenen Jahr drängen die Markenartikler auf die Youtube-Plattform. "Sie haben jetzt realisiert, dass zur Erreichung junger Zielgruppen kein Weg an Online-Video als Kommunikationskanal vorbeiführt", sagt Herzig. "Seitdem ­versuchen Marken verstärkt, Vorteile wie die grossen Reichweiten, die Emotionalisierung und das Storytelling für sich zu nutzen."




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