Quantenelektronik 28.04.2020, 09:58 Uhr

Ein Material mit besonderem Dreh

In einem Material aus zwei leicht gegeneinander verdrehten, dünnen Kristallschichten haben ETH-​Forschende das Verhalten von stark wechselwirkenden Elektronen untersucht. Dabei fanden sie einige verblüffende Eigenschaften.
Elektronen (grün) in einer Scheibe des verdrehten Sandwich-​Materials. Mit Hilfe von durch Laserlicht angeregten Elektronen (schwarz / rot) können die Eigenschaften des Materials untersucht werden
(Quelle: Yuya Shimazaki/ETZ)
Viele moderne Technologien beruhen auf speziellen Materialien, wie etwa den für Computer wichtigen Halbleitern, in denen sich Elektronen mehr oder weniger frei bewegen können. Wie frei die Elektronen sind, wird durch ihre Quanteneigenschaften und durch die Kristallstruktur des Materials bestimmt. Meist bewegen sie sich unabhängig voneinander. Unter bestimmten Bedingungen jedoch können starke Wechselwirkungen zwischen den Elektronen zu besonderen Phänomenen führen. Ein bekanntes Beispiel dafür sind Supraleiter, in denen sich Elektronen zu Paaren zusammentun und so widerstandsfrei elektrischen Strom leiten.
Am Institut für Quantenelektronik in Zürich erforscht ETH-​Professor Ataç Imamoğlu Materialien mit stark wechselwirkenden Elektronen. Er möchte das Verhalten der Elektronen in diesen Materialien besser verstehen und ist auf der Suche nach unerwarteten Eigenschaften, die für spätere neuartige Anwendungen interessant sein könnten. In einem «verdrehten» Material haben er und seine Mitarbeiter nun überraschende Entdeckungen zum Verhalten von Elektronen gemacht, wie sie im Fachjournal Nature berichten.

Moiré-​Muster im Kristall

Um auf kontrollierte Weise starke Wechselwirkungen zwischen den Elektronen zu erzeugen, verwendet Imamoğlus Arbeitsgruppe hauchdünne Scheiben aus einer nur ein Atom dicken Schicht eines Molybdän-​Diselenid-Kristalls. Solche Scheiben bezeichnet man auch als zweidimensionale Materialien, da Elektronen sich darin nur in einer Ebene frei bewegen können. Dies alleine sorgt schon für eine Menge überraschender Eigenschaften, wie man sie zum Beispiel auch in Graphen beobachtet, das ebenfalls zu den zweidimensionalen Materialien gehört.
Der Moiré-​Effekt mit zwei übereinandergelegten Gittern. Durch die leichte Verdrehung der Gitter gegeneinander ergibt sich ein gröberes Moiré-​Muster mit weit entfernten Gitterpunkten.
Quelle: Yuya Shimazaki/ETHZ
Noch interessanter wird es allerdings, wenn man zwei solcher Scheiben übereinanderlegt und ihre Kristallrichtungen leicht gegeneinander verdreht. Dann kommt es zu einem Effekt, den man aus dem Fernsehen kennt: Trägt jemand eine Krawatte oder ein Kleid aus einem karierten oder gestreiften Stoff, so sieht man auf dem Bildschirm manchmal seltsame Muster. Diese werden auch als Moiré-​Muster bezeichnet.
Ähnliches passiert in Imamoğlus Materialien. Durch die Verdrehung der beiden Scheiben entsteht eine Art Moiré-​Kristallgitter, das einem fiktiven Kristall mit weiter voneinander entfernten Atomen entspricht. Ein solcher Kristall hat einen viel schwächeren Einfluss auf die Bewegung der Elektronen, so dass die Wechselwirkungen zwischen den Elektronen im Verhältnis stärker ins Gewicht fallen.

Autor(in) Oliver Morsch, ETH News




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