Marktplatz gegen Suchmaschine 08.07.2019, 14:01 Uhr

Amazon versus Google: Kraftprobe der Giganten

Die Rivalitäten zwischen Amazon und Google nehmen jährlich neue Formen an. Der Marktplatz macht zwar Schlagzeilen, doch die Suchmaschine ist längst nicht abgehängt.
(Quelle: shutterstock.com/Einstock)
Genau an dieser Stelle und zu dieser Zeit haben wir vor einem Jahr die ­Giganten Amazon und Google aufeinanderprallen lassen. Auslöser war damals der Ausstieg des Online-Händlers aus den Shopping-Anzeigen von Google und der Angriff der Suchmaschine auf den von Amazon dominierten Markt der Smart Speaker.
Wie zu erwarten war, hat sich ­inzwischen viel geändert: Amazon macht Schlagzeilen, während Google mit einem kleinen Feature nach dem nächsten an die ­Öffentlichkeit geht. Daher lohnt es sich, dieses Kräftemessen erneut anzusehen und die Entwicklungen aus einem Jahr ­genau zu betrachten.

Kartellbehörden wollen der Giganten Herr werden

Derzeit stehen beide Konzerne aufgrund ­ihrer ausufernden Marktmacht im Visier. Kartellbehörden auf der ganzen Welt wollen der Tech-Giganten Herr werden und suchen nach ­Lösungen, diese zu regulieren. Ein Grund für die Diskussionen sind ohne Frage die unfassbar hohen Umsätze, die die beiden Weltkonzerne generieren, und die vorherrschende Meinung, dass davon nicht genug an die Länder, in denen sie ihr Geld verdienen, zurückgegeben wird - ein Problem, das grundsätzlich auch auf Apple und Facebook zutrifft.
Im ­Gegensatz zu 2018 ist Amazon mit ­geschätzten 316 Milliarden US-Dollar heute die wertvollste Marke der Welt, Google und Apple machen mit ­einem Markenwert von 309 bis 310 Milliarden US-Dollar derzeit Platz zwei unter sich aus. Doch das ist nur ein Teil vom Ganzen.
Versucht man nämlich, den Unternehmenswert der Global Player zu ermitteln, müssen diese Zahlen mindestens verdoppelt werden. Im September 2018 lag der Börsenwert von Amazon kurzzeitig bei ­einer Billion US-Dollar, die Google-Mutter Alphabet war bereits nahezu 900 Milliarden US-Dollar wert. Grund ­dafür sind die operativen Geschäfte der Konzerne in nahezu jeder Ecke der Welt. So erzielte Amazon 2018 einen Jahresumsatz von 232,89 Milliarden US-Dollar, bei einem Gewinn von 10,1 Milliarden. Google setzte in dieser Zeit insgesamt 136,22 Milliarden US-Dollar um, erwirtschaftete davon aber 30,7 Milliarden US-Dollar für sich. Und obwohl die Welt gross ist, Firmen also im Prinzip ohne ­Unterlass weiter wachsen können, kommen sich Google und Amazon immer wieder in die Quere.

Bei Cloud Computing ist Amazon Vorreiter

Obwohl man erwarten würde, dass Google aufgrund seiner Geschichte näher dran am Thema Cloud Computing ist als Amazon, haben diese den Weg für die Technologie ­geebnet. Bevor Google hier Fuss fassen konnte, ­hatte Amazon schon einen ­ordentlichen Vorsprung herausgearbeitet, der bis ­heute Bestand hat.
Amazon Web Services (AWS) bleibt somit Weltmarktführer bei Cloud-Lösungen und lässt der Konkurrenz so wenig Raum wie nur möglich: Um den Produktinitiativen von Google und noch viel mehr von Microsoft Azure zu begegnen, hat AWS kürzlich Amazon Personalize für alle Kunden verfügbar ­gemacht. Damit lassen sich Aktivitäts-Streams und personalisierte Prognosen von Usern erstellen, die dann für die Produktausspielung im ­Internet genutzt werden können.
Google hinkt etwas hinterher, bietet mit seiner Technologie aber im Bereich Big Data sowie Machine Learning fokussierte Lösungen und ist darüber hinaus wegen seiner grossen Rechenzentren in der Cloud-Leistung gut skalierbar. Mit der Übernahme des Datenspezialisten Looker will der Suchmaschinen-Konzern weiter aufholen und seine Cloud-Lösungen um eine End-to-End-Analytics-Plattform erweitern. So sollen sich auch Daten von "AWS und Azure sammeln, kombinieren, analysieren und visualisieren lassen", erklärte Google-Cloud-CEO Thomas Kurian kürzlich. Google wird hier gewiss nicht nachlassen, braucht das Unternehmen, vielmehr die Konzernmutter Alphabet, doch eine weitere grosse Einnahmequelle neben der Online-Werbung. Doch auch beim Thema Advertising stehen sich Amazon und Google ­gegenüber.

Amazon fordert Google bei Werbeanzeigen heraus

Amazon ist über die letzten Jahre nicht nur zu einem überpräsenten Marktplatz herangewachsen, sondern zugleich eine autonome Produktsuchmaschine geworden. So war es nur eine Frage der Zeit, bis das Unternehmen auch seine letzte ­Abhängigkeit beendete. Mit dem Ausstieg bei den Google-Anzeigen vor gut ­einem Jahr nahm Amazon dem Kontrahenten nicht nur Einnahmen weg, der Marktplatz wurde zugleich zum Konkurrenten.
Denn seither bietet Amazon seinen Kunden die Möglichkeit, Produkte, Marken oder den Shop über seine Suche zu bewerben. Auch wenn Google hinsichtlich der Technologie und Erfahrung meilenweit voraus zu sein scheint, holt Amazon kräftig auf. Der Marktplatz bietet heute wie Google Echtzeit-Bidding für ­alle Anzeigenformate - vor einem Jahr war dies kaum abzusehen.
"Wenn man von zielgruppengenauem Targeting im E-Commerce-Kontext spricht, bietet Amazon ­sicherlich den grössten Datenschatz und beste Möglichkeiten, vergleichbar mit dem, was man auf Facebook oder Whatsapp for Business machen kann", erklärt Ralph Hübner, Sector Principal von Hampleton Partners. Doch die Mutter aller Suchmaschinen steckt auch hier nicht zurück.

Vorteil: Kaufdaten

Während Amazon ein Online-Marktplatz ist, fehlen Google bislang die Sammelpunkte für Kaufinteressenten. Unter diesem Gesichtspunkt ergibt es noch viel mehr Sinn, dass Google Tools und Produkte wie Google Search und Maps oder Gmail und YouTube über ein Benutzerkonto zusammenführt. Denn so lassen sich für jeden User auf Kategorieseiten wie News, Shopping oder Travel Ange­bote präsentieren und bewerben.
Google bewegt sich damit in einem viel weiteren Feld als Amazon und treibt das Prinzip zurzeit weiter auf die Spitze: Denn mit dem neuen Google Shopping will die Suchmaschine sogar den lokalen Händler mit dem Online-Kunden zusammenbringen. In den USA sollen die optimierten Shopping Ads noch in diesem Jahr starten. Über diese können User dann nicht nur bei Online-Händlern, sondern auch direkt bei Google bestellen und bezahlen. Auch die lokale Produktverfügbarkeit lässt sich dann prüfen.
"Damit haben Händler die Möglichkeit, Nutzern, die in ihrer Nähe Google-Suchanfragen ausführen, Informationen zu ihren Artikeln und ihrem Geschäft zu präsentieren“, erklärt Oliver Heckmann, Leiter der Entwicklung von Shopping Ads bei Google. Unabhängig davon kann beim Online-Kauf auch die Abholung vor Ort vereinbart werden.
Die DACH-Region wird von dem Angebot nicht profitieren können. Denn die ­neuen Shopping Ads von Google sind für den deutschsprachigen Raum vorerst nicht geplant. Auf der anderen Seite gilt es aber auch bei Amazon ­abzuwarten, meint Strategie-Experte Hübner: "Wir werden die nächsten zwei Jahre immer nur über eine Momentaufnahme sprechen, bis sich das System eingeschwungen hat. Eine grosse Frage wird aber sein, wie gleichberechtigt man Werbung auf Amazon schalten kann."
Und während auf dem einen Schlachtfeld Geduld gefragt ist, legen die Rivalen auf einem anderen härtere Bandagen an. Denn Google dringt in ein Territorium vor, in dem sich Amazon bisher frei entfalten konnte: das der Smart Speaker.

Google macht Amazon die Marktführung streitig

Bis vor einem Jahr war der Markt klar ­abgesteckt. Alexa zog über die ­Feiertage 2018 schnell in die Haushalte ein. Google nutzte hingegen die Verbreitung seines Assistant über das Smartphone-Betriebssystem Android und schuf die Verknüpfung zu einem eigenen Device. Aber Google eroberte auch Märkte, in denen Amazon bisher nicht ankam. So macht sich die Suchmaschine mit ihrem Sprachassistenten seit einem Jahr unter anderem in Indien breit und hat nun weltweit fast schon denselben Marktanteil wie Amazon. "Nach allem, was man so hört und liest, hat Amazon zwar mehr installierte Basis im Markt, aber Google liegt spätestens in den letzten Monaten vor Amazon in den Verkaufszahlen", fasst Hübner die Entwicklungen zusammen.
In Deutschland zeigt sich ein anderes Bild. Wenn ein Haushalt ­einen Smart Speaker besitzt, dann ist es in mindestens zwei von drei Fällen Alexa. ­Allerdings beschränkt sich die Verbreitung der Sprachassistenten nicht nur auf Lautsprecher. Mittlerweile sind die Systeme in Fahrzeugen und Fernsehern angekommen. Geht man hier nach der Bekanntheit unter den Usern, so hat Google die ­Nase vorn. Hierzulande haben 40 Prozent der User mindestens einmal den Google Assistant genutzt, Alexa hingegen nur jeder Dritte. Aktuell kann man bei den intelligenten Lautsprechern wohl mit einem Positionswechsel im Rennen zwischen Amazon und Google rechnen. Sieht man jedoch ­genau hin, kann es für beide Riesen auch ein böses Erwachen geben. Denn hinter ihnen befinden sich die Asiaten Baidu, Alibaba sowie Xiaomi in Lauerstellung und schliessen immer weiter auf.
Beim Streaming- und Video-Angebot im Internet sowie bei der Eroberung des Fernsehers ist der Markteintritt für Google etwas schwieriger. Ohne Frage ist YouTube heute die beliebteste ­Video-Plattform der Welt.
Allerdings verschlingt das Angebot unglaubliche Ressourcen. Pro Minute werden etwa 400 Stunden ­Video-Material auf YouTube hochgeladen. Hinzu kommen die gescheiterten Abo-Optionen und Produktionsversuche für Eigen-Content. Die damit verbundenen Kosten kann die Google-Tochter kaum refinanzieren und muss daher neben dem Internet weitere Verbreitungswege suchen.

Amazon Prime auf Erfolgskurs

Für Amazon Prime Video läuft es dagegen nicht nur in Deutschland prächtig. Hier ist der Konkurrenzkampf mit Netflix relevanter und da liegt das Prime-Angebot derzeit vorn. Doch das Potenzial des ­Videostreaming-Markts ist den Internet-Riesen bekannt und so machen die Konzerne gemeinsame Sache.
Erst vor wenigen Wochen wurde bekannt gegeben, dass YouTube-Apps nun über Amazon Fire TV auf die Fernseher kommen. Der Gedanke dahinter ist aber viel umfassender: Denn auf der anderen ­Seite weitet Google auch die Unterstützung von Amazon über Chromecast aus. Im Grunde bringt Amazon damit YouTube auf die Fernseher und Google Amazon Prime auf die Smartphones - und darüber auf die TV-Bildschirme.
Im kommenden Jahr wird neben Cloud Computing, Online-Werbung, Smart Speakern und Video wohl die Politik die grösste Rolle spielen. Je grösser und umfassender die beiden Konzerne auftreten, desto mehr Kritiker ruft dies auf den Plan. Die Forderungen nach einer Beschänkung der Marktmacht beider Giganten, gar nach einer Zerschlagung der Konzerne, werden immer lauter. Womöglich wird dieses Thema auf Dauer zum grössten Problem für Amazon und Google.




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