Agile Methoden nicht nur in der IT einsetzen

Mitarbeiter mitnehmen beim Change-Prozess

So kann ein Unternehmen herausarbeiten, welche Lieferanten eine strategische Funktion haben und welche nur Standardprodukte zum möglichst günstigen Preis zuliefern sollen, also leicht austauschbar sind. Sind solche sogenannten C-Waren - meist niedrigpreisige Artikel, die in hoher Stückzahl und in grossen Mengen gebraucht werden wie zum Beispiel Büromaterial - identifiziert, geht es darum, die Zahl der Lieferanten für diese C-Ware zu reduzieren. Denn: "Nur mit einer überschaubaren Anzahl an Lieferpartnern lassen sich die Bestell- und Lieferprozesse automatisieren", ist sich Woike sicher.
Ziel sei eine Kostensenkung, denn wenn ein Artikel im Warenwert von 150 Euro beim Einkauf Prozesskosten von 90 Euro und beim Verkäufer nochmals Prozesskosten von 60 Euro für Vertrieb und Lieferung verursache, sei dies für keines der beteiligten Unternehmen sinnvoll.

Frühes Einbeziehen der Einkäufer in den Prozess

Seiner Meinung nach wird das frühe Einbeziehen der Einkäufer immer wichtiger: "Früher haben andere Abteilungen dem Einkauf fertige Listen vorgelegt und der Einkauf hat nur noch bestellt. Heute geht es darum, dass der Einkauf schon bei der Kundenakquise involviert ist, sein Markt- und Lieferantenwissen zur Verfügung stellt", so Woike. Dies erfordere aber eine neue Art Einkäufer, der in Projekten denken und den Fachabteilungen durch sein Wissen Mehrwert bieten könne. Ausserdem müssten ganz neue, fachübergreifende Teams gebildet werden, die befugt sind, ­eigenverantwortlich mit Lieferanten zu verhandeln und Ware zu bestellen.
Doch genau hier liegen oft grosse Stolpersteine, man sei dann "mitten im Thema Change Management", so Woike. Das ­belegt auch die Kurzstudie "Agiler Einkauf", die Ayelt Komus, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Koblenz, durchgeführt hat. Demnach mangelt es an der Akzeptanz agiler Methoden sowohl bei den Einkäufern als auch beim Management.

Kanban Board visualisiert, wie es um den Arbeitsfluss bestellt ist

Auch Komus befürwortet abteilungsübergreifende, eigenverantwortliche Teams, die für klar definierte Teilbereiche zuständig sind. "Methoden wie ein Kanban Board können das Team bei seiner Selbstorganisation unterstützen, ­indem visualisiert wird, woran das Team arbeitet, was noch zu tun ist und wie es um den Arbeitsfluss bestellt ist," erklärt er.
Um Lieferantenbeziehungen neu zu ­gestalten, ist es seiner Meinung nach auch wichtig, eine neue Vertragsarchitektur zu entwickeln, bei der nicht alle Einzelheiten bereits im Vorfeld festgelegt sind. "Es geht vielmehr darum, gemeinsam mit dem möglichen Lieferanten eine Vision zu entwickeln, etwa was die Positionierung von Produkten oder das Preissegment angeht", so Komus. Das widerspreche meist dem gelernten Ansatz einer Festpreisvereinbarung, wie sie lange Zeit im Einkauf üblich gewesen sei. "Doch strategischen Lieferanten sollte man eher auf Augenhöhe ­begegnen", mahnt er an. Nur so könne man von deren Know-how profitieren.

Ein Beispiel: die Eigenmarkenentwicklung

Er nennt als ein mögliches Beispiel die Eigenmarkenentwicklung eines Online-Händlers. Wenn die wichtigsten Lieferanten hier in die Produktentwicklung einbezogen seien, erlaube dies kürzere Reaktionszeiten, eine flexiblere Entwicklung individueller Produkte und Sortimente und auch eine Neuverteilung des Risikos.
Letztlich ist der Mensch wie so oft einer der wichtigsten Faktoren. Sternberg sieht in den schnell erreichbaren Erfolgen eine grosse Chance, die Akzeptanz zu verbessern: "Sie müssen ihre Mitarbeiter unbedingt mitnehmen, ihnen Ängste nehmen, Vorteile deutlich machen", betont er, "und das heisst reden, reden, reden."




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